„Anfangs musste ich mich durchbeissen“
Andreas Mitterlehner ist seit vierzehn Jahren Generaldirektor der Hypo Oberösterreich. Im Gespräch lässt der 58-Jährige seine Gedanken über neue Gefahren für Banken, Kulturelemente in der Finanzwelt, nachgesagte Familienclans und Herausforderungen beim Berufseinstieg springen.
Erfahrungsschatz
Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite haben wir Hochkonjunktur. Gleichzeitig werden die Rufe von Experten immer lauter, dass wir einer neuerlichen Blase entgegenschlittern. Wie schätzen Sie die Lage ein? Muss jetzt darauf reagiert werden?
Vor zehn Jahren hatten wir eine deutlich andere Situation, wo aus Amerika Risiken importiert wurden. Das Investmentbanking ist in einer extremen Dimension gelaufen, die Risiken wurden unüberblickbar und dann in der Finanzwelt verteilt. Zwischenzeitlich hat man aber extrem viel dafür getan, damit so etwas nicht mehr vorkommen sollte. Die Banken mussten deutlich mehr Eigenkapital aufbauen, der Finanzsektor ist nun viel stabiler. Da die Finanzwelt aber international sehr intensiv miteinander verbunden ist, muss man die Entwicklungen permanent beobachten und bei Bedarf darauf reagieren – ein Beispiel dafür sind nun die Kryptowährungen. Diese sind hochspekulativ, überhaupt nicht berechenbar und daher muss die Politik Regelungen schaffen.
Apropros Kryptowährungen: Diese und FinTechs werden als neue Gefahren für die Bankenwelt genannt. Wie reagiert die Hypo Oberösterreich darauf?
Kryptowährungen sind eine neue Technologie, bei der sich synthetische Währungen herausgebildet haben, von denen man nur abraten kann. FinTechs sind Technologieentwicklungen, deren Möglichkeiten sich Banken bedienen müssen. Überall, wo es sinnvoll ist, wird man mit FinTechs kooperieren. Sie werden die Banken nicht ablösen, es wird immer Dienstleistungen geben, für die man Banken braucht.
Laut einer aktuellen Studie der Österreichischen Nationalbank braucht rund die Hälfte der Österreicher die Infrastruktur der Bank nicht mehr, weil sie digital agiert, während die andere Hälfte regelmäßig in eine Bankfiliale geht und auf Bargeld setzt. Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Sorgen bereitet mir das nicht, sondern es ist einfach wichtig, dass man die neuen technischen Möglichkeiten für sich selbst und den Kunden nutzbar macht. Wir freuen uns, wenn unsere Kunden bequem von zu Hause aus Bankgeschäfte tätigen können. Bei bestimmten Leistungen, die man nicht vollständig über das Internet kompensieren können wird, werden die Kunden hoffentlich weiterhin gerne zu uns kommen. Dazu kommt: Finanzgeschäfte sind Vertrauensgeschäfte und da ist der persönliche Kontakt schon ein relevanter Faktor. Die Hypo Oberösterreich hat mit 400 Mitarbeitern und dreizehn Filialen im Vergleich zu manch anderen Bankgruppen ein sehr weitmaschiges Filialnetz. Wir sind damit sehr gut aufgestellt und haben momentan nicht die Absicht, Filialen abzubauen.
Wie stehen Sie zur Diskussion bezüglich Bargeld?
Bargeld gibt es hoffentlich weiterhin, denn es ist ein Kulturelement in unserer Finanzwelt und garantiert eine gewisse Privatsphäre. Jede digitale Zahlung hinterlässt ihre Spuren. Viele wollen etwas in Händen halten können, von dem gewährleistet ist, dass nicht jeder weiß, wie man sein Geld investiert. Für uns als Bank ist eine Automatisierung vorteilhaft, weil jede Bargeldtransaktion mit Handling verbunden ist, aber man sollte dem Wunsch vieler Menschen nach Bargeld Rechnung tragen.
