„Studieren musst du, dann wird einmal was aus dir!“ Wie viele Eltern haben das wohl schon ihren Kindern geraten? Die Entwicklung am Arbeitsmarkt sieht das ein bisschen anders. Arbeitslose Akademiker und fehlende Fachkräfte sind mancherorts kein Zukunftsszenario mehr, sondern längst Realität. Natürlich kann der Weg über die Universität der richtige sein. Doch sieht man sich zum Beispiel bei einem der führenden Unternehmen in der Kunststoff- und Schaumstoffindustrie um - der Greiner Gruppe - dann wird schnell klar, dass viele Wege nach Rom (oder eben zum Karriereziel) führen können. Die Unternehmen der Greiner Gruppe bilden in Österreich derzeit mehr als 130 Lehrlinge aus. Auch Rainer Perneker und Markus Köttstorfer waren einmal Lehrlinge – heute sind sie in Top-Führungspositionen. Claudia Major, Leiterin Strategisches HR-Management der Greiner Holding AG, erzählt im Interview, warum Greiner nach wie vor in der Lage ist, alle Lehrstellen zu besetzen, für wen die Lehre geeignet ist und wie die Lehre tatsächlich das Sprungbrett für eine spannende Karriere sein kann.
Die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt ist keine Einfache: Die Anzahl an Lehrabbrüchen nimmt zu, 25 Prozent der Betriebe können ihre offenen Lehrstellen nicht besetzen, 60 Prozent der Lehranfänger erfüllen die Anforderungen der Unternehmen nicht. Spüren Sie das auch bei Greiner?
Claudia MajorWir sehen auch, dass die Zahl der ausreichend qualifizierten Lehrstellenbewerber abnimmt, sind aber nach wie vor in der Lage, unsere offenen Lehrstellen besetzen zu können. Lehrabbrecher gibt es so gut wie kei- ne bei Greiner, da wir die Jugendlichen sorgfältig auswählen, auf die Ausbildung vorbereiten und sie kontinuierlich unterstützen, bei Lernproblemen oder auch persönlichen Problemen helfen.
Wenn Sie Lehrstellen besetzen: Worauf legen Sie Wert?
Claudia MajorWir führen ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durch, in dem jeder Bewerber auf vielfältige Weise Gelegenheit hat, seine Talente ins rechte Licht zu rücken. Interessanterweise sind es häufig die Jugendlichen, die in Sport- oder Musikvereinen organisiert sind oder Freiwilligentätigkeiten ausüben, die persönlich einen besseren Eindruck hinterlassen als andere Bewerber. Wichtig sind uns aber auch Grundfertigkeiten, Qualifikationen sowie praktische Fähigkeiten. Es kommt auf das Gesamtpaket an.
Markus Köttstorfer und Rainer Perneker sind Bilderbuchbeispiele für eine gelungene Karriere mit Lehre. Kommen solche Karrierewege öfters vor bei Greiner?
Claudia MajorBei Greiner gibt es einige Führungskräfte, die bei uns als Lehrling begonnen haben. Man darf allerdings nicht erwarten, dass man mit einer Lehre automatisch Führungskraft wird. Uns geht es um die Fähigkeiten und um die Einstellung der Mitarbeiter, die entsprechend gefördert werden. Wenn das passt, kann man bei Greiner viel erreichen.
Immer mehr Studenten, immer weniger Lehrlinge. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Claudia MajorPersönlich glaube ich, dass wir auf eine „Überakademisierung“ zusteuern, auch in Qualifikationen, die mit einer soliden Lehrausbildung oder einer höheren Schule mindestens genauso gut und vor allem praxisnäher erworben werden können. Mittel- bis langfristig wird das dazu führen, dass wir eine große Zahl von arbeitssuchenden Akademikern und einen noch größeren Mangel an Fachkräften haben werden. Persönlich verfolge ich diese Entwicklung mit einer gewissen Heiterkeit - nach dem Motto „Hausverstand kann man nicht lernen“, aus unternehmerischer Sicht sehe ich diese Tendenz jedoch äußerst kritisch. Unternehmen werden irgendwann nicht mehr in der Lage sein, genügend Fach- personal für die Produktion oder den administrativen Bereich zu finden, und gleichzeitig die Erwartungen von Mehrfachakademikern an Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten nicht mehr erfüllen können.
Das Image der Lehre ist in Österreich kein gutes. Wie könnte dieses verbessert werden?
Claudia MajorIn vielen Fällen fehlt es ein- fach an Information über Lehrberufe und die Möglichkeiten, die man mit einer Fach- ausbildung im Unternehmen hat. Die Zei- ten, in denen man als technischer Lehr- ling bis über die Ellenbogen im Schmieröl steckte, sind lange vorbei. Die mittlerweile große Durchlässigkeit der Ausbildungssysteme wie Lehre mit Matura und akademische Lehrgänge für Nicht-Maturanten lässt alle Möglichkeiten offen. Kein Jugendlicher muss befürchten, sich Chancen zu verbauen, indem er sich für eine Lehre entscheidet - ganz im Gegenteil. Wir versuchen daher alle Meinungsbildner und Entscheidungsträger im Umfeld eines potentiellen Lehrlings wie Eltern, Familie, Lehrer und Freundeskreis möglichst gut einzubinden und zu informieren, wenn es um die Wahl der weiteren Ausbildung geht.
