Die Familie können wir uns nicht aussuchen. Die Karriere schon? Ganz so einfach ist es nicht, denn beides können wir nur selten getrennt voneinander betrachten. Die Familie lenkt uns (un-)bewusst auf unserem Karriereweg. Sei es durch ihre Vorbildfunktion, mit Erwartungen, Werten oder auch mit einem Unternehmen, das einen Nachfolger sucht.
Die Sache mit dem Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt. Wie das halt so ist mit alten Weisheiten – irgendwas Wahres ist meist dran. Warum sonst treten Kinder häufig in die Fußstapfen ihrer Eltern? Doch liegt es tatsächlich an den Genen, wenn der Sohn Arzt wird wie der Vater oder die Tochter wie ihre Mutter Lehrerin als ihren Traumberuf angibt? „Bei der Entwicklung von Interessen und Zielen spielen die Gene des Menschen zwar eine gewisse Rolle“, erklärt Genetiker Markus Hengstschläger, „ich würde aber gerade in diesem Zusammenhang deren Bedeutung nicht so hoch einschätzen.“ Auf die Frage, ob man sich denn auf die Gene verlassen könne, wenn man dem Sohn oder der Tochter den über Generationen erfolgreich geführten Familienbetrieb übergeben möchte, antwortet er prompt mit Nein. Wenn es nun also nicht vorwiegend naturgegeben ist, für welchen Beruf wir uns interessieren und in welchem Beruf wir erfolgreich sein können, woran liegt es dann?
Vorbildrolle und Rollenbilder
Für Soziologin und Ethnologin Eva-Maria Schmidt ist es vor allem die Vorbildfunktion, die bei Berufsentscheidungen eine Rolle spielt. „Als Soziologin würde ich den Genen hier einen sehr geringen Einfluss beimessen, das sehen Biologen vielleicht anders“, sagt sie und lacht. Die Sozialisationsbedingungen, unter denen ein Kind aufwächst, und die Vorbilder, mit denen es konfrontiert ist, würden es mehr in seiner Berufswahl beeinflussen als biologische Faktoren. Egal ob Bildungsgrad, Erwerbstätigkeit oder auch Rollenbilder – „im Großen und Ganzen wird hier tradiert, was vorgelebt wird“, ist Schmidt überzeugt. Ist das also auch die Erklärung, warum die Anzahl an Frauen in Führungspositionen oder in technischen Berufen immer noch überschaubar ist? Vorbilder gibt es wenige. Zahlreiche Forschungsergebnisse würden bestätigen, so Schmidt weiter, dass Berufsentscheidungen bei Frauen schon sehr früh passieren. Dabei gehe es weniger um Verdienstmöglichkeiten und finanzielle Absicherung oder Karrierechancen, sondern viel stärker darum, private Verpflichtungen vereinbaren zu können. „Sie überlegen und werden auch vom Umfeld dazu angehalten, sich zu überlegen, welcher Beruf für sie als Mutter gut wäre.“
Männer würden bei ihrer Berufsentscheidung vielmehr Fragen wie „Wo kann ich viel verdienen, damit ich mal meine Familie ernähren kann?“ in den Fokus rücken. „Natürlich prägt, was vorgelebt wird“, erklärt Schmidt. Gleichzeitig spielt hier auch der gesellschaftliche Druck eine Rolle. „Wir sehen uns in der Forschung auch auf gesellschaftlicher Ebene an, welche sozialen Normen einen Einfluss haben. Und hier sehen wir, dass das Verständnis einer ‚guten Mutterschaft‘ sehr stark wirkt.“ Vor allem Frauen seien überzeugt, dass es sehr wichtig sei, viel Zeit mit den Kindern zu verbringen. Das erkläre auch, warum in den vergangenen zehn Jahren die Teilzeitbeschäftigung bei Frauen stark zugenommen habe. „Frauen nehmen zwar vermehrt am Erwerbsleben teil, sie arbeiten aber vorwiegend Teilzeit“, sagt Schmidt.