Sie wohnen mit Ihrer Frau in einem gekauften Haus in Linz. Was raten Sie jungen Menschen in Bezug auf Wohnen? Wie werden sich die Immobilienpreise zukünftig entwickeln?
Es ist schwer, hier gute Ratschläge zu geben. Junge Leute sind aktuell mit sehr hohen Immobilienpreisen konfrontiert und daher wird für eine Startwohnung meist die Miete die beste Variante sein. Wegen des hohen Preisniveaus kommt auch dem sozialen Wohnbau eine große Bedeutung zu. Die Immobilienpreise werden weiter hoch bleiben, aber nicht mehr extrem steigen – es gibt aus unserer Sicht keine von vielen befürchtete Immobilienblase. Die anhaltend starke Nachfrage nach Wohnimmobilien zeigt sich bei uns durch eine hohe Kreditnachfrage. Die Hypo Oberösterreich verzeichnet 2018 im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von rund zehn Prozent bei den freien und geförderten Wohnbaufinanzierungen. Die Wohnbaufinanzierung ist unser Kerngeschäft, 2017 entfielen 61 Prozent des Kreditvolumens auf diesen Bereich.
Wie lang wird die Niedrigzinsphase noch anhalten? Zu welchem Zinssatz raten Sie aktuell eher bei Krediten für Wohnbaufinanzierung – variabel oder fix?
Die Zinsen werden voraussichtlich erst ab 2020 wieder steigen. Wir empfehlen noch relativ stark Fixzinsen, da sich das historisch extrem tiefe Zinsniveau nicht mehr weiter optimieren lassen wird und man diese Gunst der Stunde nutzen sollte. Aus heutiger Einschätzung bringt es sicherlich Vorteile, wenn man sich jetzt auf fünfzehn bis 20 Jahre Zinssätze absichert.
ansichts.sache
Sie haben ein Jus-Studium abgeschlossen und nach dem Gerichtspraktikum Ihre Bankkarriere als Kommerzkundenberater gestartet, weil Sie „keinen Platz in einer Kanzlei bekommen haben“. Was war Ihr Berufswunsch in Kindheitstagen?
Ich habe in meiner Kindheit und Jugend nicht großartig über einen Berufswunsch nachgedacht, sondern war einfach einmal froh, dass ich die Matura geschafft hatte. Nach dem Studium konnte ich mir eine Karriere als Rechtsanwalt oder am Gericht vorstellen. Das hat sich dann aber nicht ergeben, sondern ich habe ein Jobangebot von einer Bank bekommen, und da ich mein eigenes Geld verdienen wollte, habe ich die Chance wahrgenommen. Der Beginn war sehr herausfordernd. Ich habe mit einem Gymnasiumsbesuch und einem Jus-Studium keine großen Wirtschaftskenntnisse mitgebracht und mich in den ersten Monaten oft gefragt, ob ich nicht doch etwas anderes machen sollte. Aber wenn man dann Stück für Stück hineinwächst, wird es interessanter und macht Freude und so bin ich im Bankgeschäft geblieben. Jetzt bin ich 58 Jahre alt und werde mit höchster Wahrscheinlichkeit als Banker in Pension gehen.
Was waren die größten Herausforderungen in Ihrem bisherigen Bankerleben?
Die erste Herausforderung war sicherlich der soeben geschilderte Start, wo ich mich erst einmal durchbeißen musste. Die nächste Herausforderung war der Sprung von der operativen Ebene in das Management und darüber hinaus gibt es dann immer wieder Situationen, in denen man dann auch einen sehr starken Druck spürt, wie etwa das Problem mit der Hypo Alpe Adria. Damals haben wir durch den ähnlichen Namen permanent klarstellen müssen, dass wir damit überhaupt nichts zu tun haben und sogar das genaue Gegenteil sind: Die Hypo Oberösterreich ist die Bank in Österreich mit den geringsten Kreditrisiken.
Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil?
Zukunftsorientiert, konsequent, einfordernd – aber auch unterstützend.
Erste-Chef Andreas Treichl sprach sich kürzlich für eine Erbschaftssteuer aus. Wie stehen Sie zur Erbschaftssteuer?
