In unsicheren Zeiten sehnen wir Menschen uns nach einem Fels in der Brandung, der uns gut durch die Krise bringt. Welchen Führungskräften gelingt das besonders gut?
KREITMAYERDenen, die wissen, was sie brauchen, damit es ihnen gut geht. Nur wer sich selbst akzeptiert und leiden kann, kann gut für andere da sein. Es ist wichtig, stabile Zonen und Säulen zu haben, um wieder Kraft und Energie zu schöpfen. Das können Hobbys, Familie, Freunde, Arbeit, der eigene Körper oder die eigene Haltung sowie Werte sein.
Die Krise und die große Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Worauf kommt es nun besonders an?
KREITMAYERDass wir den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern das Mögliche möglich machen. Es braucht ein Hinschauen und Durchdenken, ein Neu- und Andersdenken, um Chancen und Entwicklungen auch erkennen zu können. Es braucht eine Einstellung, mit der nicht gleich bewertet und zwischen früher und jetzt verglichen wird. Zulassen, loslassen, schätzen, was möglich ist, durchhalten und aushalten. Gleichzeitig Ziele setzen, die wir mit Werten hinterlegen, damit sie Sinn machen und eine Energie aufkommt, diese auch zu verwirklichen. Der Planungshorizont verschiebt sich gerade in Richtung kurzfristigere Zielspannen, was auch durchaus motivierend sein kann.
Was zeichnet souveräne Führungskräfte in schwierigen Zeiten aus?
KREITMAYERSich einzugestehen, nicht alles selbst wissen und entscheiden zu können. Allerdings ist es hilfreich zu wissen, wer was am besten und am realistischsten entscheiden kann. Diese Personen gilt es gezielt einzuladen, mit einem zu denken und klar zu kommunizieren, wie die Entscheidung gefällt wird, damit danach niemand enttäuscht ist.
Wie macht man denn „seinen Schäfchen“ Mut?
KREITMAYERZuerst macht man mal sich selbst Mut. Wenn man selbst mutig ist, dann strahlt das auch aus und das macht wiederum anderen Mut. Wichtig ist dabei, authentisch zu bleiben. Mitarbeiter merken sofort, wenn man nur eine Rolle spielt, und dann fällt es ihnen schwerer, einem zu folgen. Wenn man den Mut verloren hat, ist das nicht weiter schlimm, wenn man beispielsweise ein Team hat, das einen auffängt. Ich habe zu meinem Team in der Coronazeit einmal gesagt, dass ich total dankbar bin, dass wir nicht alle gleichzeitig ein Tief haben, denn so wird man auch immer wieder durch die anderen motiviert. Positive wie negative Stimmungen stecken an. Unterstützung sollte man sich dann holen, wenn man viele Tage hintereinander mutlos ist.
Junge Chefs und High-Potentials gehören zur eigentlich krisenbefreiten Generation Z. Wie kommen diese nun mit den vielzitierten „Zeiten wie diesen“ klar?
KREITMAYERAlles ist am herausforderndsten, wenn man es zum ersten Mal erlebt. Speziell für junge Menschen ist es wichtig, Vertrauen zu haben, dass jede Krise vorbeigeht und bessere Zeiten kommen werden. Am besten sucht man sich proaktiv etwas aus, das Sinn macht, woraus man Kraft, Energie und positive Resonanz schöpft. Mit dieser gestärkten Energie kann man gezielt auf seine Mitarbeiter zugehen und gut im Kontakt bleiben und Ängste reduzieren. Gerade junge Führungskräfte profitieren sehr stark vom gemeinsamen Austausch, vom Vernetzen. Das sind auch wesentliche Punkte, die in unseren Trainings einen wichtigen Platz einnehmen. Coachings können punktuell auch sehr hilfreich sein, um neue Perspektiven dazuzugewinnen.
Wie hat die Coronakrise Führungsstile beeinflusst?
KREITMAYERFührungskräfte mussten von heute auf morgen remote führen, ob man wollte oder nicht. Die, die über Vertrauen und Ergebnisleistungen führen, werden es leichter haben als jene, die mit Macht und Kontrolle führen. Für Letztere gilt es, die Komfortzone zu verlassen und sich auf neue Möglichkeiten der Reflexion einzustellen. Selbst wenn für manche das Thema Vertrauenskultur noch eine Hürde darstellt, können diese vielleicht durch den Kostenfaktor abgeholt werden. Künftig werden Dienstreisen und Flüge hinterfragt werden – muss das Meeting tatsächlich persönlich stattfinden? Andere freunden sich vielleicht leichter mit dem Nachhaltigkeitsgedanken an: Wenn die Menschen weniger hin- und herfahren müssen, wird sich das auch positiv auf die Klimabilanz auswirken.
Was war das größte Learning?
KREITMAYERDas war zugleich auch das größte Geschenk für mich: die Erkenntnis, dass es sich auszahlt zu lernen. Jene Firmen, die vorher schon in Persönlichkeitsentwicklung investiert haben, konnten in der Krise die Früchte ernten. Nämlich erfolgreiche Teams, die ihren Job gut weitermachen, egal ob im Büro oder zu Hause. In jenen Teams, in denen es vorher schon gekriselt hat, haben sich die Konflikte wahrscheinlich verstärkt. Das ist in Krisenzeiten eine zusätzliche Belastung, die es unbedingt zu lösen gilt, um wieder gut weiterarbeiten zu können._