Darf ich bitten?
„Unternehmen und Arbeitssuchende müssen sich gegenseitig zum Tanz auffordern! Was kann der eine geben und was kann ihm vom anderen geboten werden? Erst dann gelingt ein Verhandeln auf Augenhöhe.“ Das ist eine der Visionen von Iris Schmidt, der neuen Landesgeschäftsführerin des AMS Oberösterreich. Welche Ideen für die Zukunft des AMS und des Arbeitsmarktes sie noch bewegen, verrät sie uns im Interview.
Wenn Iris Schmidt sagt: „Ich habe ein lebenslanges, berufsbegleitendes Lernen hinter mir“, dann trifft sie den Nagel auf den Kopf. Neben zwei Lehrabschlüssen zur Kosmetikerin und zur kaufmännischen Angestellten absolvierte sie während ihrer Arbeit in der Autovermietungsbranche auch noch berufsbegleitend ein Masterstudium der Internationalen Beziehungen und hat ihre mittlerweile 23-jährige Tochter allein großgezogen. Arbeit ist „eine Art der Selbstbestätigung, der Entwicklung, des Wachsens und der Entdeckung der eigenen Werte“. 19 Jahre ist Iris Schmidt mittlerweile beim AMS Oberösterreich tätig. In dieser Zeit hat sie die Ausländeragenden zentralisiert, die Interdisziplinarität in der Organisation gestärkt und war zuletzt stellvertretende Landesgeschäftsführerin im AMS OÖ, an der Seite von Gerhard Straßer, der Ende April in Pension ging.
Sie haben einige Berufsjahre in einer Männerdomäne verbracht. Wie hat Sie diese Erfahrung geprägt?
Iris Schmidt: Ich habe viel über mich und die Gesellschaft gelernt. Mir war es wichtig, meine Werte nicht zu verlieren. Der große Unterschied war auf jeden Fall der Umgang miteinander, das beginnt schon beim Smalltalk. Auch in meiner jetzigen Funktion merke ich, dass bei Veranstaltungen oder Vorträgen der Männeranteil viel höher ist und dass Frauen ihren Fokus auf das Aufbauen eines Netzwerkes legen sollten. Ich habe gelernt, mich in dieser Welt besser zurechtzufinden. Aber ich interessiere mich immer noch nicht für Fußball (lacht).
Was wird sich unter Ihrer Führung am meisten wandeln? Was wird gleich bleiben?
Iris Schmidt: Alles, was sich bewährt hat, wird gleich bleiben (lacht). Manche Dinge werden natürlich einen neuen Touch bekommen. Ich weiß, dass meine Aufgabe sehr verantwortungsvoll ist und meine Entscheidungen eine Auswirkung auf ganz viele Menschen haben. Ich selbst habe einen hohen Anspruch an mich und neige teilweise zum Perfektionismus. Gerade deswegen lege ich großen Wert darauf, meine Mitarbeitenden mit ins Boot zu holen und ihnen den Sinn hinter ihrer Tätigkeit zu vermitteln. Inhaltlich möchte ich das Thema Innovation weiterhin vorantreiben und auch bei der Berufsorientierung an Schulen gibt es Verbesserungspotential. Persönlich wichtig ist mir, auch Modelle für Menschen zu kreieren, für die die Rahmenbedingungen denkbar schlecht sind, zum Beispiel durch schwere gesundheitliche Einschränkungen, fehlende Sprachkompetenzen oder geringes Bildungsniveau.
Worin liegen die Stärken des AMS Oberösterreich bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen? Und wie werden sich seine Aufgaben in Zukunft wandeln?
Iris Schmidt: Die größte Stärke ist die Aufgabe des AMS per se, nämlich Mensch und Arbeit zu verbinden. Das ist eine sehr schöne und sinnstiftende Aufgabe. Aber wir wissen natürlich, dass sich die Herausforderungen am Arbeitsmarkt massiv gewandelt haben, einerseits durch den Einfluss der Digitalisierung und andererseits durch das Mindset der Menschen. Die Kommunikation mit unseren Kund:innen wird sich verändern. Unsere Mitarbeiter:innen müssen immer interdisziplinärer zusammenarbeiten und einen Fokus auf die Kompetenzorientierung legen. Daher gibt es in Wien Pilotversuche mit Künstlicher Intelligenz und dem Stellenmatching, das in näherer Zukunft automatisiert unterstützt werden kann. Die Kommunikation bleibt selbstverständlich menschlich und die Beratung wird viel individueller werden, was Empathie braucht.
Was wünschen Sie sich von Gesellschaft und Politik in Bezug auf den Arbeitsmarkt?
Iris Schmidt: Eine gute Unterstützung für Menschen mit schweren gesundheitlichen Einschränkungen und einen neuen Zugang, wie man den großen Wunsch nach Teilzeit mit dem Arbeitsmarkt in Einklang bringen kann. Mein Wunsch wäre auch, das Schulsystem nochmals zu reflektieren. Wir sollten keine Aufbewahrungsstätten für Kinder schaffen, sondern Bildungseinrichtungen, die ihnen auch soziale Kompetenzen vermitteln. Und das alles in einem offenen Dialog. Wenn etwas am Reißbrett umgesetzt wird, heißt es noch nicht, dass es die richtige Maßnahme für die Bevölkerung ist. Ein Miteinander ist hier besonders wichtig, nur dann können wir gemeinsam Dinge verändern._
Mir ist wichtig, meinen Werten immer treu zu bleiben.
Iris Schmidt Landesgeschäftsführerin, AMS Oberösterreich
Gedankensprung mit Iris Schmidt
Meine größten Stärken als Führungskraft_ Kommunikation, Disziplin, Wertschätzung
Diese Herausforderungen werden mich in meiner neuen Rolle begleiten_ dieselben wie meine Stärken (lacht)
Wenn ich eine Sache ändern könnte_ hätte ich eine Haushaltshilfe (lacht). Im Moment mache ich alles selbst. Das ist richtig herausfordernd.
Die Zukunft des Arbeitsmarktes wird_ spannend.
Unsere Fotografin Antje Wolm kam nach dem Shooting mit Iris Schmidt ins Gespräch über die Herausforderungen des Schulalltags, woraufhin Frau Schmidt ihr eine Bildungsberatung für ihre 12-jährige Tochter vermittelte. Denn „dann werden ihr schon jetzt Perspektiven aufgezeigt und die Schule ist vielleicht nicht mehr ganz so hart“.
persönliche Notiz zum Interview mit Iris Schmidt von Melanie Kashofer