Raus aus der Familien-Bubble
Um solche verhärteten Rollenklischees aufbrechen zu können, sei es nicht nur wichtig, dass Frauen etwa „männertypische“ Berufe ergreifen und Vollzeit tätig sind. Sondern auch, dass Männer in frauendominierte Branchen wechseln. „Das Aufbrechen dieser Rollenbilder ist in beide Richtungen notwendig.“ Zuhause ist es der Vater, der ganz selbstverständlich den Haushalt mitführt und vielleicht auch mal eine Zeit lang Teilzeit arbeitet. Oder die Mutter, die zum Beispiel sagt: „Ich achte auf meine finanzielle Verwirklichung.“ Und wenn das zuhause nun mal nicht der Fall ist? Kinder sollten, um sich möglichst frei für den richtigen Beruf entscheiden zu können, schon früh vielfältige Möglichkeiten der Lebensführung in außerfamiliären Kontexten erleben – in Bildungseinrichtungen und in Kontakt mit vielen anderen Familien. „Wichtig ist, nicht nur im eigenen Umfeld, in der eigenen Bubble zu sein, sondern auch viele andere Lebenswirklichkeiten kennenzulernen“, so Schmidt.
Talente entdecken
Markus Hengstschläger erweitert dazu gerne das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ und sagt: „Um ein Talent zu entdecken und zu fördern, braucht es mehrere Dörfer.“ Die Familie spiele dabei aber zweifelsohne eine große Rolle. „Begabungsförderung startet ja idealerweise bereits früh in der kindlichen Entwicklung und es ist daher wichtig, beim Entdecken der eigenen Talente von Anfang an Unterstützung zu bekommen.“ Außerdem sei der Mensch gar nicht so gut darin, die eigenen Talente selbst einzuschätzen. Wir sind dabei also auch auf andere angewiesen und im besten Fall bringen sich dabei möglichst viele ein. „Es gibt mehrere Strategien, wie man Begabungen fördern kann. Zum Beispiel ist es wichtig, ein großes Spektrum an Möglichkeiten anzubieten, viele Schnittstellen mit Menschen zu schaffen und das Üben zu ermöglichen“, erklärt der Genetiker.
Mit Üben ist allerdings nicht ein Überfordern gemeint. Da wäre nämlich auch noch das Problem mit den oft hohen Erwartungen der Eltern – meist beeinflusst von gesellschaftlichen Normen. „Zurzeit lautet die soziale Norm: ‚Ich muss meine Kinder fördern, sodass ich das Beste aus ihnen heraushole.‘ Die Kindzentrierung ist also sehr stark – Stichwort: Frühförderung“, erklärt Eva-Maria Schmidt. In Wien gebe es zum Beispiel den Druck, ein Kind unbedingt ins Gymnasium zu schicken – „diesen Druck übertragen die Eltern dann auf ihre Kinder“. Davon werden Kinder indirekt beeinflusst. „Diese Erwartungen sind der maßgebliche Faktor für die Karriere. Kinder wollen diesen Erwartungen nämlich auch gerecht werden.“
Gut gemeint
Dabei wollen Eltern natürlich eh immer nur das Beste für ihre Kinder. Aber was genau ist nun das Beste? „Es ist schwer einzuschätzen, womit man in Zukunft einmal Geld verdienen wird“, gibt Hengstschläger zu bedenken. „Ich glaube jedenfalls, dass man sich in Zukunft mehrmals im Leben beruflich neu aufstellen wird.“ Die Zukunft habe nun mal vorhersehbare und nichtvorhersehbare Komponenten. „Die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen von Faktenwissen wird eine sehr große Rolle spielen“, ist Hengstschläger überzeugt. Kritisches Denken, Kreativität, Teamfähigkeit, Resilienz und vieles mehr würden in Zukunft eine große Rolle spielen. „Ich glaube auch, dass die Bedeutung der Empathie in der zukünftigen Berufswelt stark zunehmen wird.“
Da kommt die Familie wieder ins Spiel. Denn wo kann man all diese Fähigkeiten besser trainieren als in der Familie? Und die beste Nachricht zum Schluss: „Der Mensch hat sein Leben selbst in der Hand!“, betont Markus Hengstschläger. Auch heute seien immer noch zu viele Menschen der Überzeugung, ein Talent, eine Begabung hat man oder hat man nicht. „Dabei ist der Mensch aber nicht auf seine Gene reduzierbar. Und was eine erfolgreiche Karriere betrifft: Man kann auch Dinge finden, die man gar nicht gesucht hat.“ Dafür brauche es aber die permanente Bereitschaft, in Bewegung zu bleiben. Die Familie können wir uns nicht aussuchen. Ob wir uns bewegen wollen oder nicht, das können wir in den meisten Fällen selbst entscheiden._
In Zukunft wird man sich mehrmals im Leben beruflich neu aufstellen.
