Was Oberösterreich für Österreich ist, das ist Katalonien für Spanien: DER Wirtschaftsmotor. Und da sind wir auch schon beim Thema: Wie läuft eben dieser Motor in Zukunft? Mit welchem Antrieb? Ja, das ist doppeldeutig gemeint. Also mit welchem technologischen Antrieb (und woher kommt die Energie dafür?). Aber auch mit welchen politischen und gesellschaftlichen Antrieben. Denn beide Regionen stehen vor der großen Herausforderung: Wie gelingt die Transformation? Und wie bleibt man dabei wettbewerbsfähig?
Die Sonne strahlt auf die Dächer in Barcelona – mit wesentlich mehr Kraft als vor ein paar Stunden noch in Österreich. Das lädt die Energiereserven regelrecht auf. Allerdings nur die eigenen, PV-Anlagen sucht man auf den ersten Blick auf diesen Dächern vergeblich. Es ist Herbst, fühlt sich aber nach Sommer an, als wir gemeinsam mit Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner und der Industriellenvereinigung Oberösterreich als Teil einer Oberösterreichdelegation einen Blick hinter die Kulissen des Wirtschaftsstandortes Katalonien werfen. Die Region ist mit ihrer Hauptstadt Barcelona Wirtschafts- und Exportmotor. Die rund 7,7 Millionen Einwohner:innen erbringen eine jährliche Wirtschaftsleistung von 270 Milliarden Euro. Investiert wird vor allem in den grünen Wandel und die digitale Transformation. „Wir wollen uns mit anderen messen, um zu sehen, wo wir uns verstärken müssen“, erklärt Achleitner den Grund dieser Reisen, die seit vielen Jahren in die stärksten Industrieregionen Europas gemacht werden. Man wolle Kontakte knüpfen, innovative Ansätze mit zurück nach Oberösterreich nehmen und so die richtigen Weichenstellungen für einen zukunftsfitten Wirtschaftsstandort treffen.
Wo geht’s hier zu den Top 10?
Das konkrete Ziel für eben diese Zukunft: Oberösterreich will zu den Top 10 der industriellen Spitzenregionen Europas aufschließen (vom aktuellen Platz 19 von 76 vergleichbaren Industrieregionen). „Dort hinzukommen heißt nicht, dass wir alles selbst erfinden. Sondern in starke Regionen schauen. Die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich entscheidet darüber, ob das Land zukunftsfähig ist, in Oberösterreich Arbeitsplätze geschaffen, Wertschöpfung ausgebaut und Investitionen getätigt werden“, erklärt IV-OÖ-Vizepräsident Thomas Bründl. Die Herausforderungen seien für die Industrieregionen Europas ziemlich gleich. „Wir brauchen ein europäisches Gesamtkonzept“, sagt Achleitner und meint damit etwa, dass „man europäisch festlegen müsste, wo man künftig grünen Wasserstoff produziert und verteilt“. Technisch sei das kein Problem, das Gasleitungsnetz sei aufrüstbar. Er ist überzeugt, dass Europa der erste Kontinent sein wird, wo die produzierende Industrie in einem Kreislauf funktioniert, es brauche aber einheitliche Unterstützungsmaßnahmen in ganz Europa. Der Austausch auf der Reise habe ihm bestätigt: „Die gesamte Transformation der Wirtschaft wird länger dauern, als manche meinen. Und: Diese Transformation können wir nur auf Basis von Technologieoffenheit vollführen.“
Technologieoffenheit ist auch das Thema beim Besuch in der katalanischen Automobilbranche – hier stellt die VW-Tochter Seat mit der neuen Marke Cupra auf E-Mobilität um. „Cupra ist zur am schnellsten wachsenden Automarke Europas geworden“, erzählt Wolfgang Wurm, Geschäftsführer von Porsche Austria. Achleitner: „Seat macht im Gesamtautobau nichts anderes als BMW in Steyr: Sie nutzen und produzieren die effizienteste, schadstoffärmste bestehende Verbrennungstechnologie und bauen parallel dazu Antriebsstränge der Zukunft auf.“ In Oberösterreich soll das Zentrum der zukünftigen Mobilität entstehen. Elektromobilität spiele eine wichtige Rolle, aber „sicher nicht die einzige. Wir werden nicht mit Batterien fliegen und wir werden auch die Schiffe nicht mit Batterien betreiben.“ Für manche Antriebsstränge werde daher Wasserstoff als Basis die Lösung sein. Umso wichtiger sei eine gute Zusammenarbeit mit der spanischen Wirtschaftsregion: „Dass Katalonien künftig ein Erneuerbare-Energie-Hub werden möchte, ist eine klare strategische Ansage“, sagt Thomas Bründl. „Energie und im Besonderen Wasserstoff ist ein aussichtsreiches Themenfeld für die länderübergreifende Zusammenarbeit.“
Zwei Regionen, eine Herausforderung
Zusammengearbeitet habe die Standortagentur Business Upper Austria schon mehrmals für EU-Projekte mit der spanischen Agentur ACCIÓ, erzählt Werner Pamminger, Geschäftsführer der oberösterreichischen Agentur. „Diese Zusammenarbeit wollen wir noch weiter ausbauen und intensivieren, vor allem in den Bereichen, in denen es um die Transformation der Industrie und Wirtschaft geht, zum Beispiel bei Wasserstoff als Träger von Energie für industrielle Prozesse.“ Die Einblicke in Katalonien haben ihm einmal mehr bestätigt, dass „Innovation der Kerntreiber für wirtschaftliche Entwicklung ist“.
