Bei ihrem Job-Antritt im November 2016 wurde sie oft wenig charmant als „Quotenfrau“ und „Notlösung“ bezeichnet. Doch davon hat sich die 34-jährige Helena Kirchmayr nicht beirren lassen. Beim Treffen auf dem elterlichen Bauernhof in Pucking erzählt sie uns, was ihre ganz persönliche Inspirationsquelle ist, warum sie als Klubobfrau kein Streithansel ist und warum der Volkspartei ein Tritt in den Hintern nicht schadet.
Landeshauptmann Thomas Stelzer sagte bei seinem Amtsantritt, es gehe darum, neue Wege zu gehen und neue Lösungen mit einer neuen Generation in der ÖVP zu finden. Helena Kirchmayr, die 34-jährige OÖVP-Landesparteiobfrau-Stellvertreterin und OÖVP-Klubobfrau ist ein Sinnbild für diese neue Generation an Politikern in der christlich-konservativen Partei. Mit ihrer sechs Monate alten Tochter Magdalena am Arm begrüßt sie uns lächelnd und freudestrahlend am elterlichen Bauernhof in Pucking nahe Traun, den ihr jüngerer Bruder gemeinsam mit der Mutter als Ackerbaubetrieb bewirtschaftet. Wir nehmen im großen, bäuerlich eingerichteten, gemütlichen Vorhaus auf der Holz-Eckbank Platz.
Inspiration ab Hof
Was sind denn solche Momente im Leben eines Politikers, in denen sie den Bauernhof als Inspiration braucht? „Der Bauernhof erdet einen. Wenn ich den Kopf schon voll habe und nicht mehr genau weiß, wo eigentlich oben und unten ist, dann muss ich einfach raus in die Natur. Der elterliche Bauernhof ist für mich der ideale Rückzugsort.“ Ein Rückzugsort, den Kirchmayr zwischen ihren Funktionen als Vollblutpolitikerin und leidenschaftliche Mama auch braucht und so oft wie möglich versucht, zu nutzen: „Ich bin mindestens einmal in der Woche hier.“ Und auch sonst ist Kirchmayr viel in der Natur: „Ich versuche mit Magdalena jeden Tag spazieren zu gehen. Es gibt kaum ein Wetter, bei dem wir nicht rausgehen. Wenn man den ganzen Tag in stickigen Räumen sitzt und verhandelt, ist das ein perfekter Ausgleich.“
"Sebastian Kurz steht für eine sehr junge Politik, verpasst der OVP momentan den richtigen Tritt, den die Partei dringend brauchte. Ein Tritt in den Hintern schadet nie."
Helena KirchmayrOÖVP-Landesparteiobfrau-Stellvertreterin und OÖVP-Klubobfrau
Der elterliche Bauernhof ist nicht nur Rückzugsort, sondern auch ihre Kraftquelle: „Das Schöne an der Landwirtschaft ist der Kontrast zur Politik: Wenn man hier arbeitet, sieht man immer gleich das Resultat. In der Politik dauert das oft eine Zeit lang, bis man Ergebnisse ernten kann.“ Ergebnisse, die erst – oft mühsam – nach vielen Treffen, Verhandlungen und Sitzungen zustande kommen. Man müsse so konsensorientiert wie möglich arbeiten, um den bestmöglichen Nenner der Interessen zusammenzubringen. Das sei auch ihre Hauptaufgabe als Klubobfrau: „Ich bin dafür verantwortlich, dass die Themen innerhalb der Parteien ausverhandelt und ausdiskutiert werden. Unser Klub ist der Dreh- und Angelpunkt für die Regierungsmitglieder, für den Herrn Landeshauptmann, für die Abgeordneten und für die Bevölkerung.“ Politik sei immer ein Kompromiss, man könne nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand: „Das ist auch nicht meine Art, ich bin kein Streithansel. Ich richte nichts über die Zeitungen aus, sondern bin überzeugt davon, dass man sich zusammensetzen und die Dinge ausreden soll. Die ganze Partei versucht das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Nur so bringt man auch etwas weiter.“
Prioritäten setzen
