MICHAEL STRUGL
Der andere geht in die Wirtschaft und kommt aus der Politik
„Politik war immer etwas, das ich nur auf Zeit machen wollte“, sagt Michael Strugl. Sein Wechsel in die Wirtschaft hat sich abgezeichnet, für viele kam er nun dennoch überraschend. Wir haben Strugl mitten im intensiven Übergabeprozess an Nachfolger Markus Achleitner getroffen. Seinen Part in der Landesregierung hat er bis zum letzten Moment voll ausgefüllt. Und eine „ruhige Kugel“ will Strugl auch beim Verbund nicht schieben. Der neue Job im Vorstand des Verbunds wird mich voll fordern.
Wenn Sie auf die Zeit in der Oberösterreichischen Landesregierung zurückblicken, was waren die größten Herausforderungen?
Strugl_Am Anfang waren es sicher die Ausläufer der großen Wirtschaftskrise von 2008, die 2013 immer noch gewirkt haben. Wir hatten kein Wachstum, wir hatten einen Rückgang der Investitionstätigkeit, eine stark steigende Arbeitslosigkeit – also die wirtschaftliche Dynamik war extrem schwach. Dazu sind Elementarereignisse wie das große Hochwasser von 2013 gekommen. Das hat uns im Tourismus stark getroffen. Dann gab es Firmenzusammenbrüche wie die Alpine, Daily, Doubrava oder Pabneu. Das alles hat innerhalb kürzester Zeit auch auf dem Arbeitsmarkt eingeschlagen. Der Ehrgeiz war da, den oberösterreichischen Wirtschaftsstandort aus dieser schwierigen Situation heraus wieder an die Spitze zu führen und nicht nur innerhalb Österreichs, sondern in Europa zu den besten Regionen zu gehören. Heute, fünf Jahre später, sind wir mit 3,3 Prozent Wirtschaftswachstum Wachstumssieger in Österreich. Wir sind wieder Nummer eins am Arbeitsmarkt und wir haben ein stabiles Wachstum bei den Investitionen vier Prozent. Es wird so viel investiert wie schon lange nicht, sowohl was Ansiedlungen, als auch was Erweiterungen betrifft. Wir haben gut gearbeitet, es ist sehr viel passiert in fünfeinhalb Jahren, aber es ist nicht so, dass wir heute sagen können: „Es ist alles wunderbar.“ Heute haben wir dafür andere Herausforderungen wie den Fachkräftemangel.
Was hätten Sie im Nachhinein gesehen anders gemacht?
Strugl_Im Großen und Ganzen haben wir mehr richtig als falsch gemacht. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, wir sind mit allem zufrieden, aber ich glaube, die Richtung hat gestimmt.
Was hätten Sie gerne noch geschafft?
Strugl_Wesentlich mehr erhofft habe ich mir bei der Breitbandmilliarde des Bundes – der Ausbau geht sehr schleppend voran, auch wenn Oberösterreich bei der Abholung der Mittel das schnellste Bundesland war. Wir haben zwar sehr viele Projekte auf den Weg gebracht, aber eigentlich sind das nur Tropfen auf den heißen Stein – da brauchen wir einfach vom Bund mehr Geld. Zusätzliche Investitionen brauchen wir auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur – jeder, der im Land unterwegs ist, kann das sehen. Nicht gut vorangekommen sind wir damit, dass Hagenberg wieder aufgeladen wird. Da haben uns allerdings Dinge aufgehalten, die wir selber nicht beeinflussen konnten, wie Schwierigkeiten bei der Besetzung der Professuren. Es gibt also schon noch Dinge, die intensiv verfolgt werden müssen. Würde ich noch länger in der Landesregierung bleiben, hätte allerdings der Fachkräftemangel oberste Priorität. In Qualifizierungsmaßnahmen haben wir zwar schon viel investiert, aber da geht einfach auch demografisch die Schere auf.
In welchen Bereichen waren Sie am meisten persönlich engagiert?
