Der CO2-Ausstoß und die Umweltbelastung stagnieren global auf viel zu hohem Niveau, die gesetzten Klimaziele werden konstant verfehlt. Können wir die schlimmsten Folgen des bevorstehenden Klimawandels noch abwenden; ist die Umwelt, wie wir sie kennen, noch zu retten? Darüber gibt es unterschiedlichste Meinungen bei Expert:innen. Eines haben Pessimist:innen und Optimist:innen in Forschung und Wirtschaft aber gemeinsam: Sie suchen unermüdlich nach Lösungen und Strategien, um klimaverträglicher
agieren zu können.
ChatGPT gilt derzeit global als Maß aller Dinge im Bereich Artificial Intelligence. Nicht so für Alois Ferscha – zumindest was den Nachhaltigkeitsaspekt betrifft. „Kaum jemand weiß, was nur eine einzige Anfrage an ChatGPT an CO2-Emissionen verursacht – 20.000 Anfragen entsprechen etwa dem CO2 Ausstoß einer Autofahrt von Wien nach Bregenz“, sagt der wissenschaftliche Leiter des COMET-Forschungszentrums Pro²Future. Es ist ein Dilemma der Künstlichen Intelligenz: Einerseits können durch KI Methoden umweltschädliche Einflüsse und ressourcensparende Produktionsmöglichkeiten identifiziert werden, andererseits ist der CO2-Fußabdruck vieler KI-Systeme durch den enormen Energiebedarf höchst bedenklich. Ferscha: „Bekannte Lösungen wie OpenAI GPT-4, DALL-E, oder Midjourney erfordern einen gewaltigen Rechenleistungs- und damit Energieeinsatz, es braucht Petabyte an Trainingsdaten, damit sie überhaupt veritabel operieren können“. Pro2Future entwickelt einen anderen Ansatz. „Anstatt einer an extrem großen Datenmengen lernenden KI forschen wir an Lernmethoden für vernetzte, föderierte Individualintelligenzen“, erklärt Ferscha.
Zum Einsatz kommt diese durch vernetztes Lernen statt großer Datenmengen intelligent gewordene KI etwa beim Forschungsprojekt REWAI. In der Produktionsumgebung der Textil- und Modeindustrie – in dem Fall bei Lenzing – werden KI-gestützte Modelle und Methoden eingesetzt. „Dadurch können beispielsweise Wartungsintervalle optimiert werden, wodurch sich der Lebenszyklus von Maschinen in der Produktion verlängert“, erklärt Projektleiter Michael Haslgrübler. Weitere messbare Effekte: die Reduktion von notwendiger Energie, die Vermeidung von Produktionsabfall und Lagerflächen für Upcycling-Prozesse, die durch nicht-optimale Prozesse entstehen.
„Wichtig, die Hebelwirkungen zu suchen“
Die Datenverarbeitung der KI wird dabei möglichst lokal gehalten. „Sie funktioniert beim Betrieb vor Ort in einem eingebetteten System mit sehr geringem Energieaufwand“, sagt Haslgrübler. Der Energieverbrauch der KI-Modelle wird in den Pro2Future-Forschungsprojekten dokumentiert, um ihn schließlich zu optimieren. Das gilt auch für die eingesetzte KI beim Projekt recAIcle, das auf eine Interaktion von menschlicher und maschineller Intelligenz beim Recycling abzielt. Die KI beobachtet und unterstützt Fachkräfte, die bestimmte Materialien aussortieren, und trainiert gleichzeitig durch einen kontinuierlichen Lernansatz Klassifikationsmodelle.
Die Textil- und Modeindustrie, die durch das REWAI-Projekt nachhaltiger werden soll, ist für zehn Prozent der globalen Treibhausemissionen und 20 Prozent der globalen Land- und Wasserverschmutzung verantwortlich. Auch Abfall ist einer der größten CO2-Treiber. Der Fokus auf diese Bereiche ist kein Zufall. „Es ist für die Wissenschaft wichtig, die größten Hebelwirkungen für die Umwelt zu suchen, damit wir einen großen Effekt erreichen können. Signifikante Hebelwirkungen gibt es in den Sektoren Verkehr und Logistik, Bau und Immobilien, Chemie und Pharma, IKT, aber insbesondere und in erster Linie in der industriellen Produktion“, sagt Ferscha.
Wenn es auch nur einen Millimeter einer Veränderungsmöglichkeit gibt, muss man diesen Millimeter gehen.
Alois Ferscha
wissenschaftlicher Leiter, Pro2Future
Wer wirklich etwas bewegen will, sollte dort aktiv werden, wo er berufliche Hebel hat.
Andreas Tiefengraber
Geschäftsführer, Zultner Metall
Es heißt ‚Umweltschutz‘, aber eigentlich schützen wir uns ja in erster Linie selbst.
Gabriela Maria Straka
Vorstandsmitglied und oberösterreichische Landeskoordinatorin, respACT
Es muss eine gemeinsame Herangehensweise geben und über den Tellerrand geblickt werden.
Peter Fessl
Director Operations Recycling, Greiner Packaging
#5 Fragen an …
Die Johannes Kepler Universität Linz (JKU) will bis 2030 klimaneutral werden. Wie kann das funktionieren? Fünf Fragen an Alex Freischlager , JKU-Vizerektor für Campusentwicklung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, und Florian Mayer , Geschäftsführer JKU Alumni Club und JKU Karrierecenter.
Was sind die Gründe für das ambitionierte Ziel?
Alex Freischlager: Universitäten haben eine besondere gesellschaftspolitische Verantwortung und müssen daher Vorreiter sein. Wir haben uns bewusst ein ambitioniertes Ziel gesetzt, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
Welche Schritte sind die wichtigsten, um die Mission zu bewältigen?
Alex Freischlager: Jeder kleine Schritt, der Emissionen verhindert, ist ein wichtiger. Ganz besonders wichtig ist, dass nachhaltiges Handeln in den Köpfen der Menschen verankert und somit nach und nach selbstverständlich wird.
Ist angedacht „direkt“ klimaneutral zu werden – oder nicht vermeidbare Emissionen 2030 durch Zertifikate auszugleichen?
Alex Freischlager: Unser Ziel ist natürlich die Klimaneutralität. Über Zertifikate können wir uns 2030 Gedanken machen, aber nicht schon zu Beginn eine Hintertüre öffnen.
Welchen Einfluss hat das Thema Nachhaltigkeit bei den Studierenden und Alumni?
Florian Mayer: Im Karrierecenter der JKU merken wir in den vergangenen Jahren recht deutlich, dass der ökologische Fußabdruck eines Unternehmens, der Umgang mit Ressourcen, die Branche oder die Tatsache, ob es sich um einen „Green Job“ handelt, für immer mehr Alumni und Studierende bei der Jobsuche entscheidungsrelevant sind.
Die Studierenden von heute sind also die Weltverbesserer von morgen?
Florian Mayer: Im positiven Sinne ja. Viele unserer Studierenden sind tatsächlich bewusst auf der Suche nach einem Job, in dem sie einen wertvollen Beitrag für unsere Zukunft und den Erhalt eines lebenswerten Planeten auch für die nachfolgenden Generationen leisten können. Noch passender wäre daher wahrscheinlich das Wort „Welterhalter“._