Die technischen Entwicklungen in der Automobilbranche sind rasant. Dem Mobilitätsclub ÖAMTC verlangt das ein hohes Maß an Innovation ab: Um die mehr als drei Millionen Mitglieder ideal zu unterstützen, muss man sich nicht nur schnell an neue Technologien anpassen – sondern sogar vorhersehen, welche in Zukunft relevant werden könnten.
Ein langer Arbeitstag ist zu Ende, auf der Mühlkreisautobahn geht es dank wenig Verkehr rasch heimwärts, gedanklich sitzen Sie schon fast beim Abendessen. Doch dann läutet das Smartphone. Ein ÖAMTC-Mitarbeiter warnt, dass Ihr Auto in Kürze eine Panne erleiden wird, wenn Sie nicht die Geschwindigkeit reduzieren und zur nächstgelegenen Servicestelle fahren. Klingt futuristisch? Ist aber bereits Realität. „Wir bauen derzeit das Smart-Connect-System stetig aus, das unkompliziert in Autos integriert werden kann und automatisch Fehlermeldungen an uns weitersendet“, sagt der Landesdirektor des ÖAMTC-Oberösterreich, Harald Großauer. Anhand der Daten können Mitarbeiter oder eine Künstliche Intelligenz erkennen, ob eine Panne kurz bevorsteht und so dem Fahrer noch besser helfen.
Alte Arbeitsbereiche verschwinden
Das Projekt ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie schnell sich die Leistungs- und Tätigkeitsbereiche des Mobilitätsclubs verändern. 1896 wurde der ÖAMTC als Radfahrerclub gegründet, damals wurden im Wienerwald für Mitglieder Fahrradservicestationen aufgestellt. „In den 125 Jahren unserer Geschichte hat sich das Mobilitätsverhalten stark verändert, wir sind in dieser Zeit Jahr für Jahr gewachsen. Damit man so lange überlebensfähig ist und sich den stark veränderten Mobilitätsbedürfnissen anpassen kann, braucht es ein hohes Maß an Innovation“, sagt Großauer. Der ÖAMTC habe sich immer an den Bedürfnissen seiner Mitglieder orientiert, die sich mit der Zeit verändert hätten. „Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt das natürlich eine gewisse Beweglichkeit ab, sich mehr mit neuen Technologien zu beschäftigen, wenn alte wegfallen“, sagt der Landesdirektor. Ein großer Teil der Arbeiten in den Prüfhallen war früher etwa das Einstellen der Vergaser. Mit den Einspritzdüsen fiel dieser Arbeitsbereich fast völlig weg. Großauer: „Damals fragten sich die Techniker, was sie zukünftig zu tun haben werden – tatsächlich wurden die Aufgaben mehr und komplexer.“
Seit dem Frühjahr bietet man etwa Tests für E-Autos und E-Bikes an, die den Gesundheitszustand der Batterie feststellen – die einen erheblichen Teil des Fahrzeugwerts ausmacht. „Wir waren das erste unabhängige Unternehmen, das solche Tests durchführen konnte – und damit absolute Vorreiter“, sagt Großauer. Gemeinsam mit dem Startup Aviloo wurde das Prüfsystem entwickelt. Generell werde die E-Mobilität in Zukunft deutlich wichtiger. Der ÖAMTC sei gut darauf vorbereitet. Wenn man sich früh genug intensiv mit Trends und neuen Technologien beschäftigt, dann ist man auf neue Innovationen rechtzeitig eingestellt, erklärt der Landesdirektor. Schon Jahre vorher beschäftige man sich beim ÖAMTC damit, neue Dienstleistungen zu planen. Heutezutage sind in Autos zahlreiche Sensoren verbaut, die irgendwann – nach Unfällen oder Alterungseinflüssen – kalibriert werden müssten. „Wir beschäftigen uns in der Regel schon sehr frühzeitig damit – sobald das Problem am Markt auftaucht, sind wir bereit“, sagt Großauer.
„Dem Umfeld einen Schritt voraus sein“
Generell gelte es, dem Umfeld immer einen Schritt voraus zu sein. Die Planung des Clubs reicht weit in die Zukunft: Vor zwei Jahren wurde eine Strategie bis 2030 entwickelt und anhand von Zukunftsprognosen definiert. „Unsere Aufgabe ist es, die Zukunft zu antizipieren und die Trends schon Jahre vor der Umsetzung zu erkennen“, erklärt Großauer. Wie könnte diese Zukunft aussehen? Beispielsweise werde es durch die Klimaschutzziele einen stärkeren Mix an Antriebstechnologien geben. Autonomes Fahren wird an Bedeutung gewinnen, aber später als gedacht. „Die Assistenzssysteme entwickeln sich ständig weiter, aber auch 2035 werden wir noch keinen komplett KI-gesteuerten Autoverkehr auf unseren Straßen – außer zu Testzwecken – sehen“, prophezeit Großauer.
Schon heute produzieren die hoch vernetzten Autos ein enormes Maß an sensiblen Daten. Zum Beispiel könne man etwa über die Lenkbewegungen und Reaktionen der Fahrer Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand ziehen. „Wir als Interessensvertretung der Autofahrer setzen uns derzeit dafür ein, dass die Fahrzeughalter über diese Daten verfügen sollen und nicht die Industrie“, sagt Großauer. Gemeinsam mit der Federation Internationale de l‘ Automobile (FIA) startete man die Initiative „My Car my Data“ und lobbyiert bei der EU, dass die technischen Fahrzeugdaten auch auf einer neutralen Plattform für Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. Das soll mehr Wettbewerb zum Wohle der Konsumenten erzeugen.
Trotz aller technologischen Weiterentwicklungen wird die klassische Pannenhilfe wohl auch in absehbarer Zeit eine Kerndienstleistung des ÖAMTC bleiben. „Nachdem die Fahrzeuge aber immer komplexer werden, wird es auch für Pannenfahrer immer schwieriger, alle Details im Kopf zu behalten.“ Derzeit prüft der Mobilitätsclub deswegen die Einsatzmöglichkeiten von VR- (Virtual Reality) und AR- (Augmented Reality)Anwendungen. Mitarbeiter könnten dann etwa mit einer AR-Brille technische Fehler viel schneller erkennen, via Augmented Reality wäre es für Helpdesk-Mitarbeiter möglich, sich remote mit dem jeweiligen Pannenhelfer zu verbinden. „Ich bin überzeugt, dass diese Technologien kommen werden“, sagt Großauer._
Unsere Aufgabe ist es, die Zukunft zu antizipieren und die Trends schon Jahre vor der Umsetzung zu erkennen.
Harald Großauer
Landesdirektor ÖAMTC Oberösterreich