Aktuell würden viele Themen im Bereich Familie auf der politischen Tagesordnung stehen. Neben Betriebskindergärten und Kinderbetreuungsplätzen nehme besonders das Thema Karenzmodelle einen wichtigen Platz ein: „Damit müssen wir uns noch intensiver auseinandersetzen, denn die Angebote, die wir jetzt haben, werden noch sehr wenig angenommen. Ich würde es spannend finden, ein visionäres Modell zum Beispiel so zu gestalten, dass von sieben Wochentagen der Mann zwei Tage und die restliche Zeit die Frau in Karenz ist. Auch aus betrieblicher Sicht wäre so etwas spannend, weil dann der Mann nicht ein halbes Jahr weg ist, sondern nur ein, zwei Tage in der Woche. Es kommt natürlich auch auf den Job an.“ Im selben Atemzug solle man auch die gesellschaftliche Anerkennung und Wertigkeit der Mütter und Väter steigern, egal, wie eine Familie ihr Leben gestaltet, sagt Kirchmayr: „Uns ist noch viel zu wenig bewusst, was Eltern leisten. Die Kindererziehung ist eine Grundlage für unsere Zukunft. Die Gesellschaft lebt ja davon, dass Kinder zur Welt kommen und das muss uns mehr wert sein.“ Kirchmayr beweist, dass sich Karriere und Kind nicht ausschließen müssen. Wie funktioniert denn der politische Alltag und das Arbeiten mit der Tochter tatsächlich? „Es ist eine riesige Herausforderung, sowohl für mich persönlich, als auch für das gesamte Team. Zum Glück kann man heutzutage viel mit E-Mails, Telefonaten und online erledigen. Ich bin aber auch sehr dankbar, dass ich einen Partner habe, mit dem ich mir die Aufgaben aufteilen kann und die Oma ist ebenso eine große Hilfe – so wie ein gut organisiertes Team, das zusammenhält. Die oberste Priorität hat natürlich immer Magdalena – ich hatte bei der ersten Landtagssitzung nach der Geburt große Gewissensbisse, weil ich nicht bei meiner Tochter sein konnte.“
Kirchmayr will mit ihrer gestalterischen Kraft dazu beitragen, dass es ihrer Tochter später mindestens genauso gut geht wie ihr jetzt. Wie blickt sie in die Zukunft, wie viel Angst oder Sorge um die zukünftigen Generationen schwingen dabei mit? „Zukunftsängste habe ich keine. Es bedarf des Engagements der richtigen Leute. Für mich ist beispielsweise die Europäische Union ein wichtiges und richtiges Projekt, auch wenn es viel kritisiert wird. Man muss sich überlegen, wie man die anfallenden Themen gemeinschaftlich regeln kann, ein Rückfall in nationalstaatliche Denkmuster ist nicht hilfreich. Ich wünsche mir für meine Tochter eine große und gemeinsame Europäische Union.“ Der Terminus der „richtigen Leute“ liegt natürlich subjektiv im Auge des Betrachters. Kirchmayr meint junge, vor Elan strotzende Politiker, welche die Grundwerte und Idee der EU vehement verfechten: „Das sind etwa eine Angela Merkel, ein Emmanuel Macron und natürlich auch ein Sebastian Kurz, die bringen als glühende Europäer frischen Wind in die Szene.“ Sebastian Kurz werde mit einem neuen, dynamischen Zugang seiner eigenen Partei und der heimischen Politik Füße machen. „Er steht für eine sehr junge Politik, verpasst der ÖVP momentan den richtigen Tritt, den die Partei dringend brauchte. Ein Tritt in den Hintern schadet nie“, sagt Kirchmayr und lacht. Ist er wirklich der messiasartige Wunderwuzzi, für den ihn alle halten? „Ich kenne ihn schon seit Jahren. Er war Bundesobmann der JVP, ich war seine Stellvertreterin. Er macht das hervorragend. Er ist ein engagierter junger Mann mit Ehrgeiz bei seiner Arbeit und Klarheit in seinen Aussagen. Der weiß, was er will. Er führt jetzt beides zusammen: die alte ÖVP-Garde und die neue Generation. Er wird einen neuen Zugang bringen.“
