Bundeskanzler Nehammer sagte im Sommer: „Innovationen entstehen nicht durch Verbote, sondern durchs Ermöglichen. Denn die Dampfmaschine wurde nicht verboten, sie wurde durch etwas Besseres abgelöst.“ Wie sehen Sie das?
Robert OttelDas ist grundsätzlich richtig, auch ich glaube nicht an die Zentral- oder Planwirtschaft. Woran ich hingegen glaube, ist, dass es Rahmenbedingungen braucht, für die die Politik schlichtweg zuständig ist. Eine passende Analogie hierzu: Wenn Grünstrom in Österreich die günstigste Form der Energie wäre, hätte vermutlich jedes Unternehmen bereits umgestellt. Allein deshalb, weil es ein Kostenfaktor ist.
Mit Environment, Social und Governance wurden aber im internationalen Vergleich doch hohe Standards eingeführt, die es zu erfüllen gilt. Sehen Sie darin einen internationalen Wettbewerbsnachteil oder eine große Zukunftschance?
Robert OttelZum Vergleich: In den USA löst man das tendenziell eher über Förderungen und indem man Unternehmen stark unterstützt. Asiatische Länder setzen hingegen zum Teil auf Planwirtschaft. Auf internationaler Ebene sehe ich ESG als Wettbewerbsnachteil, wobei ich keineswegs bestreite, dass Handlungen notwendig sind. Es ist absolut richtig, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Nur müssen wir uns die Frage stellen, ob die Bevölkerung bereit ist, dafür zu „zahlen“. Denn was durch die Verbote auf den ersten Blick gratis ist, kostet sie dann eben indirekt was.
Sie sagen: „Die Kunst eines Finanzvorstandes ist es, Zahlen spürbar zu machen.“ Inwiefern sind die ESG-Kriterien dafür da, nachhaltige Veränderungen in der Verantwortung von Unternehmen spürbar zu machen?
Robert OttelWir machen Fortschritte beim Thema Nachhaltigkeit, in Europa etablieren sich immer mehr allgemein akzeptierte Kriterien – auch durch die Taxonomieverordnung und andere Regelungen. Hier sehe ich eine Chance, Nachhaltigkeit auch wirklich umzusetzen. Was allerdings nach wie vor der Fall ist: Im Durchschnitt sind Unternehmen und ihre Kennzahlen noch immer finanziell geprägt. Für viele ist es schwierig, den grundsätzlichen Willen in eine veränderte Organisation, die auch nach innen wirkt, umzusetzen.
Heuer wurden Sie von Deloitte gemeinsam mit Herbert Eibensteiner als Top-Führungsduo in der Kategorie „Energie & rohstoffnahe Industrie“ ausgezeichnet. Welche Zutat darf in Ihrem Erfolgsrezept als langjähriger Manager nicht fehlen?
Robert OttelPersönlich bin ich der Überzeugung, dass es als gute Führungskraft darum geht, die Werte, die man tatsächlich hat, auch im Unternehmen zu leben. Eine Vorbildfunktion einzunehmen und danach zu trachten, dass die Menschen rund um einen bestmöglich zur Geltung kommen. Also „die Einzelleistung“ gibt es nicht.
Teil der Begründung war die gute Integration der Finanzfunktion in das Geschäftsmodell eines Unternehmens – insbesondere, wenn es um komplexe Absicherungsgeschäfte für Rohstoffe und Energie geht. Welche Rolle spielt hierfür der Einsatz digitaler Lösungen?
Robert OttelSie sind vor allem ein Teil des Werkzeugs, aber die Basis ist und bleibt das Verständnis des eigenen Geschäftsmodells. Man muss sich darüber im Klaren sein, wie der Markt und Mitbewerber reagieren oder wo Preisschwankungen bei Rohstoffen und Energie an Kund:innen weitergegeben werden können und wo nicht. Diese Kenntnisse sind der eigentliche Schlüssel, um richtig damit umzugehen.
Mit dem Digital Austria Act adressiert die Bundesregierung ein breites Feld wichtiger Digitalisierungsthemen – E-Government, digitale Infrastruktur, Cybersecurity bis hin zu Künstlicher Intelligenz. Ein Quantensprung oder lediglich ein Schritt in die richtige Richtung?
Robert OttelEs ist eine kontinuierliche Entwicklung, die sowohl die Unternehmen als auch die öffentliche Verwaltung sowie der Gesetzgeber Schritt für Schritt gehen müssen. Problematisch wird es dort, wo ein Teil dieses Zusammenspiels hinterherhinkt. Etwa wenn die Gesetze für bestimmte Technologien, die schon angewendet werden, noch nicht reif sind. Ich glaube, es ist eine Entwicklung, die alle gehen müssen und die ohnehin stattfindet. Nur kommt es mir manchmal so vor, dass die öffentliche Verwaltung vielleicht auch sich selbst etwas schneller digitalisieren könnte._