Strugl_Da möchte ich eigentlich gar nichts herausnehmen. Der größte Erfolg war, dass wir ein Standortressort gegründet haben. Das haben wir geschafft und das bleibt auch erhalten, wenn ich weggehe. Dieses Ressort hat eine derartige Breite, dass ich jetzt nicht sagen würde, die Wirtschaft ist mir wichtiger als der Arbeitsmarkt oder die Energie ist mir wichtiger als der Tourismus oder die Forschung ist mir wichtiger als das Beteiligungsmanagement – das alles wirkt zusammen und das macht auch die Konzeption des Standortressorts aus. Man muss das als großes Bild verstehen, um den Mehrwert zu sehen.
Was sind Ihrer Ansicht nach die bleibenden Dinge, die Sie Oberösterreich hinterlassen?
Strugl_So denke ich nicht. Wir haben wieder auf die wirtschaftliche Erfolgsspur gefunden, haben Dynamik erzeugt und wir haben in den Bereichen Schwerpunkte gesetzt, die uns als Wirtschaftsstandort international konkurrenzfähig machen – das sind Innovation, Forschung und Entwicklung sowie die Digitalisierung beziehungsweise die Vorbereitung des Standortes auf diesen großen, globalen Technologietrend, vor allem mit der Leitinitiative Digitalisierung. In der Forschung sind uns Dinge geglückt, die nachhaltig wirken werden: die Beteiligung an Silicon Austria, die Pilotfabrik und das Linz Institute of Technology. Mit Symbiotic Mechatronics haben wir ein Spitzenforschungszentrum auf internationalem Niveau geschaffen und mit Professor Sepp Hochreiter konnten wir eine Koryphäe auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz halten und bauen rund um ihn ein Artificial Intelligence Lab auf.
Welche Ihrer als Politiker erlangten Kompetenzen können Sie im Wirtschaftsalltag besonders gut einsetzen?
Strugl_Man lernt in der Politik, strategisch zu denken – erst recht, wenn es um einen so breiten Verantwortungsbereich geht. Man darf da nicht linear denken und mechanisch agieren, sondern muss das im Kontext und vernetzt tun. Auch im strategischen Ansatz muss man sehr viele Dinge berücksichtigen – man lernt als Politiker, zu verhandeln, zu überzeugen, sich durchzusetzen, aber auch alle „mitzunehmen“. Außerdem lernt man, sich damit auseinanderzusetzen, wie die andere Seite die Dinge sieht. Und man muss in der Politik langfristig denken, also nicht in Quartalen oder Geschäftsjahren, selbst Legislaturperioden sind oft zu kurz, um strategische Ziele zu erreichen.
Welche gravierenden Veränderungen in Ihrem Alltag erwarten Sie?
Strugl_Ich übersiedle in ein Unternehmen, dessen Größenordnung mir einen gewissen Respekt abverlangt, werde aber an diese Aufgabe genauso strukturiert herangehen, wie ich an meine politischen Aufgaben herangegangen bin. Verändern wird sich vor allem eines: Ich muss keine Wahlen und Abstimmungen mehr gewinnen, sondern muss Ergebnisse liefern. Auch hier hatte ich Zahlen vorzuweisen, aber in einem Unternehmen ist es trotzdem anders. Die politische Diskussion ist meistens emotionaler. Privat verändert sich der Alltag dadurch, dass meine Frau und ich nach Wien ziehen.
Gibt es einen Ratschlag, den Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg mitgeben würden?
Strugl_Wir haben den Übergabeprozess sehr intensiv angelegt. Das läuft über Wochen schon sehr strukturiert, von Ressortbereich zu Ressortbereich. Die Dinge sind aufbereitet und dokumentiert und ich bespreche mit Markus Achleitner auch alles, was zwischen den Zeilen steht. Insofern glaube ich sagen zu können, dass ich nicht nur ein geordnetes Ressort übergebe und ein exzellentes Team hier im Büro, sondern dass wirklich alles sehr gut vorbereitet ist, damit Achleitner übernehmen kann. Dort, wo es nötig ist und er mich fragt, gebe ich gerne einen Rat. Das Einzige, was ich öffentlich zu ihm sagen würde, ist, dass er seinen eigenen Weg gehen soll. Denn wenn man nur in den Fußstapfen des Vorgängers geht, hinterlässt man keine eigenen Spuren. Er wird das anders machen als ich, aber er wird es sehr gut machen. Alles andere habe ich ihm unter vier Augen gesagt.