Partei der alten Männer
Mit einem jungen und dynamischen Politikansatz kennt sich Kirchmayr ebenfalls aus, immerhin war sie erst fünfzehn Jahre alt, als sie der JVP beigetreten ist. Damals hat es in Oberösterreich immer geheißen: Die ÖVP, die Partei der alten Männer. Wie reagiert man als junge Nachwuchspolitikerin darauf? „Wenn es manche älteren Herren wie Josef Pühringer oder Wolfgang Stanek nicht gegeben hätte, hätte ich gar nicht für ein politisches Amt kandidiert. Wir waren in der JVP auch lange mit dem Slogan ‚Überlasst Politik nicht den alten Hasen’ unterwegs. Nicht ganz charmant, aber sehr ehrlich“, sagt Kirchmayr und schmunzelt. Aber natürlich hätten damals viele gefragt, warum sie sich den Posten als OÖVP-Klubobfrau antue und wie sie mit dem Vorwurf der „Quotenfrau“ umgehe. Nach der Wahl im Herbst 2016 habe es immer wieder geheißen, Kirchmayr hätte den Posten als Klubobfrau nur bekommen, weil zumindest ein Job mit einer Frau besetzt werden musste, nachdem Doris Hummer als Landesrätin gehen musste. „Innerlich nagt das schon, aber ich bemühe mich immer, nach vorne zu schauen. Wenn ich stets im Sud der Quotenfrau schwimmen würde, wäre ich selber nur unglücklich“, so Kirchmayr. Im Zuge der Quotenfrau-Debatte drängt sich natürlich die Frage auf, ob es Frauen in der Politik schwerer haben als Männer. Dazu Kirchmayr: „Schwerer ist relativ. Ich glaube, Frauen machen anders Politik, gehen anders an Herausforderungen heran. Männer sind in der Politik seit Jahrzehnten gut vertreten und haben große Netzwerke. Das ist sicherlich momentan noch ein Nachteil, wird sich über die Zeit hinweg aber auflösen.“
Inwiefern muss sich aber die Politik insgesamt ändern, um zukunftsfähig zu sein? Oder anders gefragt: Wie schaut die Politik der Zukunft aus? „Auch in der Politik spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Wir leben jetzt davon, dass es Urnengänge gibt, dass man als Person zur Wahl geht. Ich glaube, dass sich diese Dinge in Zukunft online abspielen werden und kaum mehr jemand in eine Wahlzelle geht. Ich denke hier an Onlineabstimmungen oder die Einbindung der Bevölkerung mittels Apps“ Auch die Frage, wie die Demokratie zukünftig ausgelegt wird, beschäftigt Kirchmayr: „Eine Art von Demokratie wird es hoffentlich auch in Zukunft geben. Ich glaube nicht, dass man es sich gefallen lassen wird, wenn einer ansagt und das war es dann.“ Wie lange hat die 34-Jährige selbst noch vor, in der Politik zu bleiben? „Jetzt einmal bis zu den nächsten Wahlen in Oberösterreich 2021, dann werden die Karten neu gemischt.“_
Gedanken
Wie mich ein Freund in maximal drei Worten beschreibt _lustig, fleißig, voller Tatendrang
Wie mich ein Feind in maximal drei Worten beschreibt _redet zu viel, zu neugierig
Das Lachen vergeht mir _wenn ich nichts zum Essen bekomme.
Wie erklären Sie einem fünfjährigen Kind mit maximal zwei Sätzen Ihren Beruf? _Ich rede mit vielen Menschen, damit wir dir gemeinsam ein Spielzeug bauen und versuche dann, dir das schönste Spielzeug mit nach Hause zu nehmen.
Was Tiere besser können als Menschen _Sie haben von Natur aus einen besseren Instinkt.
Landwirtschaft in Österreich in 30 Jahren _Regionale Produkte werden wieder in den Vordergrund rücken.
Die Wahl im Oktober wird _ein Erfolg für die Liste Kurz – die neue Volkspartei.