Elke Pachner ist Managerin für Innovationsprojekte bei Borealis Linz. Die 36-Jährige ist seit knapp zehn Jahren im Chemiekonzern tätig, davon war sie zwei Jahre lang in den USA. Seit Mai des vergangenen Jahres ist sie wieder in Linz. Nun gibt sie ihre Erfahrungen im Mentoringprogramm „Go ahead!“ der Kepler Society an Andrea Eder weiter. Eder ist 25 Jahre alt und Doktorratsstudentin der Technischen Chemie an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz. Pachner über ihre Motivation für ihre Mentoren-Tätigkeit: „Ich hätte mir selbst gewünscht, beim Sprung von der Uni in die Privatindustrie jemanden an meiner Seite zu haben.“ Die Uni sei eine völlig andere Welt, der Eintritt in die Arbeitswelt ein „Sprung ins kalte Wasser“. Das Mentoring-Programm könne helfen, diesen besser zu überstehen: „Wenn man die ersten Jahre in der Arbeitswelt braucht, um sich zu orientieren, startet man verspätet mit seiner Karriere.“
Mentoring ist ein Persönlichkeitsentwicklungsinstrument und wurde Mitte der 1990er-Jahre entwickelt. In den vergangenen Jahren ist das Interesse dafür stark gestiegen, es gibt eine Reihe von Mentoring-Programmen in Oberösterreich. Dazu Brigitte Maria Gruber, Geschäftsführerin der Frauenfachakademie Schloss Mondsee und fachliche Begleiterin des Mentoringprogrammes der Kepler Society: „Die Nachfrage ist so stark, weil der Arbeitsmarkt immer anspruchsvoller wird und die Menschen erkennen, wie wichtig Netzwerken ist.“ Die jungen Menschen seien auch wegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage unsicher.
Richtige Vorbereitung
Die Kepler Society organisiert das Mentoring-Programm mit Unterstützung der Österreichischen Hochschülerschaft im laufenden Studienjahr zum zweiten Mal. Absolventen und Studierende im letzten Semester an der JKU konnten sich bewerben. Es haben sich viel mehr Personen angemeldet als aufgenommen werden konnten, erzählt Johannes Pracher, Geschäftsführer der Kepler Society: „Wir waren überrascht über die vielen Bewerbungen, denn Mentoring ist eine Arbeitsbeziehung, wofür sich jeder vorbereiten muss. Es reicht nicht, sich nur einmal im Monat auf einen Kaffee zu treffen und sich etwas abzuholen.“
"Mentoren bekommen einen Einblick, wie Absolventen und damit ihre zukünftigen Mitarbeiter ticken."
Johannes PracherGeschäftsführer, Kepler Society
Da solch eine Arbeitsbeziehung entsprechenden Zeitaufwand verursacht, war es eine „Challenge“ die passenden Mentoren zu finden, so Pracher. Bei „Go ahead!“ wurden alle Mentees zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, ein Anforderungsprofil erstellt und passend dazu die Mentoren gesucht. „Diese genaue Auswahl macht die Qualität aus“, so Gruber. Als zeitliche Minimalanforderung ist ein Treffen von rund zwei Stunden pro Monat vorgegeben. Dazu kommt ein begleitendes Veranstaltungsprogramm mit einem Auftakt, einem Reflektionsmeeting und einem Abschluss. „Jedes gute Mentoringprogramm braucht eine Begleitung“, erklärt Gruber. Damit haben die fünfzehn Mentees und Mentoren auch die Möglichkeit, untereinander zu Netzwerken. Für Mentoring-Programme habe sich eine Dauer von sechs bis neun Monaten bewährt: „Alles andere ist für beide Seiten zu lange.“
Empathie und Begeisterung
Der 27-jährige Robert Danner hat Sozialwirtschaft studiert und sich als Mentee eine erfahrene Person im Personalwesen gewünscht. Mit Harald Huemer hat er diese auch bekommen. Der 43-Jährige ist seit sechs Jahren für die Personalentwicklung der Hypo Oberösterreich zuständig und war auch schon beim Netzwerk Humanressourcen Mentor. Es ist für ihn keine Frage der Zeit, sondern ein Prioritätenthema: „Man muss sich für Dinge, die man gerne machen möchte, einen gewissen Freiraum schaffen.“ Er zeige als Mentor verschiedene Lösungsansätze auf, „den Weg muss der Mentee dann selbst gehen“. Der Mentor braucht dafür Empathie und Begeisterung für die Sache, sind sich Huemer und Pachner einig. Bei den beiden Mentoring-Programmen konnte der Geschäftsführer der Kepler Society sehen, dass der Erfolg auch ganz wesentlich vom Engagement und der Verlässlichkeit des Mentees abhängt: „Ein Mentor kann seinen Mentee nicht pushen, wenn er nicht weiß, wo dieser hin will.“ Wenn die Chemie passt, könnten Mentees von ihren Mentoren laut Gruber alles haben und so viel mitnehmen, was sie sonst in dieser Ehrlichkeit nirgends bekommen würden. Neben den beruflichen Erfahrungen gebe es auch einen Push für die Persönlichkeitsentwicklung, wenn der Mentee dafür offen ist und sich darauf einlässt. Es sei möglich, dass sich ein Jobangebot ergebe, die jungen Menschen dürften sich dies aber nicht erwarten, sagt Gruber: „Mentoring ist kein Arbeitsplatz-Beschaffungsmittel.“ Und umgekehrt dürften Mentoren darin auch kein ausgelagertes Bewerbungsverfahren sehen.