Wenn Sie nicht zum Verbund wechseln würden, was hätten Sie dann gemacht?
Strugl_Der Wechsel zum Verbund hat sich jetzt einfach ergeben – eine Chance, die ich letztendlich nutzen wollte. Es war immer Teil meiner Lebensplanung, nicht als Politiker in Pension zu gehen, sondern nach der Politik etwas Anderes zu machen und wieder in die Wirtschaft zu gehen. Politik war für mich etwas wirklich Großartiges, das ich mit jeder Faser meines Herzens gerne gemacht habe, aber es war immer so angelegt, dass ich es auf Zeit machen will. Es hätte daher auch ein anderes Unternehmen sein können. Ich war schon einmal kurz davor, wollte mich eigentlich damals beim Wechsel auf Thomas Stelzer um die Nachfolge von Leo Windtner als Energie AG-Generaldirektor bewerben. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Energie AG, als Energiereferent in der Regierung, als Obmann des Energieinstituts an der Uni war das irgendwie schlüssig. Die Energiebranche ist da sehr naheliegend. Stelzer hat mich damals motiviert, in der Landesregierung weiterzumachen – er meinte, er hätte gerne noch einen Teil gemeinsam gemacht, und das haben wir dann auch getan. Der Wechsel zum Verbund hat sich jetzt einfach ergeben.
Stelzers Segen haben Sie also?
Strugl_Ja, er hat das unterstützt – obwohl es ihm natürlich genauso recht gewesen wäre, wenn ich weitergearbeitet hätte.
Glauben Sie, dass Sie künftig mehr oder weniger Freizeit haben werden?
Strugl_Also einen Drei-Milliarden-Betrieb führt man nicht als Teilzeitjob. Ich gehe davon aus, dass ich auch dort voll gefordert bin und meine ganze Kapazität dort einbringen werde. Allerdings werde ich weniger fremdbestimmt sein, was die Termine betrifft – diesbezüglich werde ich mehr Gestaltungsspielraum haben. Aber ich werde nicht weniger leisten müssen. Darüber hinaus ist mehr als die Hälfte meines Gehaltes leistungsbezogen. Ich gehe jedenfalls nicht zum Verbund, um eine ruhige Kugel zu schieben, sondern weil es eine neue Herausforderung ist und weil ich wieder Gas geben will._
gedanken
von Michael Strugl
Ende 2019 würde ich gerne von mir sagen können_ dass ich in meiner neuen Aufgabe gut angekommen bin, dass nach einem Jahr dort im Vorstand bereits meine Handschrift erkennbar ist und dass die Zahlen stimmen, die wir dann vorlegen.
Ich wünsche mir, dass die Menschen über meine Zeit in der Landesregierung sagen_ dass sehr viel passiert ist und dass Oberösterreich zurück auf den wirtschaftlichen Erfolgsweg gefunden hat.
Klassik oder Pop?_ Beides, aber heute mehr Klassik als früher.
Wirtshaus oder Haubenlokal?_ Da hat Oberösterreich in beiden Kategorien ein hervorragendes Angebot.
Regionalliga oder Champions League?_ Lieber Champions League, die Regionalliga haben wir hinter uns.
Worüber können Sie lachen?_ Über einen sehr trockenen Humor. Manchmal auch über mich selbst.
Und wann vergeht Ihnen das Lachen komplett?_ Wenn es in meinem unmittelbaren persönlichen Umfeld jemandem schlecht geht.
Gibt es eine Innovation, die Sie besonders herbeisehnen? Egal was._ Den Quantencomputer.