Die Zahl der Cybersecurity-Vorfälle steigt Jahr für Jahr an – der globale Schaden soll bis 2025 auf 10,5 Billionen Dollar steigen. Immer mehr Unternehmen werden mit Verschlüsselungstrojanern erpresst, durch die der Zugriff auf die eigene IT-Infrastruktur verloren geht. Für KMU kann der Schaden schnell sechsstellige Summen erreichen. Ebenfalls problematisch: Raubkopien und Reengineering. In Zukunft dürfte sich die Lage laut Expert:innen weiter verschärfen.
Das Videointerview mit Jürgen Weiss, CEO des Cybersecurity-Unternehmens Ares, beginnt mit einer Schelte, nachdem der Gründer erfahren hat, dass der Interviewer per Gäste-WLAN eines Hotels online ist. „Mit einem Gäste-WLAN würde ich mich generell nicht verbinden, egal wo. Dazu sind zu viele sensible Daten auf meinem Notebook, als dass ich mich mit einer unvertrauenswürdigen Quelle connecte“, sagt Weiss und beginnt, die Risiken zu erklären. „Es gibt Tools und Software, die aus den Browsern gespeicherte Passwörter und Daten herausziehen können, die kosten im Darknet nicht einmal zehn Dollar“, sagt der IT-Experte. Außerdem: Wer garantiert, dass man sich nicht über ein gefaktes Netzwerk eines oder einer Kriminellen einloggt, das nur vorgibt, zum Hotel zu gehören? Die erbeuteten Daten können dann bequem an andere Kriminelle verkauft werden. Wie unkompliziert das geht, zeigt Weiss gleich vor, aktiviert ein Verschlüsselungstool und verbindet sich mit einem Onlinemarktplatz. Dort im Angebot: Kreditkarteninformationen oder Zugangsdaten, mit denen Computer ferngesteuert werden können – darunter auch viele IP-Adressen aus Oberösterreich. „Besonders interessant für Kriminelle sind Daten, hinter denen Firmennamen oder Office365-Accounts stehen“, erklärt der Experte.
Weiss ist nicht ohne Grund vorsichtig – er hat unzählige Male gesehen, welchen Schaden Cyberangriffe anrichten können. Immer beliebter würden Ransomware-Angriffe, bei denen Unternehmen aus ihrem eigenen System ausgesperrt werden und dann Lösegeld zahlen sollen. „Die Tools dafür kann man ebenfalls im Darknet kaufen und ohne großes technisches Know-how anwenden“, erklärt Weiss. Der Schaden für betroffene Unternehmen sei enorm. „Wenn ein KMU erfolgreich Ziel einer solchen Attacke wird, entsteht locker ein Schaden von 50.000 bis 100.000 Euro – und da sind Lösegeldforderungen und Reputationsverlust noch gar nicht enthalten“, sagt er. Kommt es zu solchen Vorfällen, ist ARES oft als erste Unterstützung zur Stelle. „Im vergangenen Jahr haben wir 34 Unternehmen, die von einer Hackergruppe gehackt wurden, gleichzeitig unterstützt und so vor größerem Schaden bewahrt“, sagt Weiss. Dafür wurde ARES 2022 mit dem EU Cyber Award 2022 in der Kategorie „Incident Responder of the Year“ ausgezeichnet. Insgesamt hätte man in den vergangenen zwei Jahren 120 solcher Notfalleinsätze gehabt. „Das sind massive Stresssituationen, in denen nachts und an Wochenenden durchgearbeitet wird“, erklärt der Gründer. „Feuerlöscher“ ist man bei ARES eigentlich nur ungern – lieber sei es den Expert:innen, Vorfälle durch die richtige Vorbereitung gar nicht erst zuzulassen. „Wir bieten eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung der gesamten Unternehmensinfrastruktur an, dabei identifizieren wir via Machine Learning Anomalien und können sofort reagieren, um Gefahren einzudämmen“, erklärt Weiss. Wichtig seien auch sogenannte Penetrationstests – dabei versuchen ARES-Mitarbeiter:innen, mit derselben Vorgehensweise wie Cyberkriminelle in Netzwerke einzudringen und so Schwachstellen zu erkennen.
Mensch als schwächstes Glied in der Kette
IT-Security-Unternehmen wie ARES werden auch aufgrund des Fachkräftemangels immer gefragter. Fast drei Viertel der befragten Unternehmer:innen gaben in einer Studie von KPMG und KSÖ an, Schwierigkeiten beim Rekrutieren von IT- und Security-Expert:innen zu haben, viele Dienste werden deswegen ausgelagert. „Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich von Betrieben angerufen oder kontaktiert werde, die gerne unsere Absolvent:innen einstellen würden“, sagt Silvia Schmidt, Lehrende und Forschende des Masterstudiums IT-Security an der FH Campus Wien und Leiterin des hauseigenen Cybersecurity-Teams. Aus ihrer Sicht sollten Unternehmen intern vor allem auch an der Bewusstseinsbildung arbeiten. „Der Mensch ist nach wie vor das schwächste Glied in der Kette“, sagt sie – Studien bestätigen das. Immer beliebter würden Angriffe via Social Engineering – die Kriminellen bringen über Social Media persönliche Details in Erfahrung und nutzen diese für täuschend echte Phishing-Mails. „Nachdem sich die Methoden immer wieder weiterentwickeln, gilt es auch, Mitarbeitende immer wieder zu schulen“, sagt sie. Dafür empfiehlt sie Awareness-Workshops und ständigen Austausch.
Der Mensch ist nach wie vor das schwächste Glied in der Kette.
Silvia Schmidt
Leiterin Cybersecurity, FH Campus Wien
Wir haben in der Cybersecurity das selbe Problem wie in der Krankenpflege.
Michael Karl
CEO, Snapsec
Wir bieten eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung der gesamten Unternehmensinfrastruktur an.
Jürgen Weiss
CEO, ARES
Wir erforschen die Grundlagen für den effizienten und sicheren Schutz von Software.
Thomas Ziebermayr
Projektleiter, Projekt DEPS, SCCH
Wie sich Unternehmen schützen können
_Awareness unter Mitarbeiter:innen durch Schulungen erhöhen
_Präventiv wirksame Technologien einsetzen
_Auf Krisen vorbereitet sein – mit Partnerunternehmen, die notfalls erreichbar sind
_Nicht nur in Prävention, auch in Detektion investieren