"Die Nachfrage nach Mentoring-Programmen ist so stark, weil der Arbeitsmarkt immer anspruchsvoller wird."
Brigitte Maria GruberFachliche Begleitung, Mentoringprogramm „Go ahead!“
Feedback und Selbstreflexion
Danner hat bereits viel darüber erfahren, was es heißt im Personalbereich zu arbeiten, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt und welche davon zu ihm passen könnten. Daneben hat ihm sein Mentor auch ganz konkrete Ideen geliefert, die er sofort in seinem aktuellen Job als Einsatzleiter beim Roten Kreuz umgesetzt hat. Eder und Pachner arbeiten an einer Strategie für die Zukunft der Doktorratsstudentin. Eder erklärt: „Ich hatte zuvor noch kaum einen Plan, wo ich in fünf Jahren in etwa sein möchte. Aber durch die Selbstreflexion sind mir viele Dinge bewusst geworden, worauf ich Wert lege und was mir für die Zukunft wichtig ist. Das ist extrem bedeutend, denn wenn man kein Ziel hat, kommt man nicht vorwärts.“
Doch es profitieren nicht nur die Mentees, sondern auch die Mentoren, weiß Pracher: „Sie bekommen einen Einblick, wie Absolventen und damit ihre zukünftigen Mitarbeiter und Arbeitskollegen ticken und wie sie selbst wahrgenommen werden.“ Weiters haben Mentoren die Chance auf ein ehrliches und offenes Feedback: „Wenn man einmal länger im Berufsleben ist, wird man vom eigenen Team nicht mehr so reflektiert.“ Das bestätigt auch Pachner: „Ich kann ein Mentoring jedem sehr zur Selbstreflexion empfehlen.“ Es sei ein unheimlich gutes Gefühl, jemandem weiterzuhelfen und gleichzeitig lernt man, sich auf eine Person einzustellen. „Denn es geht nicht darum, was ich glaube, was die Andrea braucht, sondern was sie mitnehmen möchte“, sagt Pachner, „und das hilft mir auch im Unternehmen weiter.“_
Mentoring-Programme in Oberösterreich
_Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF)
_Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
_Mentoring für Frauen von der Frauen Fachakademie Schloss Mondsee
_Cross-Mentoring vom Netzwerk Humanressourcen
_Mentoring für Migranten von der Wirtschaftskammer Österreich
_„Go ahead!“ der Kepler Society
Mentorin Elke Pachner, Projektmanagerin, Borealis
Was ich mir gewünscht hätte, dass man mir schon früher gesagt hätte_ Wie man am besten den Übergang aus der akademischen Welt zur eigentlichen Arbeitswelt schaffen kann.
Motivation als Mentorin_ Der Wunsch, jemand anderem den Einstieg zu erleichtern und dabei selbst davon zu profitieren.
Ziel als Mentorin_ Dass Andrea erreicht, was sie sich wünscht.
Mentee Andrea Eder, Doktorratsstudentin Technische Chemie, JKU Linz
Motivation als Mentee_ Jemanden zu haben, der mich begleitet und mir Feedback gibt zu dem, was ich bisher gemacht habe und was ich mir in Zukunft vorstelle.
Ziel als Mentee_ Dass ich mich durch das Programm besser kennen lerne und danach entscheiden kann, welche Ziele ich mir stecken kann.
Mentor Harald Huemer, Personalentwicklung, Hypo Oberösterreich
Was ich mir gewünscht hätte, dass man mir schon früher gesagt hätte_ Oft führt der indirekte Weg zum Erfolg.
Motivation als Mentor_ Erfahrungen weitergeben und dazugewinnen.
Ziel als Mentor_ Dass der Mentee beim letzten Termin Danke sagt, weil es ihm etwas gebracht hat, er ein Stückchen weitergekommen ist und er eine Idee hat, was er darüber hinaus noch machen möchte.
Mentee Robert Danner, studierter Sozialwirt und Einsatzleiter beim Roten Kreuz
Motivation und Ziel als Mentee_ Erfahrungen gewinnen.