Anna Kneidinger hat die Herausforderungen eines Familienbetriebs schon früh kennengelernt. Das gemeinsame Mittagessen am Sonntag war oft ein halbes Geschäftsessen. Darum war für die heute 34-jährige Bezirksvorsitzende-Stellvertreterin der Jungen Wirtschaft (JW) in Rohrbach die Nachfolge im Betrieb der Eltern zunächst kein fixer Bestandteil in ihrem Lebensplan. Nach dem Studium in Wien wollte sie unbedingt einmal in der Großstadt leben und arbeitete dort in großen Konzernen. „Da habe ich gesehen, wie schwierig es ist, sich in einem großen Konzern hochzuarbeiten und wie viele Freiheiten man in einem Familienbetrieb hat“, erklärt Kneidinger, warum es dann doch anders gekommen ist und sie mittlerweile Geschäftsführerin im Kneidinger Center mit Sitz in Rohrbach ist. Der Vater habe sie nie zur Übernahme des Betriebes gedrängt, aber seinen beiden Töchtern den Weg in das Familienunternehmen immer offen gehalten.
45.700 Klein- und Mittelbetriebe (KMU), davon 6.900 in Oberösterreich stehen im Zeitraum von 2014 bis 2023 vor der Herausforderung, einen Nachfolger zu finden. Das sind 27 Prozent aller KMUs der gewerblichen Wirtschaft ohne Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Bei diesen stehen mit 9.000 noch einmal drei Prozent aller EPUs in den nächsten acht Jahren vor einer Übernahme, so die KMU Forschung Austria.
Richtige Vorbereitung
Gerda Ferch-Fischer vom Service-Center der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ) rät Firmeneigentümern rund fünf Jahre vor der Pensionierung mit der Vorbereitung der Übergabe zu beginnen. „Je früher man sich die Unternehmensnachfolge überlegt, desto besser“, sagt Ferch-Fischer. Für die rechtlichen Fragestellungen empfiehlt die Expertin als einen ersten Schritt eine Nachfolge-Rechtsberatung bei der WKOÖ. Denn bei der Übernahme kommen mehrere Rechtsbereiche zusammen und dafür steht ein dreiköpfiges Beraterteam zur Verfügung. „Vergleichbar ist die Beratung mit mehreren Zahnrädern, die perfekt ineinandergreifen müssen, damit sich zum Schluss alle drehen.“ Die eine, perfekte Lösung für die erfolgreiche Unternehmensnachfolge gebe es nicht. Es müssen verschiedene Varianten mit Vor- und Nachteilen geprüft und die beste Version für alle Beteiligten gesucht werden. Allen Beteiligten müsse auch klar sein, dass mit einer Besprechung nicht alles geklärt werden könne: „Die Leute brauchen Zeit für Denkprozesse und Entscheidungen.“ Als schwere Fehler nennt Ferch-Fischer, wenn die nächste Generation vor deren Start als Firmeneigentümer zu wenig in das Unternehmen einbezogen wird und die Nachfolger zu wenige Informationen haben. „Gewisse Schritte brauchen eine bestimmte Vorbereitungszeit. Wenn man dann erst nach der Übergabe draufkommt, kann man oft nichts mehr richten.“ Ein Beispiel dafür seien etwaige gewerberechtliche Voraussetzungen, ohne die Übergeber dann auf einen gewerberechtlichen Geschäftsführer zurückgreifen müssen.
"Frauen haben das kleine Manko, dass sie sich manchmal zu wenig zutrauen, während Männer oft schon in jungen Jahren sehr selbstbewusst sind."
