Von Klima über Krieg bis Teuerung – wie geht die Landwirtschaft mit den aktuellen Veränderungen um? Im Gespräch mit Oberösterreichs Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger über eine herausfordernde Realität, der sich die Bäuerinnen und Bauern gerade stellen müssen. Die – trotz aller Schwere – völlig neue Zukunftschancen in sich birgt. In denen die Akteur:innen auf dem Feld eine noch wichtigere Versorgungsrolle in der Gesellschaft einnehmen werden.
Frau Landesrätin, wie geht es den Bäuerinnen und Bauern gerade?
Michaela Langer-WeningerEs ist eine herausfordernde Zeit. Wir erleben eine extreme Teuerung. Die Kosten für Düngemittel und Futtermittel haben sich zum Teil vervierfacht, für Saatgut verdoppelt. Die Produktpreise sind gestiegen, aber nicht im selben Maße. Dazu kommt das drängende Thema der Energieversorgung.
Dabei überdeckt die gegenwärtige Krise rund um den Krieg in der Ukraine ja das eigentliche Überthema unserer Zeit: den Klimawandel.
Michaela Langer-WeningerJa, der Klimawandel ist ein großes Thema für uns. Wir haben unsere Werkstatt unter freiem Himmel und sind abhängig vom Wetter. Der Klimawandel bringt die Gefahr von starken Wetterereignissen, von Hagel und Dürre. Hier sind Versicherungen wie die Hagelversicherung wichtig, um Existenzen abzusichern. Es braucht aber auch Anstrengungen von der gesamten Gesellschaft, um der Klimaveränderung entgegenzuwirken.
Welche Maßnahmen ergreift die Landwirtschaft derzeit selbst zur Anpassung an den Klimawandel?
Michaela Langer-WeningerIn Zusammenarbeit mit der Firma Saatbau entwickelt man etwa klimaresistentere Sorten, die besser mit der Trockenheit umgehen können. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Wald, der massiv unter den Extremen und dem Borkenkäfer zu leiden hat. Wir brauchen „klimafitte“, resiliente Wälder. Mit dem Waldfonds mit 350 Millionen Euro geht es an den Umbau in Richtung Mischwald. In eigens angelegten „Waldlaboren“ mit 40 verschiedenen Baumarten untersuchen wir in Oberösterreich in den nächsten Jahrzehnten, welche davon mit den extremeren Klimabedingungen besser umgehen können.
Die EU-Kommission gibt mit dem Green Deal ebenfalls klare Ziele vor – mit der Klimaneutralität bis 2030 beziehungsweise 2050.
Michaela Langer-WeningerDer Einsatz von Düngemitteln, Pflanzenschutz wie auch Antibiotika muss eingespart werden, es geht um 30 bis 50 Prozent Reduktion. Das muss man sich im Detail noch ansehen, wie dies funktionieren kann. Eine Vorgabe hat Österreich schon mit Bravour erfüllt: Bis 2030 will man europaweit einen Bioanteil von 30 Prozent erzielen – derzeit liegt er bei 7,7 Prozent. Österreich steht mit einem Anteil von 26 Prozent an der Spitze.
Als großer Treiber des Klimawandels gilt auch die Fleischproduktion.
Michaela Langer-WeningerDazu sollte man einige Zahlen kennen. Österreich besteht zu 50 Prozent der Landfläche aus Grünland. Doch für Gras benötigt es einen Wiederverwerter. Wir brauchen jemanden, der daraus für uns Menschen verzehrbares Eiweiß produziert – und das sind Wiederkäuer, wie Kühe, Schafe, Ziegen. Ihr Dünger wiederum bringt wertvollen Stickstoff zurück aufs Feld. So schließt sich der Kreis.
Eine weitere sehr einprägsame Zahl: Egal welche Pflanze ich anbaue, der Gewinn für den Menschen steht immer in einem Eins-zu-Vier-Verhältnis. Ein Teil der Feldfrucht ist für den menschlichen Verzehr geeignet, die restlichen vier Teile müssen anders verwertet werden. Etwa als Dünger auf dem Feld, als Tierfutter oder als Biomasse. Hier steckt noch viel Potential in der Kreislaufwirtschaft. Und in neuen Betätigungsfeldern für die Bäuerinnen und Bauern.
Die Landwirtschaft bringt gerade bei der Energiegewinnung vieles an Know-how mit. Ist das eine Zukunftsperspektive?
Michaela Langer-WeningerJa, definitiv. Bei der Energiewende wird Biomasse eine große Rolle spielen. Wir haben in Oberösterreich 70 Biogasanlagen und 320 Biomasseheizwerke, die Tausende Haushalte versorgen. Dies wird stetig ausgebaut, auch in Richtung Photovoltaik. Ab Herbst folgt der nächste Startschuss: in den „erneuerbaren Energiegemeinschaften“ können sich Kommunen, Landwirt:innen und die Bevölkerung zusammenschließen und Strom, von Wasser bis Biomasse, selbst erzeugen und regional vermarkten. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt in die Energieunabhängigkeit._
Unsere Bäuerinnen und Bauern haben ihre Werkstatt unter freiem Himmel.
Michaela Langer-Weninger
Agrarlandesrätin Oberösterreich
Zur Person
Michaela Langer-Weninger wuchs auf einem Bauernhof im Waldviertel auf. Sie engagierte sich von Jugend an in landwirtschaftlichen Organisationen. Die Biobäuerin führt mit ihrer Familie einen Biomilchbetrieb in Mondsee. Seit 2021 ist sie Agrarlandesrätin.