Am Bauernhof von Andrea und Stefan Obermair wurden vor einer Generation noch Schweine gezüchtet. Heute tummeln sich winzige Afrikanische Welse in 400 bis 600 Liter fassenden Becken, bevor sie als Setzlinge für die Aufzucht nach halb Europa verkauft werden. „Als ich den aufgelassenen Schweinezuchtbetrieb der Schwiegereltern übernommen habe, war mir schnell klar, dass wir hier etwas Unkonventionelles machen müssen“, erinnert sich Stefan Obermair. Die 20 Hektar sind für den Teilzeit-Projektmanager zu wenig Fläche, um weiter auf Schweine zu setzen oder eine Milchviehwirtschaft zu führen. „Hohe Investitionskosten und diese Größe – das rechnet sich nicht mehr.“
Auf der Suche nach zusätzlichen Standbeinen
Durch Zufall lernt der damalige Landwirt in spe einen großen Mäster für Afrikanische Welse kennen, die beiden verstehen sich gut. „Er hat mich gefragt, ob ich nicht in Zukunft für ihn die Setzlinge züchten will – und mir die wertvollen Elterntiere und sein Know-how überlassen“, sagt Obermair. 100.000 Euro investiert er in die erste Anlage.
Afrikanische Welse ähneln ihren europäischen Verwandten, sind aber viel genügsamer und damit effizienter in der Haltung. Die Fische können zum Atmen an die Wasseroberfläche kommen; ihr Fleisch ist fest, leicht zu filetieren und fast grätenlos. Neben privaten Kleinstabnehmer:innen zählen vorwiegend Teichwirt:innen, Fischer:innen und Landwirt:innen zu den Kund:innen von Obermair. Sie alle hätten eines gemeinsam: Frustration. Für Teichwirt:innen, die heimische Gewässer bewirtschaften, würde sich das Nachbesetzen und Züchten von heimischen Fischarten im Freien immer weniger auszahlen, da einerseits Fischreiher und Otter zu großen Schaden anrichten. Andererseits mache der Klimawandel langsam, aber sicher den klassischen Forellenteichen zu schaffen. „Es reicht, wenn die Wassertemperatur für einen einzigen Tag zu warm wird – dann kann das Wasser den Sauerstoff nicht mehr halten und die Fische ersticken.“ Die Landwirt:innen hingegen sind laut Obermair oft auf der Suche nach einem zweiten oder dritten Standbein, weil ihnen die Preisentwicklung – etwa bei der Milch – zu unsicher geworden ist.
Land unterstützt innovative Projekte
Die Suche nach neuen Standbeinen und Geschäftsmodellen in der Landwirtschaft ist nicht neu. „Unsere Landwirtschaft war immer schon sehr flexibel und anpassungsfähig, das hat sie auch sein müssen, weil man mit der Natur und unterschiedlichen Variablen arbeiten muss“, sagt die oberösterreichische Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP), die unter anderem für den Schwerpunkt Land- und Forstwirtschaft zuständig ist. Der Klimawandel, damit verbundene Wetterextreme, starke Preisschwankungen und hoher Investitionsbedarf stellen Landwirt:innen derzeit aber vor besondere Herausforderungen, die wohl nicht weniger werden.
Diesen Klimawandel will man auch im oberösterreichischen Landtag angehen – mit Vorbehalten allerdings. „Wir setzen uns natürlich für Klima-, Umwelt- und Naturschutz ein, das ist auch wichtig für die Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet“, erklärt Langer-Weninger. Mit vielen Zielen und Konzepten wie etwa dem Green Deal, die auf europäischer Ebene beschlossen werden, sei man aber nicht zufrieden. Durch die Maßnahmen im europäischen Green Deal, werde sich die landwirtschaftliche Produktion in Europa reduzieren, sagt die Landesrätin. Der Lebensmittelbedarf würde dadurch aber nicht kleiner – in weiterer Folge müsse mehr aus Drittstaaten importiert werden, wo weniger strenge Gesetze gelten und erst recht mehr CO2 produziert wird.
Gerade junge Menschen, die sich für die Landwirtschaft entschieden haben, hätten meist sehr klare Vorstellungen und würden ihre Betriebe innovativ weiterentwickeln. „Diese Unternehmer:innen brauchen wir auch für die Zukunft, ihre Ideen wollen wir mit entsprechenden Möglichkeiten seitens des Landes unterstützen.“ Vom Land Oberösterreich wurde etwa ein Zukunftsfonds installiert, mit dem zwei Millionen Euro jährlich für innovative Projekte zur Verfügung stehen. Kürzlich rief man einen Expertenrat ins Leben, der politische Handlungsanleitungen erarbeiten soll, um kreislaufwirtschaftliche Themen und Ressourceneffizienz in der Landwirtschaft stärker zu etablieren und Bewusstsein für moderne Landwirtschaft zu schaffen. „Ich bin überzeugt davon, dass wir alle Herausforderungen bewältigen und die Produkte anbieten können, die sich die Bevölkerung wünscht.“ Die Sorten im Gemüse-, Getreide- und Obstbau würden sich jedoch mit der Zeit wandeln.