Fünf Hebel für den Aufstieg
Für Innovation braucht es natürlich vor allem eines: Forschung. Thomas Bründl sieht als einen von fünf Hebeln für Oberösterreichs Aufstieg zu den industriellen Spitzenregionen Europas: „den weiteren Ausbau der Forschungsaktivitäten, die Forcierung von Zukunftstechnologien und eine Digitalisierungsoffensive.“ Die anderen vier Hebel seien erstens: gesunde Finanzen auf regionaler und nationaler Ebene. Zweitens: die Stärkung der Grundkompetenzen in der schulischen Bildung sowie die Steigerung der Anzahl von MINT-Absolvent:innen. Drittens: Verbesserungen in der Daten-, Verkehrs- und Energieinfrastruktur, und viertens: der Abbau von Bürokratie und Überregulierung.
Am dritten Tag strahlt die Sonne nicht mehr ganz so stark. Auch manche Schattenseiten haben sich gezeigt – am frühen Morgen schläft ein Obdachloser vor einem Geschäftseingang, er ist keine 20. Während in Oberösterreich die Arbeitslosigkeit bei knapp vier Prozent liegt, sind es in Katalonien fast dreizehn, bei den Jugendlichen gar über 26 Prozent. Lernen können beide Regionen voneinander. Und das ist Thomas Bründls Erkenntnis vom Austausch mit starken Regionen: „Der eine ist bei dem Bereich weiter, der andere bei einem anderen. Zu managen haben wir dieselben Challenges.“_
In Oberösterreich soll das Zentrum der zukünftigen Mobilität entstehen.
Markus Achleitner
Wirtschafts-Landesrat OÖ
Die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich entscheidet darüber, ob das Land zukunftsfähig ist.
Thomas Bründl
Vizepräsident, IV OÖ
4 Fragen ...
... an Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer, Industriellenvereinigung Oberösterreich
Wenn der Industriestandort Europa immer mehr ins Hintertreffen gegenüber Wettbewerbern wie China und Nordamerika gerät, wie sollte industriepolitisch gegengesteuert werden?
Joachim Haindl-Grutsch:Europa muss sich wieder seiner Stärken besinnen – industrielle Produktionsprozesse hochautomatisiert und digitalisiert mit qualifizierten Mitarbeiter:innen umsetzen. Dazu braucht es aber wettbewerbsfähige Energiekosten und weniger Regulierung und Bürokratie aus Brüssel. Europa vertreibt seine Stärkefelder wie die Fahrzeug-, Maschinenbau-, Stahl- oder Chemieindustrie aus Europa, anstatt diese bei grüner Transformation zu unterstützen.
China und Co. schlafen nicht. Im Gegenteil. Wann ist der Zug für Europa und damit auch für Oberösterreich abgefahren?
Joachim Haindl-Grutsch:Der Abfluss von industrieller Wertschöpfung aus Europa ist im Gange. Europa hat in der Vergangenheit bereits sehr viele Branchen verloren – wie etwa die Textilindustrie, die Mobiltelefonie oder auch die Chipindustrie. Wenn man Stärkefelder einmal verloren hat, ist das Zurückholen besonders schwierig. Wenn wir die Automobilindustrie und den Maschinenbau auch noch verlieren, wird Europa zum Museum, wo reiche Amerikaner:innen und Asiat:innen sich im Urlaub die alte Welt anschauen – das aber bei deutlich geringerem Wohlstandsniveau bei uns im Vergleich zu den heutigen Standards.
Bei all den Eindrücken und Gesprächen in Katalonien, was hat Sie am meisten überrascht?
Joachim Haindl-Grutsch:Das hohe Ansehen von Oberösterreich als starker Industriestandort und die große Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Besonders eindrucksvoll war der Supercomputer in einer Kirche. Das Setting macht einem bewusst, worum es in der Zukunft geht – Künstliche Intelligenz richtig einzusetzen.
Welche konkreten Ideen und Anreize kann sich die IV OÖ von dieser Reise mitnehmen, die dem Ziel Oberösterreichs, bis 2030 zu den Top 10 der industriellen Spitzenregionen Europas aufzuschließen, förderlich sind?
Joachim Haindl-Grutsch:Die ganze Welt versucht, die Industrie zurück ins Land zu holen – Amerika, Asien und auch Länder in Europa wie Spanien. Österreich und Deutschland haben es in den letzten zwei Jahrzehnten geschafft, die Industriequote hochzuhalten – ganz besonders gut ist uns das in Oberösterreich gelungen. Diese Stärke dürfen wir nicht verlieren, weil uns die Kosten davonlaufen. Es braucht daher eine neue Industriestrategie, für Österreich wie auch für Oberösterreich.