Die Pariser Bürgermeisterin tut es, die Stadt Singapur tut es schon lange. Sie begrünen ihr Areal im großen Stil. Das Ziel: eine moderne Stadt zu entwickeln, die mit Hitzespitzen, Klima- und Stadtstress umzugehen weiß und den Menschen wie auch der Natur optimalen Raum zur Entfaltung bietet. Und was tut sich in Österreich? Die schnelle Antwort darauf: Es gibt sie, die Begrünungs-Pionier:innen, die echte Sommerfrische statt Gluthitze ins Land bringen.
Starkoch Edward Chong steht vor den üppig bepflanzten Beeten und überlegt. „Ja, davon nehmen wir, und hiervon auch ein Büschel.“ Die Assistentin schneidet Pak Choi, Pfefferminze und ein großes Büschel Koriandergrün. Es ist acht Uhr morgens in Singapur im Dachgarten des Parkroyal Hotels, 30 Meter über der Straße. Ortswechsel nach Wien. „Papa, darf ich das Haus streicheln?“ Ein kleiner Junge berührt die glänzenden grünen Blätter, ein Marienkäfer fliegt überrascht auf. Die gesamte Wand ist hinter einer kunstvollen Komposition aus Stauden, Kräutern und Kleingehölzen verschwunden. Hinter der Gestaltung steht Andreas Lichtblau. Vor fünfzehn Jahren gründete er seine Firma 90degreen mit dem Ziel, Häuser auch auf engstem Raum zu Lebensräumen zu gestalten. „Eigentlich sind begrünte Fassaden wie diese hier die berühmte eierlegende Wollmilchsau. Sie isolieren und schützen die Wände, dämpfen den Schall, sorgen für ein gutes Klima, bieten Lebensraum und sind eine ästhetische Wohltat für das Auge.“
In wenigen Jahrzehnten wird ein Großteil der Menschen weltweit in Städten leben, die Verschmelzung von urbanem Gebiet mit der Natur zu einem ganzheitlichen Lebensraum wird immer mehr zur obersten Priorität. In Österreich hinke man im Bewusstsein noch hinterher, so Lichtblau. Derzeit müssen die Kosten für klimafreundliche Fassadenbegrünungen bis auf kleine Förderungen selbst getragen werden.
Grüne Blätterpullover
„Am besten ist die Kombination. Wo Platz ist, sollen Bäume gepflanzt werden, weiter oben hochwertige Systembegrünungen, die dort ihre Wirkung entfalten können, wo die Sonneneinstrahlung am höchsten ist.“ Es ist Mittagszeit, die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel. Die dunkel glänzenden Glasfassaden und asphaltierten Böden im Geschäftsviertel heizen die Umgebung auf. „Fassaden wie diese glühen noch Tage nach – mehr Bäume, offene Böden und begrünte Wände hätten das Areal schon längst heruntergekühlt“, meint Andreas Lichtblau, der mit anderen Gartengestalter:innen als „Die Stadtbegrüner“ Innen- und Außenlösungen mit Pflanzen anbietet.
Hat es die Natur am Land leichter?
„Viele denken, dass wir von unendlich viel Landschaft und Boden umgeben sind, doch das stimmt nicht.“ Über zwei Hektar Land – etwa vier Fußballfelder – werden in Oberösterreich tagtäglich verbraucht. In den letzten 25 Jahren verlor Österreich durch Verbauung 150.000 Hektar Äcker und Wiesen. Das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. „Klarer kann nicht aufgezeigt werden, dass es dringend ein effektives Gegensteuern und eine verantwortungsvolle Bodenpolitik braucht. Es gilt eine Trendwende im Flächenverbrauch einzuleiten, jede weitere Zerstörung von Böden zu verhindern und unsere wertvollen Böden zu schützen“, betont der oberösterreichische Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder. Eine Strategie dabei ist es, versiegelte Flächen wieder aufzureißen. Aktuell ist der Politiker dabei, geeignete Förderungen für das Entsiegeln auszuarbeiten, die die nötigen Anreize für Gemeinden und Betriebe setzen.
Dass es mittlerweile nicht nur den brasilianischen Regenwald zu schützen gilt, sondern auch heimische Waldbestände und Ackerflächen, sickert allmählich in das allgemeine Bewusstsein ein. So speichern diese CO2, liefern gute Luft zum Atmen – und wertvolle Lebensmittel. Und sie sorgen mit ihrer Schönheit für das Landschaftsbild, wofür das Tourismusland Österreich bekannt ist. Dieses Bild lässt sich angesichts wachsender Wohnsiedlungen im Grünen, Straßen, Betriebsbaugebieten sowie damit verbundener Geräuschbelastungen nur schwer aufrechterhalten.
Das Grün kehrt zurück
Die Gemeinde Ennsdorf unweit von Linz erhielt vor Kurzem die größte begrünte Lärmschutzwand Europas, ist stattliche 1,2 Kilometer lang und acht Meter hoch. Gebaut wurde sie von Stefan Gieselbrecht und seinem Team von Grünkonzept. Das Vorarlberger Unternehmen ist seit mehr als fünfzehn Jahren auf moderne Begrünungssysteme spezialisiert. Derzeit wachsen die 8.000 gesetzten Pflanzen gut an. Neben dem ökologischen und optischen Gewinn der grünen Lärmschutzwand sorgt auch die überdurchschnittlich hohe Luftschalldämmung für das beste Argument für diese Technik und die stetig steigende Nachfrage im In- und Ausland bestätigt dies. Gefragt ist der grüne Daumen des Teams auch bei der Baumpflege, der Begrünung von Außenfassaden und Dächern wie auch bei „Living Walls“ für den Innenbereich. Ob in Singapur oder Wien, ob auf Wänden, neben Straßen oder in Grünanlagen – die üppig wuchernde Grünpflanzenvielfalt zieht die Menschen auf magische Weise an. Die Zeit für den modernen grünen Dschungel in Stadt und Land – sie ist gekommen._
Wir bauen nicht die grüne Fassade an das Haus – wir sind die Fassade..
Andreas Lichtblau
Geschäftsführer, 90degreen
Wir entwickeln innovative Lösungen in ‚grün‘ für unseren Lebensraum.
Stefan Gieselbrecht
Geschäftsführer, Grünkonzept
Entsiegelte und begrünte Flächen wirken bei Hitze-Hotspots wie natürliche Klimaanlagen.
Stefan Kaineder
Umwelt- und Klima-Landesrat OÖ