Anna KneidingerGeschäftsführerin, Kneidinger Center und JW-Bezirksvorsitzende-Stellvertreterin in Rohrbach
Unter den 6.900 KMUs, die in Oberösterreich vor einer Übernahme stehen, befindet sich auch die Agentur Kapeller und Partner in Enns. „Mein Vater hat noch ein paar Jahre bis zur Pension und überträgt zur Vorbereitung langsam immer mehr Verantwortung auf mich“, sagt Jürgen Kapeller, stellvertretender Agenturleiter und JW-Bezirksvorsitzender Linz-Land. Anders als bei Kneidinger war es schon immer sein Lebensplan, dem Vater nachzufolgen und so hat er auch bei ihm die Lehrausbildung absolviert. In Hinblick auf die Unternehmensnachfolge sagt der 28-Jährige: „Mir ist es wichtig, das Gespräch mit meinem Vater zu suchen, aber gleichzeitig auch persönlich und unabhängig davon zu schauen, wie der Betrieb dasteht und wo es noch Potential gibt.“ Sehr wertvoll für eine erfolgreiche Übernahme sei auch der Austausch im Netzwerk der JW, wo junge Unternehmer vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Mehrere Übernehmer
Auch Kneidingers Vater war vorbildlich bei der Vorbereitung der Übergabe und hat einige Jahre vor seiner Pensionierung um die Tochter geworben, die dann 2010 in den Betrieb eingestiegen und 2012 in die Geschäftsführung aufgestiegen ist. Gleichzeitig fing 2012 auch ihre Schwester Maria an, im Betrieb zu arbeiten. Das Unternehmen wurde infolge der Übernahme geteilt, der Bereich Landtechnik an den Cousin abgespalten und das Autohaus mit den Schwestern Anna und Maria Kneidinger gegründet.
Ob eine Nachfolge mit mehreren Übernehmern erfolgreich ist, hänge immer vom Einzelfall ab. „Je mehr Personen führen und beteiligt sind, desto mehr reden mit und desto schwieriger kann es bei Beschlussfassungen werden“, spricht Ferch-Fischer aus Erfahrung. Eine gute Symbiose könne sich ergeben, wenn unter den Kindern ein Techniker und ein Betriebswirt sind. „Es kann aber genauso gut schieflaufen. Es gibt kein Patentrezept und daher ist es schwer, Ratschläge zu geben“, so Ferch-Fischer. Bei Maria und Anna Kneidinger ist es genau die von der WKOÖ-Expertin angesprochene Symbiose.
"Mir ist es wichtig, das Gespräch mit meinem Vater zu suchen, aber gleichzeitig auch persönlich und unabhängig davon zu schauen, wie der Betrieb dasteht."
Jürgen KapellerStellvertretender Agenturleiter, Agentur Kapeller & Partner und JW-Bezirksvorsitzender Linz-Land
Und auch Carl Alexander und Clemens Marius Selmer, die beiden Geschäftsführer von Selmer Objekteinrichtungen mit Sitz in Köstendorf bei Salzburg, haben jeder seinen Schwerpunkt woanders. „Wir ergänzen uns daher sehr gut“, sagt der 33-Jährige Carl Alexander Selmer. Die beiden Geschwisterpaare sind sich einig, dass man zu externen Geschäftspartner nicht so leicht ein solches Vertrauensverhältnis wie in der eigenen Familie aufbauen könne und dass es eine klare Aufgabenteilung brauche. „Auch die Mitarbeiter müssen wissen, mit welchen Themen sie zu wem gehen müssen. Sonst pendelt es sich schnell einmal ein, dass sie zu demjenigen gehen, wo es für sie am leichtesten geht“, so Kneidinger. Das Verhältnis vor der Zusammenarbeit hat mit einer späteren guten Zusammenarbeit nicht unbedingt etwas zu tun: Denn während die beiden Schwestern schon immer ein „sehr enges, freundschaftliches Verhältnis“ gehabt hätten, hat die Brüder erst die Firma „richtig zusammengeschweißt“.
