Krabbeldecken, Tragetücher und Babyschalen: All das gehört seit Oktober zum Inventar im Büro von Newsadoo. Denn Nora Hemelmayr bringt ihren sieben Monate alten Sohn Lukas öfter mal mit zur Arbeit. Nachdem sie ihn ein halbes Jahr zu Hause betreut hat, geht ihr Mann im März für sieben Monate in Karenz. Über die Herausforderungen einer jungen Familie und die Wichtigkeit von Wahlfreiheit.
„Ich glaube, er hat Hunger. Stört es dich, wenn ich ihn kurz stille? Das habe ich auch schon in Meetings gemacht.“ Die Reaktion der Kolleg:innen? „Ich habe nicht lange gefragt und mir gedacht, das müsst ihr jetzt aushalten“, sagt Nora Hemelmayr und lacht. Ihr Sohn Lukas hat sichtlich Freude an unserem Fotoshooting und auch während des Interviews macht er große Augen. Geboren wurde er im Juli 2022. Für Nora und ihren Mann war von Anfang an klar, dass sie sich die Karenzzeit gleichberechtigt aufteilen möchten. Sie ist promovierte Mathematikerin, ihr Mann IT-Spezialist. „Ich habe viel Zeit in meine Ausbildung gesteckt und wusste schon immer, dass ich nicht jahrelang in Karenz bleiben möchte.“ Großen Wert legt sie darauf, dass jede Familie die Freiheit haben sollte, selbst zu entscheiden, wie sie die Betreuungszeiten am besten organisiert. Nach sieben Monaten in Karenz folgt ihr Mann ihr im März für dieselbe Dauer. Bereits nach drei Monaten kam sie für vier Stunden pro Woche zurück in den Job und arbeitet inzwischen wieder Vollzeit. Nach Ende der Karenzzeit überlegt das Elternpaar, wie es die Arbeitszeiten gestalten wird, und nutzt ab September eine Krabbelstube für Lukas.
Fehlende Kinderbetreuungsstrukturen
Die Reaktionen aus ihrem beruflichen und privaten Umfeld waren durchwegs positiv. Noch immer sei es keine Selbstverständlichkeit, dass auch Väter in Karenz gehen, meint Nora. Das solle sich in ihren Augen dringend ändern. „Da muss es auch bei den Unternehmen ein Umdenken geben. Bei Frauen ist es normal, dass sie in Karenz gehen und für eine gewisse Zeit ausfallen, aber auch bei Vätern sollte das viel mehr normalisiert werden!“ Oft sei es nach wie vor leider auch von finanziellen Faktoren abhängig, wer wie lange in Karenz gehen kann, und vor allem in Österreich fehle es oft an Strukturen für die Kinderbetreuung.
Als es schon vor der Geburt einen Krabbelstubenplatz für Babys ab einem Jahr sucht, wird das Paar schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. „Wir sind vor Kurzem hinter den Pöstlingberg gezogen, die Region gehört schon zu Gramastetten. Ich bekam einen Anruf vom Magistrat in Linz und mir wurde mitgeteilt, dass sie mir keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen können, wenn ich nicht direkt in Linz wohne. Sie hätten nicht mal genug Plätze für alle Linzer:innen.“ Auch die Suche in Gramastetten erwies sich als schwierig, weil es dort keine Plätze für Einjährige gab. „Zum Glück gibt es beim Arbeitgeber meines Mannes eine Kooperation mit mehreren Unternehmen, die den Eltern eine Krabbelstube zur Verfügung stellen.“ Ein willkommenes Angebot, das sie ab September nutzen werden.
Flexibilität ist das Um und Auf
„Wichtig war für uns in all unseren Entscheidungen immer die Flexibilität. Mit einem Kind können sich Pläne schnell ändern.“ Ihr Arbeitgeber brachte ihr genau diese Flexibilität entgegen. „Wir waren laufend im Austausch ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe meiner Schwangerschaft. Ich habe immer betont, dass sich unser Plan auch noch ändern kann. Mein Chef David Böhm hat mir zugesichert, dass ich mir alle Zeit nehmen kann, die ich brauche, und dass wir uns je nach Situation abstimmen.“ Auch ihre Eltern und die Eltern ihres Mannes haben sie von Anfang an unterstützt.
Seit März arbeitet Nora wieder Vollzeit und wird auch in Zukunft noch öfter im Homeoffice arbeiten. Zurzeit koordiniert sie als Projektleiterin ein Forschungsprojekt und liebt es, dabei neue Lösungen für Probleme zu finden. Das liegt ihr wohl als Mathematikerin im Blut. Worauf sie sich am meisten freut? „In Ruhe ins Büro zu kommen, einen Kaffee zu trinken und selbst zu entscheiden, wie ich mir meine Zeit einteile.“ Auch ihr Mann blickt seiner Karenzzeit mit Freude entgegen. Schon jetzt ist er der „Wickelbeauftragte“: „Das kann er einfacher schneller und besser als ich.“ Und Lukas? Der brabbelt munter vor sich hin und bleibt neugierig und weltoffen – so wie seine Eltern._
Ich wünsche mir, dass Eltern für ihre Entscheidungen nicht verurteilt werden.
Nora Hemelmayr
Lead Data Scientist, Newsadoo
Gedankensprung
mit Nora Hemelmayr
Meine frühe Rückkehr ins Berufsleben war möglich, weil_ ich von meiner Familie und auch von der Firma unterstützt wurde. Und weil das Baby eher pflegeleicht ist. (lacht)
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf_ ist gerade in Österreich schwieriger, als man es sich vorstellt. Vor allem die Strukturen in der Kinderbetreuung fehlen oft.
Was ich mir wünschen würde_ Dass Eltern für ihre Entscheidungen nicht verurteilt werden.
Ein Tipp für werdende Eltern_ Einfach alles auf sich zukommen lassen, flexibel bleiben und akzeptieren, wenn Dinge anders kommen, als man es sich vorgestellt hat.