Markus Neumayr vergleicht den Austausch eines Enterprise-Resource-Planning(ERP)-Systemsin einem Unternehmen gerne mit einer Operation am offenen Herzen. „ERP-Systeme sind die Steuerungsarchitektur für Unternehmen, wenn ich sie austausche, muss die gesamte Organisation mitgedreht und Personen in neue Prozesse eingearbeitet werden“, erklärt der Geschäftsführer des Unternehmens Ramsauer & Stürmer, das seinen Firmenhauptsitz im Bundesland Salzburg hat.
So ein Austausch könne nicht einfach von heute auf morgen stattfinden – genauso wie für ein großes Frachtschiff eine spontane 180-Grad-Drehung mit einem völlig neuen Kurs unmöglich sei. Angesichts dieses Hintergrunds ist auch die Strategie verständlich, die Ramsauer & Stürmer bei der Entwicklung neuer Produkte verwendet und die das Unternehmen so erfolgreich gemacht hat: „Wir surfen nicht auf jeder Technologiewelle, sondern durchleuchten genau, welche Innovationen wir für unsere betriebswirtschaftliche Architektur langlebig integrieren können“, erklärt Neumayr. „ERP-Systeme werden eben nicht alle zwei Jahre ausgetauscht, darum brauchen wir einen hohen Grad an Nachhaltigkeit.“ Und: Bei jedem neuen größeren Update sei es wichtig, alle Kunden mitnehmen zu können.
„Wir gehen nach einem Stufenplan vor, durch Erweiterungen wird das alte System Schritt für Schritt ausgebaut“, sagt der Geschäftsführer. Etwa 10 Millionen Zeilen Sourcecode umfasst eine ERP-Software – hier das Rad alle paar Monate neu zu erfinden, sei unmöglich. Auch Windows erfindet keine neuen Betriebssysteme, sondern erweitert alte Schritt für Schritt. Neumayr: „Wir haben seit 1991 Kunden, die wir von Release zu Release mitgenommen haben.“ Durch den intensiven Kontakt und den direkten Marktumsetzungsprozess mit vielen Kunden würde es schon früh gelingen zu erkennen, welche Digitalisierungstrends langfristig für das ERP-System wichtig werden – und welche vernachlässigt werden können.
Erfolg durch Standardsoftware statt Auftragsarbeit
Durch diese Herangehensweise ist es Ramsauer & Stürmer gelungen, sich in den 90er Jahren gegen damals viel größere Softwarehäuser durchzusetzen, die nicht auf diesen Transferprozess gesetzt hatten. Das Unternehmen wurde 1984 von Helmut Ramsauer mit dem Ziel gegründet, betriebswirtschaftliche Systeme für mittelständische Unternehmen zu entwickeln. In der Anfangsphase wurden den Kunden nach Analyseprozessen nur die notwendigen Werkzeuge in Form von Konzepten dafür mitgegeben, später entschied man sich, die Softwareprodukte selbst und mit eigenem Personal umzusetzen. Mit einem großen Unterschied zu heute: „Wir haben für unterschiedliche Datenbanken unterschiedliche Programme und Technologien entwickelt“, erinnert sich Neumayr. Doch dann kommt das Unternehmen zu einem Wendepunkt. „Wir haben beschlossen, dass wir nicht zum xten Mal unterschiedliche Tools für die Auftragserfassung programmieren wollen, sondern haben begonnen, eine Standardsoftware zu schreiben“, sagt der Geschäftsführer. 1995 kommt mit rs1 die erste Version auf den Markt, zwei Jahre später wird der Nachfolger mit dem Markennamen rs2 präsentiert, der bis heute Bestand hat. Integriert sind umfassende Module für die Bereiche Rechnungswesen, Warenwirtschaft, Produktion, Workflows und Customer Relationship Management.
Zu wenig IT-Personal in Europa
Neumayr entwickelte diese Programme federführend mit, 1999 stieg er in die Geschäftsführung auf und bekam erste Gesellschaftsanteile. Seit 2019 ist er alleiniger Geschäftsführer von Ramsauer & Stürmer – damals setzte sich Gründer Helmut Ramsauer zur Ruhe und übertrug ihm auch seine Firmenanteile. Seit 2021 ist das Softwareunternehmen Aptean neuer Eigentümer. „Der Grund für unsere Zusammenarbeit ist, dass IT-getriebene Unternehmen in Zukunft sehr stark von Rechenzentrumsbetrieben und Cloudarchitektur abhängig sein werden“, sagt Neumayr. Die dafür nötigen IT-Kapazitäten und Personalinfrastuktur gebe es in Österreich und Europa schlichtweg nicht mehr. Derzeit arbeiten 150 Mitarbeiter für Ramsauer & Stürmer, 25 neue würden gebraucht, um alle nötigen Ressourcen abzudecken. „Durch den Fachkräftemangel ist es aber momentan unmöglich, alle Stellen abzudecken“, sagt Neumayr.
Weltweites Entwicklernetzwerk durch neuen Eigentümer
Aptean könne ein weltweites Entwicklernetzwerk zur Verfügung stellen, das bei der Umsetzung der Entwicklungsschritte helfen kann. Neumayr: „Sie haben selbst kein globales ERP-Produkt, sondern unterstützten als Tech-Investoren andere Unternehmen, ihre lokalen Produkte als technologische Nummer eins zu positionieren.“ Derzeit ist Ramsauer & Stürmer nach eigenen Angaben der drittstärkste ERP-Anbieter in Österreich – durch den neuen Partner will man noch stärker werden._
Wir durchleuchten genau, welche Innovationen wir für unsere betriebswirtschaftliche Architektur langlebig integrieren können.
Markus Neumayr
Geschäftsführer, Ramsauer & Stürmer