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„Burnout passte nicht zu meiner Lebenseinstellung“

Gleich zweimal ist der langjährige Motivationstrainer Gernot Kujal in ein Burnout geschlittert, stand bereits kurz vor dem Selbstmord. Heute spricht der 48-Jährige offen über diese Erfahrung: Warum er zweimal in dieselbe Falle getappt ist, was er von anderen Betroffenen gelernt hat und wie er die Krise genutzt hat, um sein Leben völlig umzukrempeln.

Umgangssprachlich wird der Begriff Burnout leichtfertig für die Erschöpfung nach harter Arbeit verwendet, nur wenige haben ein konkretes Bild von der echten Erkrankung. Wie beschreiben Sie einem Laien Burnout?

Kujal_Ahnungslosigkeit und mangelnde Information sind ein echtes Problem. Man kann es sich so vorstellen: Jeder Mensch kommt mit einem leeren Fass auf die Welt, das sich tröpfchenweise mit negativen Erfahrungen füllt. Burnout bedeutet, dass das Fass übergeht, und das letzte Tropferl ist meistens der Job. Durch eine Therapie sinkt der Wasserpegel ein bisschen, und die Leute glauben, die richtigen Schlüsse gezogen zu haben, indem sie die Arbeit gewechselt haben. Es dauert aber nur kurz, bis das Fass wieder voll ist und der ganze Schmarrn von vorne anfängt. Wenn man einmal Burnout gehabt hat, kommt man wesentlich leichter wieder rein als jemand, der das noch nie gehabt hat.

Das ist Ihnen ja passiert: Sie sind 2006 zum ersten Mal ins Burnout geschlittert, 2013 zum zweiten Mal – warum?

Kujal_Ich habe rund um die Uhr gearbeitet, bin abends noch auf Partys gegangen, war immer gut aufgelegt. Beim ersten Mal hat das schleichend begonnen: Ich bin in der Früh schwerer aufgekommen, Leistungsfähigkeit und Konzentration haben nachgelassen. Ich bin zum Arzt gegangen, der mir gesagt hat, ich habe ein leichtes Burnout. Ich habe mit der Information überhaupt nichts anfangen können, denn ich war getrimmt auf Leistung: Man ist nur etwas wert, wenn man hart arbeitet, und Siege beginnen im Kopf. Burnout passte nicht zu meiner Lebenseinstellung, also habe ich es nicht ernst genommen. Der Arzt hat mir ein leichtes Antidepressivum verschrieben, mit dem ich die Schlafstörungen rasch wieder in den Griff bekommen habe. Nach vier Wochen habe ich es abgesetzt und bin mein altes Programm weitergefahren. Anfang 2013 ist es dann wirklich kritisch geworden.

Wie kann man zweimal in dieselbe Situation geraten?

Kujal_Ich war wieder zu stolz, die Diagnose Burnout anzunehmen. Und es war mir peinlich: Was will man als Motivationstrainer den Leuten sagen? Also habe ich begonnen, mein komplettes Umfeld massiv zu belügen. Ich bin mit meiner damaligen Verlobten gemeinsam aufgestanden, habe irgendwelche Termine erfunden, und als sie in die Arbeit gegangen ist, bin ich auf der Couch zusammengebrochen. Es war eine brutale Anstrengung, mich anzuziehen und aus der Wohnung zu gehen. Und es wurde täglich ärger, weil ich nicht mehr schlafen konnte, obwohl ich jeden Abend todmüde ins Bett gefallen bin.

Hat denn in dieser Situation niemand Warnsignale bei Ihnen wahrgenommen?

Kujal_Ich habe meine Fassade so weit aufrechterhalten, dass keiner gespürt hat, wie schlecht es mir wirklich ging. Ich bin dann doch wieder zu meinem Arzt, und er hat, bevor ich überhaupt Platz nehmen konnte, gesagt, er ruft die Rettung, damit sie mich in die Psychiatrie nach Baden bringt. Ich hab gleich geantwortet, das mache ich sicher nicht. Wir haben zu streiten begonnen und ich musste auf meine Kinder schwören, dass ich mich ins Spital bringen lasse, wenn es mir noch schlechter geht. Zwei Tage später wurde mir bei einer Besprechung richtig speiübel, ich habe sie abgebrochen und meinen Arzt angerufen. Der war nicht erreichbar. Und in dieser totalen Verzweiflung habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich einen Abgang mache. Ich habe nur mehr überlegt, wo ich runterspringe. Und während ich meine letzte Zigarette rauche, ruft mich mein Arzt zurück. Ich habe abgehoben mit den Worten: „Es ist zu spät.“ Der Arzt hat richtig reagiert und mich nur gefragt, wo ich bin und wer mich abholen kann, damit ich sofort ins Krankenhaus komme.

Wie ging es dort weiter?

Kujal_Wegen der Selbstmordgefahr war ich die ersten drei Tage in einem videoüberwachten Zimmer und habe die ärgsten Medikamente bekommen. Nach dreieinhalb Wochen wurde ich entlassen und habe dank meiner Flexibilität relativ rasch einen Reha-Platz in Hollenburg bei Krems bekommen. Dort ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass ich mich fast umgebracht hätte. Da war für mich klar, ich muss was tun. Also habe ich Bücher zum Thema gelesen, mit den Therapeuten über Burnout gesprochen und die anderen Patienten befragt: Wie es ihnen geht, wie sie reingeschlittert sind, was ihre Ursachen waren, welche Symptome sie gehabt haben. Daraus ist mein Programm „Burnout. Meine Geschichte“ entstanden, das ich im November 2013 zum ersten Mal auf die Bühne gebracht habe. Der Veranstaltungsort war innerhalb einer Woche ausverkauft. Offenbar gibt’s einen Bedarf.

"Ich war zu stolz, die Diagnose Burnout anzunehmen. Was will man als Motivationstrainer den Leuten sagen?"

Gernot Kujal Geschäftsführer, Talenteschmiede

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