Was macht einen guten Lehrling aus? Wie kann man als Lehrling zeigen: Hallo, ich bin die Führungskraft von morgen!
Claudia MajorNeugier, Freude am Lernen, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz, gute Umgangsformen, sich in ein Team integrieren können. Der Wille, die „Extrameile“ zu gehen, auch wenn alle anderen nur mehr ans Arbeitszeitende denken. Die Führungskraft von morgen erkennen wir auch daran, dass sie Verantwortung übernehmen will, für ihre Handlungen einsteht und - im Rahmen ihrer Kompetenzen - sich traut, Entscheidungen zu treffen. Trotzdem: es muss nicht jeder Führungskraft werden wollen. Karriere und Weiterentwicklung sind auch im fachlichen Bereich möglich, und wir werden in Zukunft noch mehr Experten- und Spezialistenfunktionen besetzen als bisher.
Würden Sie Ihren Kindern eine Lehre empfehlen?
Claudia MajorIch selbst habe es früher öfters bereut, nicht diesen Weg eingeschlagen zu haben. Eine Lehre eröffnet viele berufliche Möglichkeiten, man verdient früh sein eigenes Geld, ist bald unabhängig. In einem guten Lehrbetrieb bekommt man nicht nur Fachkenntnisse vermittelt, man lernt für‘s Leben. Und wenn man später doch noch studieren möchte, ist das jederzeit möglich.
Rainer Pernecker
Greiner Bio-One Spartenleiter
Karriereweg 1984 begann er eine Lehre als Maschinenschlosser bei der heutigen Greiner Packaging, danach folgten ein Werkmeisterkurs, ein Betriebsleiterlehrgang, eine Abend-HTL und schließlich der Wechsel zur Greiner Bio-One, wo er drei Jahre lang als Geschäftsführer den Standort der Greiner Bio-One in North-Carolina aufgebaut hatte, danach absolvierte er ein MBA- Studium an der Donau Uni Krems, seit 2011 ist er Spartenleiter der Greiner Bio-One.
Erfolgsgeheimnis „Ich wollte immer eine gute Leistung erbringen und habe mich nie vor neu- en Herausforderungen versteckt. Im Gegenteil, ich war hungrig danach, Neues zu lernen. Ich erinnere mich, dass ich sogar während meiner Präsenzzeit in die Firma gekommen bin, um am Ball zu bleiben. Für eine Karriere spielen natürlich mehrere Faktoren eine Rolle. Neben fachlichen und persönlichen Kompetenzen gehört letztendlich auch ein Stück Glück dazu, dass die Vorgesetzten die Potenziale erkennen und einen fördern.“
Lehrreich Als wichtigste Meilensteine seiner Karriere sieht Rainer Perneker seine Tätigkeit in der Produktion und seine Zeit in den USA: „In einem fremden Land zu arbeiten und zu leben prägt ungemein – vor allem in der sozialen Kompetenz.“ Ob er rückblickend einen anderen Weg gewählt hätte? Zum Beispiel statt einer Lehre gleich die HTL zu besuchen? „Das wäre natürlich eine Möglichkeit gewesen. Mir hätten aber die Vielfalt der Tätigkeiten und der praktische Bezug gefehlt, die man durch ein Handwerk erlernt“, so Perneker.
Markus Köttstorfer
General Manager, Greiner Extrusion Technology Shanghai
Karriereweg Werkzeugmacherlehre, Technikerausbildung, mehrere Auslandsjahre, Weiterbildungen, viele Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, Bildungskarenz mit Ausbildung in Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung sowie Absolvierung des General Manager Lehrgangs der Greiner Academy. Seit drei Jahren ist er nun General Manager in Shanghai. „Dieser Weg war ideal für mich, ich würde es wieder so machen“, sagt Köttstorfer.
Erfolgsgeheimnis „Ich wollte immer unter den Besten sein, aber eines Tages im Manage- ment zu landen, das war am Anfang sicher nicht mein Plan. Vor allem wenn es in Richtung Technik geht, dann kann ich nur jedem empfehlen, eine Lehre zu machen, definitiv! Beson- ders wertvoll war für mich das massive Wissen, das ich durch die Ausbildung mitnehmen konnte. Technisches Verständnis hat mir in unzähligen Situationen schon geholfen. Das Detailwissen und die Theorie dazu kann immer leicht nachrecherchiert und aufgefrischt werden.“
Lehrreich Den Umfang der General Manager Position habe er zuvor etwas unterschätzt und so war der Start etwas turbulent, aber gleichzeitig lehrreich. Nächstes Jahr kehrt Köttstorfer zurück nach Österreich. „Zum einen sind es private Gründe, zum anderen möchte ich noch etwas dazulernen“, erzählt er. Seine Vorgesetzten hätten bereits einige Ideen zur Weiterentwicklung für ihn. „Das höre ich gerne und ich freue mich auf die neue Herausforderung. Was auch immer es sein wird, volle Kraft voraus!“