Eine Investition von 102 Millionen Euro für die Produktion von 4- und 6-Zylinder-Benzinmotoren ist ein Statement. Welche Rolle nimmt der „Benziner“ bei den Antriebsformen der Zukunft ein?
SUSANEKDie Nachfrage nach Benzinmotoren steigt in den letzten Jahren kontinuierlich an. Das hat zwei Gründe: Zum einen werden Plug-in-Hybride immer beliebter. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen wird. Zum anderen gibt es eine generelle Verschiebung weg vom Diesel- hin zum Benzinmotor. Mit unserem neuen Montageband reagieren wir auf diese Entwicklungen: Wir erhöhen unsere Kapazität für die Benzinmotoren der Plug-in-Hybride und reduzieren damit die Abhängigkeit vom Diesel in unserem Werk. Der Dieselmotor wird aber auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen – das ist der effizienteste Verbrennungsantrieb.
Können Sie diese Entwicklung mit Unternehmenszahlen untermauern?
SUSANEKWir haben im Jahr 2019 rund 700.000 Benzinmotoren und 530.000 Dieselmotoren am Standort Steyr produziert. Der Anteil an Benzinmotoren liegt bei uns also schon fast bei 60 Prozent – und der Trend setzt sich weiter fort. In unserer Branche muss man rechtzeitig reagieren. So eine große Investition kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Es ist wichtig, vorausschauend zu agieren. Durch das neue Montageband können wir jetzt sehr flexibel auf Änderungen der Nachfrage reagieren und die Auslastung zwischen Diesel- und Benzinmotoren gut variieren.
Am Standort in Steyr werden alle Dieselmotoren des Konzerns entwickelt. Was bedeutet die Verschiebung der Nachfrage für Ihre Mitarbeiter?
SUSANEKWie gesagt: Wir setzen auch weiterhin auf den Diesel. Einerseits erfreut er sich in Teilbereichen immer noch guter Nachfrage und andererseits brauchen wir ihn, um die sich ständig verschärfenden Abgasvorschriften einhalten zu können. Dieselmotoren werden daher nicht nur weiterhin produziert, sondern auch weiterentwickelt. Erst in diesem Jahr haben wir eine neue Generation auf den Weg gebracht, die um über neun Prozent effizienter ist und den CO2-Ausstoß sowie den Verbrauch gegenüber dem Vorgängermodell reduziert. Damit leisten Dieselmotoren nach wie vor einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes der gesamten Flotte. Gleichzeitig ist aber wichtig, auch auf die Veränderung zu reagieren. Wir haben 700 Entwickler am Standort. Ungefähr zehn Prozent davon sind heute schon mit Umfängen der Elektromobilität betraut. Das betrifft die Auslegung von Kühlkreisläufen, die Fahrzeugakustik und die Entwicklung verschiedener Komponenten für den Ladevorgang.
Sie haben auch in die Erweiterung der Produktion von Gehäusen für E-Antriebe investiert. Welche E-Projekte sind noch geplant?
SUSANEKDer Wandel in der Automobilbranche ist natürlich ein riesiges Thema. Für unser Werk war es wichtig, mit der Gehäusefertigung für die neueste Generation der E-Antriebe einen ersten Schritt in Richtung Elektromobilität zu machen. Alleine heuer wurden 25,7 Millionen Euro in eine Kapazitätserweiterung investiert. Und natürlich werden wir uns jetzt sehr intensiv um weitere Umfänge im Bereich der E-Mobilität bewerben. Diese Entscheidungen werden im Konzern zentral gesteuert getroffen – das ist auch richtig so. Aber für mich ist klar: Wir werden uns sehr aktiv um zusätzliche Projekte bemühen und stellen uns hier dem internen und externen Wettbewerb.
BMW spricht davon, die Zukunft des Antriebs „aktiv mitzugestalten“. Wie würde die Zukunft des Antriebs aussehen, wenn BMW alleine gestalten könnte?
SUSANEKDas können wir nicht. Wir sind eingebettet in den Rahmen der Gesetzgeber und orientieren uns an dem, was unsere Kunden von uns erwarten. „Power of choice“ heißt unsere Strategie. Alle Antriebsarten werden in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen und parallel existieren. Ein erstes Modell, bei dem wir das nun realisiert haben, ist unser BMW X3.
Außerdem bilden wir diese Strategie auch in unserer Produktionsinfrastruktur ab – Fahrzeuge unterschiedlichster Antriebsarten können auf einer Montagelinie produziert werden. Damit gehen wir einen anderen Weg als manche unserer Mitbewerber, die sehr stark nur auf elektrische Antriebe setzen. Inwiefern in den nächsten Jahren auch weitere Antriebsarten, wie die Brennstoffzelle, ins Portfolio aufgenommen werden, ist noch nicht final geklärt.
Was bedeutet der zweite Lockdown für das BMW Group Werk Steyr – auch in Bezug auf die getätigten Investitionen?
SUSANEKNachdem es gerade im zweiten Quartal zu massiven Nachfrageeinbrüchen gekommen ist, haben wir über den Sommer hinweg eine Erholung unserer Nachfrage erlebt. Natürlich muss beobachtet werden, wie sich die verschiedenen Lockdowns auf unsere relevanten Märkte auswirken. Aber die Investitionen sind langfristig angelegt und orientieren sich nicht an kurzfristigen Nachfrageschwankungen. Der Wandel in der Automobilindustrie ist in vollem Gange, der wird nicht durch Corona gestoppt. Die BMW Group war immer gut damit beraten, antizyklisch zu investieren. Wir müssen uns jetzt vorbereiten, damit wir Kapazitäten für die nächsten Jahre haben, und stoppen keine Investitionen, die für unsere zukünftige Entwicklung wichtig sind.
Die Investitionen sind zwar langfristig angelegt, aber auch die wirtschaftlichen Folgen der Krise werden nicht nur kurzfristig sein.
SUSANEKNatürlich werden die Folgen über mehrere Jahre spürbar sein. Aber die technologischen Veränderungen finden trotzdem statt. Der Trend zu mehr elektrifizierten Fahrzeugen ist trotz Corona stabil – und damit auch die steigende Nachfrage nach Hybrid-Modellen sowie Benzinmotoren. Das ist klar absehbar.
Sie sind seit Jahresbeginn Geschäftsführer im BMW Group Werk Steyr – eine turbulente Zeit. Wie lautet Ihr Fazit nach fast einem Jahr?
SUSANEKEine Pandemie hatte natürlich keiner auf dem Zettel. Trotzdem sind wir als Unternehmen und am Standort in Steyr gut durch diese Situation gekommen, haben die Ruhe bewahrt und die richtigen Maßnahmen gesetzt. Neben der schnellen Umsetzung von Präventionsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiter war für mich wichtig, dass wir trotz aller Auswirkungen der Coronakrise unsere Strategiearbeit nicht vernachlässigen. Damit haben wir uns in diesem Jahr sehr intensiv auseinandergesetzt. Wir sind dabei, die Weichen für die Zukunft zu stellen und ich blicke zuversichtlich auf das Jahr 2021._