Wir hatten noch nie so ein gutes Verhältnis wie jetzt“, sagt Selmer. Ein Nachteil ist für Kneidinger, dass private Gespräche schnell einmal ins Geschäftliche abrutschen. Um eine gewisse Trennung von Firma und Privat zu erreichen, hätten die Schwestern ihre Partner bewusst nicht in die Firma mitreingenommen und es gebe auch einen Abstand zwischen Wohnhaus und Firmengelände. Denn auch wenn die Arbeit Spaß macht, brauche man einen gewissen Ausgleich und daneben auch noch etwas anderes im Leben. Diese Meinung teilt auch Anna Kapsamer-Fellner, Geschäftsleiterin Marketing und Vertrieb der Joka-Werke und JW-Bezirksvorsitzende-Stellvertreterin in Vöcklabruck: „Meine drei jüngeren Geschwister sind nicht im Familienunternehmen tätig und gerade deswegen ist es wichtig, dass der gemeinsame Esstisch nicht immer zum verlängerten Besprechungstisch wird.“
Rolle des Vorgängers
Für die Rolle des Vorgängers während und nach der Übergabe gibt es wie in allen anderen Bereichen auch kein Patentrezept. „Das Know-how der alten Generation noch zu nützen und gleichzeitig die Jungen schon machen zu lassen ist eine Gratwanderung“, weiß Ferch-Fischer. Laut Statistik ist der Vorgänger nach dem Übergabezeitpunkt durchschnittlich noch rund drei Jahre formell oder informell im Unternehmen aktiv. Ein fließender Übergang sei grundsätzlich zu begrüßen, aber oftmals könne die ältere Generation dann nicht loslassen, sagt Ferch-Fischer. Besonders schwierig sei es immer dann, wenn die Vorgänger dort weiterleben wo auch der Betrieb angesiedelt ist - dies sei aber häufig der Fall bei Familienbetrieben. Bei der Übergabe in mehreren Schritten müsse man bedenken, dass dies jedes Mal mit Kosten verbunden sei.
"Wir haben in aller Freundlichkeit, aber mit Konsequenz gesagt, dass sich der Vater in der Firma nicht mehr einmischen darf."
Carl Alexander SelmerGeschäftsführer, Selmer
Selmers Vater gehörte zu denjenigen, die nur schwer loslassen konnten. Daher war mit der Übernahme der Geschäfte im April 2015 ein Cut ganz wichtig, so Selmer: „Wir haben in aller Freundlichkeit, aber mit Konsequenz gesagt, dass sich unser Vater in der Firma nicht mehr einmischen darf.“ Der Vater brauche einmal eine Ruhephase von ein bis zwei Jahren, um einen Abstand und damit einen objektiveren Blick auf den Betrieb zu bekommen. Ganz anders lief es beim Autocenter Kneidinger: Der Vater freute sich schon länger, dass er seinen privaten Interessen mehr nachgehen kann und hat sich mit dem Einstieg der Tochter in die Geschäftsführung immer weiter aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Auch Investitionen für die Zukunft wurden mit den Töchtern abgesprochen: „Er sagte immer, ihr müsst das entscheiden, weil ihr müsst auch die nächsten Jahre damit leben und die Firma führen.“ Kneidingers Vater wollte schon ein halbes Jahr früher in Pension gehen, hat dann aber noch seiner Tochter Anna im ersten halben Jahr nach der Geburt ihres Kindes den Rücken freigehalten. Die offizielle Verabschiedung im Oktober dieses Jahres war laut Kneidinger „ein Zeichen für die Mitarbeiter und Kunden, damit die Zuständigkeiten klar sind und das öffentlich gemacht wurde“. Speziell im Bereich Finanzwesen wollen die Schwestern auch zukünftig nicht auf die Expertise des Vaters verzichten: „Wir werden ihn sicher öfters mal um Rat fragen.“
Herz und Leidenschaft
Laut KMU Forschung Austria haben im Zeitraum 2008 bis 2012 erstmals gleich viele Frauen wie Männer eine Nachfolge in einem Unternehmen in Österreich angetreten. 1999 waren nur 31 Prozent der Übernehmer weiblich. Den Einstieg der beiden Kneidinger-Schwestern in eine Männerdomäne hätten die langjährigen, loyalen Mitarbeiter sehr unterstützt und die Reaktionen seien überall positiv gewesen. „Ich habe mir im Vorhinein selber zu viele Gedanken gemacht“, erinnert sich Kneidinger zurück und appeliert an junge Unternehmerinnen: „Frauen haben das kleine Manko, dass sie sich manchmal zu wenig zutrauen, während Männer oft schon in jungen Jahren sehr selbstbewusst sind.“ Kneidinger sieht es jetzt sogar als gewissen Vorteil als Frauen-Führungsduo in einer von Männern dominierten Branche ein gewisses Alleinstellungsmerkmal zu haben und so aufzufallen.
Kapsamer-Fellner ist mit dem Einstieg in die Möbelbranche zwar nicht in eine Männerdomäne eingedrungen, passt aber durch ihr Alter nicht in die Statistik. Laut KMU-Forschung waren die Firmenübernehmer im Schnitt 36,5 Jahre alt. Kapsamer-Fellner hat im Mai 2012 mit nur 27 Jahren die Geschäftsleitung von Marketing und Vertrieb der Joka-Werke in Schwanenstadt übernommen. Der Einstieg in das Unternehmen direkt nach dem Studium habe sich ergeben, da der externe Geschäftsführer für den Bereich das Unternehmen verließ „Ich hatte die Gelegenheit, die Sachen, die ich theoretisch auf der Uni gelernt habe, gleich in der Praxis umzusetzen.“ Ihr Vater habe als geschäftsführender Gesellschafter zwar das letzte Wort, Kapsamer-Fellner könne aber in ihrem Bereich sehr „selbstständig und eigenverantwortlich“ arbeiten: „Es ist ein Miteinander, ich berate mich gerne mit ihm und habe nicht das Gefühl, dass er mich bevormunden möchte oder ich zu wenige Freiheiten habe.“ Das junge Einstiegsalter war nie ein Problem, die heute 30-Jährige habe die Mitarbeiter im Familienunternehmen bereits durch Ferialarbeit und Messeauftritte gekannt, es seien ihr alle mit Respekt begegnet. Ihr Erfolgsrezept dafür: „Das Wichtigste ist, dass man es wirklich gerne macht und mit Herz und Leidenschaft dabei ist.“
"Das Wichtigste ist, dass man es wirklich gerne macht und mit Herz und Leidenschaft dabei ist."
Anna Kapsamer-FellnerGeschäftsleiterin, Marketing und Vertrieb Joka-Werke und JWBezirksvorsitzende-Stellvertreterin in Vöcklabruck
SPONSORED CONTENT
DIE 7 GOLDENEN REGELN DER ÜBERGABE*
1: Grundsatzentscheidung fällen Damit setzt der Übergeber den ersten, entscheidenden Akt des Loslassens: Möchte ich mein Lebenswerk an einen Nachfolger übergeben – ja oder nein?
2: Potenzielle Nachfolger bestimmen Nach der ersten mentalen und emotionalen Hürde der Grundsatzentscheidung beginnt der Sondierungsprozess der Nachfolgebestimmung: Wer wird mein Nachfolger? Dabei kann ein kritischer Blick von außen ganz hilfreich sein.
3: Modelle und Varianten prüfen Es wird der Markt analysiert und der Ist- Zustand ermittelt: Was ist der Wert des Unternehmens? Wohin entwickelt sich die Branche?
4: Klare Vereinbarungen treffen Klare Regelungen verhindern mögliche zukünftige Streitpunkte und sichern die Handlungsfähigkeit des Unternehmens. Übergeber und Übernehmer müssen so verhandeln, dass alle Bedürfnisse und Gegebenheiten Berücksichtigung finden.
5: Nachfolger fordern und fördern Durch eine schrittweise Übertragung von Verantwortungsbereichen und Aufgaben kann sich der Nachfolger innerhalb eines bestimmten Zeitfensters einarbeiten.
6: Inthronisierung des Nachfolgers Menschen lieben Rituale. Eine offizielle Übergabe sorgt bei Kunden und Mitarbeitern für Klarheit über die Zuständigkeiten im Unternehmen.
7: Rückzug des Übergebers Während es für den Seniorchef „Auf zu neuen Ufern“ heißt, muss der Juniorchef in die Fußstapfen seiner Vorgänger treten und dabei einen neuen, persönlichen Weg finden.
* aus dem Buch „Geglückte Unternehmensnachfolge“ der JW OÖ
WKOÖ-SERVICECENTER
Das WKOÖ-Servicecenter bietet eine Nachfolge-Rechtsberatung an: Erbrecht, Unternehmensrecht, Gesellschaftsrecht, Gewerberecht, Mietrecht, Pensions- und Sozialversicherungsrecht und Steuerrecht.
0590909
service@wkooe.at
www.wko.at/ooe
JUNGE WIRTSCHAFT OÖ
Die Interessensvertretung der Jung- unternehmer setzt sich für optimale Bedingungen für Gründer undJungunternehmer ein.
05909093332
jw@wkooe.at
www.jungewirtschaft.at/ooe
SPONSORED CONTENT