Die Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde. Sie bedeutet nichts weniger als ein Ende der Wegwerfgesellschaft. Zehn Prozent der österreichischen Wirtschaft arbeiten schon zirkulär, die restlichen 90 Prozent (noch) nicht. Im Gespräch mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler über die Hürden auf dem Weg zum ressourcenschonenden Kreislauf und warum ihre Schneiderin mit ihr gute Geschäfte macht.
„Derzeit leben wir so, als ob wir drei Planeten hätten“, sagt Leonore Gewessler und sieht aus dem Fenster. „Wir nehmen Rohstoffe, machen Produkte daraus und werfen sie leider viel zu oft nach zu kurzer Zeit weg.“ Doch die EU legt vor: Sie hat sich vorgenommen, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Eine Antwort darauf ist die „Sustainable Product Initiative“, ein Maßnahmenpaket, welches das Ökodesign nach vorne bringen soll, mit dem Ziel, Ressourcen und Materialien möglichst lange in Verwendung zu halten.
Was genau ist Ökodesign?
Leonore GewesslerDie Produkte müssen so hergestellt werden, dass sie langlebig sind, leicht reparierbar und, wenn sie am Ende ihrer Nutzung stehen, auch wieder gut recycelbar. Das ist ein enormer Schritt nach vorne. Auch für die Konsument:innen stehen Verbesserungen auf dem Programm: So soll es das Recht auf mehr Produktinformationen geben, das Recht auf Reparatur und Bereitstellung von Ersatzteilen. Das schafft Transparenz und zeigt die Qualität des Produktes auf einen Blick.
Wie gut ist Österreich beim Sammeln und Recyceln?
Leonore GewesslerBeim Thema Recycling sind wir bei einzelnen Rohstoffen sehr gut, bei Recycling von Papier und Glas etwa – bei Kunststoffrecycling haben wir noch viel Luft nach oben. Die EU gibt uns hier ein klares Ziel vor: Bis 2029 müssen wir 90 Prozent der Kunststoffflaschen getrennt sammeln. Deswegen kommt ab 2025 ein Pfandsystem für Einwegplastikflaschen und -dosen, denn wir brauchen definitiv noch einen Sprung nach oben. Unsere derzeitige Sammelquote liegt – je nach Untersuchung – bei höchstens 70 Prozent.
Wiederverwenden ist ja die beste Alternative. Welche Maßnahmen hat Ihr Ressort gesetzt, um dies der österreichischen Bevölkerung, den Betrieben und Gemeinden schmackhaft zu machen?
Leonore GewesslerMöglichst lange nutzen – das ist natürlich das Beste, was man für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft tun kann. Hier möchte ich zwei unserer Maßnahmen besonders hervorheben.
Erstens: den Reparaturbonus. Damit machen wir das Reparieren wieder attraktiver. Vom Handy bis zur Kaffeemaschine – jede:r kann den Bonus nutzen, man erhält damit die Hälfte der Reparaturkosten bis maximal 200 Euro. Das ist eine echte Win-win-win-Situation für die Menschen, für die Umwelt und die Wirtschaft. Die Reparaturwirtschaft in Österreich, das sind viele tolle Klein- und Mittelbetriebe, die dadurch neu aufleben und sich neue Geschäftszweige aufbauen können.
Und zweitens, etwas, woran man nicht sofort denkt, wenn es um Recycling geht: das so genannte „Brachflächenrecycling“. Damit fördern wir alle Gemeinden und Privaten, die Brachflächen oder Leerstände in Ortskernen wiederbeleben wollen. Es gibt Gelder für die Erstellung von Nutzungskonzepten, die Analyse des Untergrundes sowie die Planungen. Österreich ist leider europäischer Spitzenreiter im Bodenverbrauch, es macht somit doppelt Sinn, die Orte zu beleben, indem man vorhandene Ressourcen nutzt. Dort kann viel Neues entstehen. Ein großer Bonus ist, dass wir dadurch mehr Lebensqualität in die Ortszentren bringen können.
Zum Schluss: Wie halten Sie es persönlich mit dem Kreislauf?
Leonore GewesslerDer Schuster und die Schneiderin machen mit mir ein gutes Geschäft. (lacht) Ich bemühe mich, das, was ich habe, lange zu nutzen und es nötigenfalls zu reparieren. Was ich auch schon probiert habe: mir für einen festlichen Ball eine Robe auszuborgen anstatt mir eine neue zu kaufen. Nutzen statt besitzen, das ist ein gutes Motto für mich._
Österreich ist europäischer Spitzenreiter im Bodenverbrauch.
Leonore Gewessler
Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Neue Förderungen
Reparaturbonus: 130 Mio. Euro bis 2026
Brachflächenrecycling: 8 Mio. Euro bis 2025
Forschungsförderung Kreislaufwirtschaft: 2022/23 60 Mio. Euro