Markus Hengstschläger
Genetiker und Buchautor
Talente entdecken
Markus Hengstschläger erweitert dazu gerne das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ und sagt: „Um ein Talent zu entdecken und zu fördern, braucht es mehrere Dörfer.“ Die Familie spiele dabei aber zweifelsohne eine große Rolle. „Begabungsförderung startet ja idealerweise bereits früh in der kindlichen Entwicklung und es ist daher wichtig, beim Entdecken der eigenen Talente von Anfang an Unterstützung zu bekommen.“ Außerdem sei der Mensch gar nicht so gut darin, die eigenen Talente selbst einzuschätzen. Wir sind dabei also auch auf andere angewiesen und im besten Fall bringen sich dabei möglichst viele ein. „Es gibt mehrere Strategien, wie man Begabungen fördern kann. Zum Beispiel ist es wichtig, ein großes Spektrum an Möglichkeiten anzubieten, viele Schnittstellen mit Menschen zu schaffen und das Üben zu ermöglichen“, erklärt der Genetiker.
Mit Üben ist allerdings nicht ein Überfordern gemeint. Da wäre nämlich auch noch das Problem mit den oft hohen Erwartungen der Eltern – meist beeinflusst von gesellschaftlichen Normen. „Zurzeit lautet die soziale Norm: ‚Ich muss meine Kinder fördern, sodass ich das Beste aus ihnen heraushole.‘ Die Kindzentrierung ist also sehr stark – Stichwort: Frühförderung“, erklärt Eva-Maria Schmidt. In Wien gebe es zum Beispiel den Druck, ein Kind unbedingt ins Gymnasium zu schicken – „diesen Druck übertragen die Eltern dann auf ihre Kinder“. Davon werden Kinder indirekt beeinflusst. „Diese Erwartungen sind der maßgebliche Faktor für die Karriere. Kinder wollen diesen Erwartungen nämlich auch gerecht werden.“
Gut gemeint
Dabei wollen Eltern natürlich eh immer nur das Beste für ihre Kinder. Aber was genau ist nun das Beste? „Es ist schwer einzuschätzen, womit man in Zukunft einmal Geld verdienen wird“, gibt Hengstschläger zu bedenken. „Ich glaube jedenfalls, dass man sich in Zukunft mehrmals im Leben beruflich neu aufstellen wird.“ Die Zukunft habe nun mal vorhersehbare und nichtvorhersehbare Komponenten. „Die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen von Faktenwissen wird eine sehr große Rolle spielen“, ist Hengstschläger überzeugt. Kritisches Denken, Kreativität, Teamfähigkeit, Resilienz und vieles mehr würden in Zukunft eine große Rolle spielen. „Ich glaube auch, dass die Bedeutung der Empathie in der zukünftigen Berufswelt stark zunehmen wird.“
Da kommt die Familie wieder ins Spiel. Denn wo kann man all diese Fähigkeiten besser trainieren als in der Familie? Und die beste Nachricht zum Schluss: „Der Mensch hat sein Leben selbst in der Hand!“, betont Markus Hengstschläger. Auch heute seien immer noch zu viele Menschen der Überzeugung, ein Talent, eine Begabung hat man oder hat man nicht. „Dabei ist der Mensch aber nicht auf seine Gene reduzierbar. Und was eine erfolgreiche Karriere betrifft: Man kann auch Dinge finden, die man gar nicht gesucht hat.“ Dafür brauche es aber die permanente Bereitschaft, in Bewegung zu bleiben. Die Familie können wir uns nicht aussuchen. Ob wir uns bewegen wollen oder nicht, das können wir in den meisten Fällen selbst entscheiden._
Wichtig ist, nicht nur im eigenen Umfeld, in der eigenen Bubble zu sein, sondern auch viele andere Lebenswirklichkeiten kennenzulernen.
Eva-Maria Schmidt
Soziologin und Ethnologin, Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien