Wenn Wirtschafts-Landesrat Michael Strugl mit Wirtschaftsvertretern aus den USA spricht und dabei erwähnt, dass in Oberösterreich Gründungen mit öffentlichen Geldern gefördert werden, reagieren die verwundert. „Sie fragen mich dann immer, wie wir auf diese abartige Idee kommen, und wollen wissen, ob wir denn kein privates Kapital dafür haben“, sagt Strugl. Er antwortet dann: Ja, jede Menge. Aber wir bringen es nicht zu den Ideen. Für KMUs und Start-ups ist es schwer wie lange nicht, an Kapital zu kommen.
Bisher kaum Anreize für Investoren
Für Jürgen Mayerhofer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei KPMG in Linz, kein Wunder. „Es gibt in Österreich grundsätzlich keinen Anreiz für private Investoren, sich etwa an einem Start-up zu beteiligen, eher im Gegenteil“. Potentiellen Geldgebern werden zusätzliche Steine in den Weg gelegt. Wer in ein Unternehmen investiert, das später erfolgreich wird und dann seine Anteile verkaufen will, muss den Veräußerungsgewinn versteuern. Geht die Unternehmensidee aber nicht auf und das Unternehmen meldet Konkurs an, kann dieser Verlust nur sehr eingeschränkt genutzt werden. In anderen Ländern hingegen legt man potentiellen Investoren keine Steine in den Weg, sondern unterstützt sie bei ihrem Vorhaben. Das 2012 von der britischen Regierung beschlossene Wirtschaftsförderungsprogramm Seed Enterprise Investment Scheme ermöglicht es Investoren etwa, 50 Prozent der investierten Summe als Gutschrift auf die Einkommensteuer zu bekommen – bei einem Betrag von bis zu 100.000 Pfund. Zusätzlich sind die Erträge aus dem Investment von der Kapitalertragssteuer befreit. Das macht sich bemerkbar: Während in Österreich 2014 für Crowdinvesting-Projekte im Schnitt nur 40 Cent pro Kopf investiert wurden, waren es in Großbritannien 36 Euro pro Kopf. „Solche Modelle gehen sehr weit, sie wären natürlich grundsätzlich auch für Österreich denkbar“, sagt Mayerhofer. Die tatsächliche Umsetzung von ähnlichen Modellen sei aber – wie so oft – vom politischen Willen und den budgetären Mitteln abhängig.
Nachteile werden beseitigt
Der politische Wille wäre zumindest vorhanden: Mit der „Gründerstrategie“ sollen bis 2020 bis zu 50.000 Neugründungen und 100.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ambitionierte Ziel des Wirtschaftsministeriums: Österreich als Gründerland Nummer Eins in Europa. „Wir unterstützen den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur und machen so den Standort attraktiver“, sagt Wirtschafts-Staatssekretär Harald Mahrer. Insgesamt fünf Inkubatoren sollen neben Raum für Start-ups auch mit Beratungsleistungen unterstützen. „In der Gründerlandstrategie werden konkrete Maßnahmen und Rahmenbedingungen vorgestellt werden. Ob es tatsächlich gelingt, Österreich zum Gründerland Nummer Eins zu machen, wird aber daran liegen, ob und wie schnell diese Maßnahmen auch umgesetzt werden“, sagt Mayerhofer. „Dass man sich überhaupt diese hohen Ziele gesetzt hat, ist aber schon einmal positiv – sie zu erreichen, wird jedenfalls ein langer und schwieriger Weg.“ Die Abschaffung der Gesellschaftsteuer Anfang 2016 hätte jedenfalls die Attraktivität des Standortes bereits erhöht. Seit dem 1. Jänner wird die Eigenmittelzufuhr zur Stärkung des Eigenkapitals nicht mehr bestraft. „So wurde zumindest ein Nachteil im Vergleich zu anderen europäischen Ländern beseitigt“, sagt Mayerhofer. Auch das neue Alternativfinanzierungsgesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Dadurch werden die Unternehmen mittel- oder langfristig profitieren, die Frage ist nur, wie die Gesetzesänderung bei den Anlegern ankommt.“ Das neue Gesetz erlaubt Anlegern, künftig bis zu 5.000 Euro im Jahr zu investieren, unter Umständen sogar mehr. Zusätzlich steigt die Grenze jener Summe, die durch Crowdinvesting in ein Unternehmen investiert werden darf, von bisher 250.000 auf fünf Millionen Euro an. „Ein weiteres positives Signal ist die Erhöhung der Forschungsprämie von zehn auf zwölf Prozent“, glaubt Mayerhofer.
Die Junge Wirtschaft (JW) Oberösterreich fordert einen Beteiligungsfreibetrag von 100.000 Euro, der Unternehmern und Gründern den Zugang zu Risikokapital erleichtern soll. „Da es für Gründer nahezu unmöglich ist, über Banken an Kapital zu bekommen, müssen private Investitionen attraktiver gemacht werden“, sagt Bernhard Aichinger, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Oberösterreich. Aichinger selbst gründete im Mai 2010 das Unternehmen E-Conomix, das seinen Kunden Lösungen im E-Business anbietet. Er selbst war in der Gründungsphase nicht auf Fremdkapital angewiesen, kennt jedoch die Probleme zahlreicher anderer Gründer. „Die Start-up-Szene ist im Aufschwung, es mangelt nicht an kreativen und mutigen Ideen, dafür aber an Kapital, diese auch umzusetzen“, sagt er. Gerade jetzt wären deswegen Reformen wichtiger denn je. „So ein Beteiligungsfreibetrag könnte dazu beitragen, private Mittel für Unternehmen zu mobilisieren“, glaubt Aichinger. Offen sei aber die konkrete Ausgestaltung.
Neue Unternehmensformen?
Damit Unternehmen leichter an Eigentum kommen, wünschen sich die NEOS in ihrem Strategiepapier die Einführung einer neuen Unternehmensform – der Klein AG. Mayerhofer ist skeptisch: Gerade in der Anfangsphase sei es schwierig, sich für die richtige Unternehmensform zu entscheiden. „Die Forderung sieht neben einem geringen Grundkapital unter anderem auch die Einschränkung der Kontrollrechte vor“, sagt Mayerhofer, „man darf aber nicht vergessen, dass Investoren gerade Mitspracherechte und auch Transparenz wollen“. Ein Instrument für ihn wäre die Schaffung von attraktiveren Rahmenbedingungen für Börseeinführungen von KMUs. Klar sei jedenfalls: „Bisher ist es so, dass die vorrangige Veranlagungsform immer noch das Sparbuch ist – man müsste die Österreicher dazu bewegen, mehr in Unternehmen zu investieren, und das wird schwierig.“_
Jürgen Mayerhofer
Der 40-Jährige betreut seit mehr als fünfzehn Jahren Unternehmen als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei KPMG. Die Anfragen seiner Kunden hätten sich in dieser Zeit stark verändert. „Dadurch dass die Gesetzesänderungen stetig steigen und die Steuergesetzgebung sehr komplex ist, spüren wir eine Unsicherheit bei unseren Kunden.“ Er sieht aber bereits erste Initiativen, welche die Komplexität der Steuergesetze zumindest verringern und Ausnahmeregelungen zurücknehmen wollen.
KPMG
KPMG International ist ein Netzwerk aus Unternehmen in den Bereichen Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung. 2015 arbeiteten mehr als 174.000 Menschen an 155 Standorten weltweit für KPMG, 1.200 davon in Österreich. Hier ist man mit acht Standorten vertreten: Wien, Linz, Graz, Innsbruck, Salzburg, Bregenz, Klagenfurt, Mödling.