In Summe gibt es für mich durchaus gute Argumente, warum eine Erbschaftssteuer diskussionswürdig ist. Man kann ihr durchaus positive Aspekte abgewinnen, weil es einfach für viele nicht verständlich ist, warum jemand ohne Leistung ein großes Vermögen bekommt und sich ein anderer das erarbeiten und versteuern muss.
sinn.fragen
Ihr Bruder, Reinhold Mitterlehner, bekleidete als Vizekanzler eines der höchsten politischen Ämter Österreichs. Einer Ihrer jüngeren Brüder, Gottfried Mitterlehner, ist Chef des Landeskriminalamtes für Oberösterreich. Angesichts dieser Machtfülle wird immer wieder vom Mitterlehner-Clan gesprochen …
Von Clan oder Machtfülle zu sprechen ist ein Nonsens – warum und wieso sollte da irgendwo eine Machtkonzentration dahinter stehen? Wir sind eine große Familie, ich habe fünf Geschwister, und zur damaligen Zeit war das nicht untypisch. Wenn heute mehr Kinder studieren, ist es wiederum nicht untypisch, dass ein jeder sich irgendwo gut entwickelt und da bringt man dann eher diese Zufälligkeit in Verbindung.
Welche Rolle spielten Leistung und Ehrgeiz in der Erziehung Ihrer Eltern?
Nachdem mein Vater als Polizist überschaubar viel verdient hat, waren meine persönliche Entwicklung eine vernünftige Schulbildung und – wie in jeder anderen Familie auch – eine gute Erziehung entscheidend. Mir wurde auch rechtzeitig anerzogen, dass man auf eigenen Füßen stehen und sich sein Geld selber verdienen muss.
Hat sich der ältere Bruder während seiner Zeit als Politiker von Ihnen als jüngerer Bruder Ratschläge geholt?
Nein, denn erstens holt sich ein älterer Bruder sowieso selten vom jüngeren Rat und zweitens hat er diese Position für sich selber entschieden und entsprechend definiert und hat meine Ratschläge daher auch nicht gebraucht. Genauso habe auch ich mich eigenständig gut zurechtgefunden und mich nicht großartig aus der Familie beraten lassen. Wir gehen alle unsere Wege, ohne dass wir uns großartig Ratschläge vom anderen holen oder irgendwo in Abhängigkeit stehen. Dieses Familiennetzwerk, das gerne in den Medien dargestellt wird, gibt es nicht. Es ist bei uns so wie in vielen Familien, wir haben einen guten, aber keinen solch intensiven, familiären Kontakt. Man ist durchaus öfter mit Freunden als mit seinen Geschwistern zusammen.
Ihre Gattin, Michaela Keplinger-Mitterlehner, ist Generaldirektor-Stellvertreterin in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Wie häufig ist die Bankenwelt zu Hause ein Gesprächsthema?
Natürlich unterhält man sich sehr intensiv – mit Einschränkungen durch das Bankgeheimnis – über das Berufsleben. Wir haben gegenseitig großes Verständnis für den jeweils anderen, weil wir ähnlichen Herausforderungen, Erfolgen oder auch Belastungen ausgesetzt sind. Wir machen unsere Jobs schon lange, sind auch schon lange zusammen und konnten uns immer gut mental sowie im Sinne von Ratschlägen unterstützen.
Sie arbeiten laut eigenen Aussagen rund 60 Stunden in der Woche. Was machen Sie als Ausgleich zum beruflichen Alltag?
Mein Ausgleich besteht darin, dass man hin und wieder am Abend gemeinsam zu Hause ist und sich beim Kochen oder Abendessen entspannen kann. Ich versuche auch Sport zu betreiben, indem ich zumindest an den Wochenenden auf das Laufband steige. Wir unternehmen darüber hinaus gerne gemeinsam lange Spaziergänge, fahren in den Urlaub oder bekommen am Wochenende in Familien- und Freundesrunden – auch einmal bei einer Tarock-Runde – Abstand vom Bankengeschäft._