Erdnüsse und Reis made in OÖ
Ein Beispiel dafür ist Hannes Engl, der neben traditionellen Feldfrüchten auf seinem Hof in Marchtrenk mittlerweile auch Reis und Erdnüsse anbaut. Die Idee dafür kam ihm im Wirtshaus: „Wir sind draufgekommen, dass Reis Teil vieler traditioneller Gerichte in Österreich ist, aber kaum hier angebaut wird.“ Im Gegensatz zu Gerste oder Weizen ist das heimische Klima weniger für die Pflanze geeignet, durch den Klimawandel werde die Lage aber besser, zumindest bedingt. „Die längeren Sommer sind gut für Reis, wenn die Temperatur über 35 °C erreicht, wird es aber kritisch.“ Auch ein zweites für Österreich ungewöhnliches Produkt entsteht am „Sonnenfarm“: Erdnüsse. „Auch diese Idee ist im Wirtshaus entstanden“, sagt Engl und lacht. Gemeinsam mit seiner Freundin sitzt er bei einem Bier und einer Schale Erdnüsse. „Sie passen gut in unser Klima und sind beliebt, warum also nicht?“ Derzeit experimentiert Engl mit dem Anbau von Baumwolle. „Mit längeren Sommern wird das Projekt realistischer, ob es Sinn macht, muss sich erst zeigen.“
Bei seinen Experimenten treibt den Landwirt die Lust am Probieren an. „Anstatt immer nur zu überlegen, testen wir vieles gerne aus.“ Motivation ist auch die Anpassung an neue Umstände. „Man merkt schon, dass etwa bei Kartoffeln der Krankheitsdruck durch den Klimawandel höher wird, langfristig wird sich der Anbau wohl weiter nach Nordeuropa verlagern“, erklärt Engl.
Bausteine liefern, um die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft abzuschwächen, ist das Ziel des niederösterreichischen BOKU-Spin-offs Agrobiogel. CEO und CO-Founder Gibson S. Nyanhongo entwickelte mit seiner Forschungsgruppe an der Universität ein Wasserspeichergranulat, das auf natürlichen Rohstoffen basiert und helfen kann, längere Trockenphasen zu überbrücken. Seinen Sitz hat das 2020 gegründete Unternehmen in einer aufgelassenen Druckerei in Tulln, wo auch die Produktionsanlage steht, mit der jährlich im dreistelligen Tonnenbereich Granulat hergestellt werden kann. Marketing- und Vertriebsleiter Christoph Ertl zeigt einen Glasbehälter, in dem sich das schwarze, körnige Produkt befindet. „Ein Gramm kann zehn bis fünfzehn Gramm Wasser speichern“, erklärt er, „das Granulat saugt Flüssigkeit auf, dehnt sich aus, und gibt sie dann über einen längeren Zeitraum langsam wieder ab.“ Das Granulat wird in landwirtschaftliche Böden eingearbeitet. „Mehr Wasser wird im Wurzelraum gehalten, so sind Pflanzen besser vor Trockenstressperioden geschützt“, erklärt Tobias Keplinger, COO und CFO des Startups.
Alle beschäftigen sich mit Wasserknappheit
Wirksam ist das Produkt drei bis fünf Jahre, in der Zeit löst es sich langsam zu organischem Material auf. Ertl: „Das Granulat ist biozertifiziert und bringt aufgrund seines organischen Materials sogar eine Bodenverbesserung.“ Derzeit kommt Agrobiogel vorwiegend in Spezialkulturen – wie etwa Wein – oder in Gewächshäusern sowie Folientunnel in Südspanien und Italien zum Einsatz. Für den Einsatz in großen Feldkulturen ist das Produkt derzeit aufgrund der großen benötigten Mengen noch nicht wirtschaftlich, das soll sich aber ändern. Am Gelände des Zellstoff- und Bio-Energie-Herstellers Austrocel in Hallein entsteht derzeit eine neue Pilotproduktionsanlage. „Für die Skalierbarkeit brauchen wir Partner in der Industrie, in Hallein wollen wir demonstrieren, dass wir in großen Maßstäben produzieren können“, sagt Ertl. In eineinhalb Jahren will man in der Lage sein, ausreichend zu produzieren, um in die großflächige Vermarktung zu gehen. Der potentielle Bedarf sei riesig. „Es gibt keine:n Landwirt:in, der oder die sich nicht mit dem Thema Wasserknappheit beschäftigt. Früher war das Problem in Spanien und Italien präsent, heute ist es in ganz Europa angekommen“, sagt Keplinger. Weltweit betreiben etwa 60 Prozent der Getreidebauern und -bäuerinnen reinen Regenfeldbau ohne künstliche Bewässerung – und sind damit von der immer unberechenbarer werdenden Wetterlage abhängig._