Was sagen Sie einem Unternehmer, der eine offene Stelle per Zeitungsinserat ausschreibt?
PRESLMAYERWenn man einfach nur dringend ein paar Leute braucht, kann man natürlich eine isolierte Ad-hoc-Aktion starten. Damit kann er aber sehr viel Geld verbrennen, ohne dass es den Eingang an Bewerbungen bringt, den er gerne hätte. Daher frage ich ihn zuerst, ob und wie seine Arbeitgebermarke definiert ist.
Warum sollte ein Unternehmen in die Entwicklung einer solchen Marke investieren?
PRESLMAYERWeil ich sonst keine Geschichte erzählen kann, wer ich als Arbeitgeber bin. Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, wo man als Arbeitgeber sagen konnte: Die Leute sollen froh sein, dass sie bei mir arbeiten dürfen und bezahlt werden. Heute bewirbt sich der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer – die totale Umkehr dessen, wie es noch vor zehn oder fünfzehn Jahren war. Ein gut ausgebildeter Arbeitnehmer mit hohen fachlichen und sozialen Fähigkeiten kann wählerisch sein und bei dem besten Angebot andocken.
Was spielt bei der Wahl des besten Angebots eine größere Rolle: Image oder Geld?
PRESLMAYEREs gibt Jobs, bei denen das Gehalt eine Motivation ist zu wechseln, aber es ist als Lockmittel nicht nachhaltig. Wenn der Mitarbeiter im neuen Unternehmen nicht das vorfindet, was er sich erwartet, wird er es wieder verlassen oder auf Dienst nach Vorschrift umschalten. Als Unternehmer wünscht man sich aber Mitarbeiter, die mitdenken, mitarbeiten und den unternehmerischen Spirit mittragen. Und dabei entscheiden letztlich die Soft Facts, ob sich jemand hingezogen und dazugehörig fühlt.
Welchen Beitrag kann Employer Branding hier leisten?
PRESLMAYEREs geht nicht darum, die von der Qualifikation her richtigen, sondern die zur Unternehmenskultur passenden Mitarbeiter zu finden. Kernaufgabe eines jeden Unternehmens ist es, Mitarbeiter zu halten und eine entsprechende Beziehung aufzubauen. Es ist sowohl monetär als auch zeitlich wesentlich aufwändiger, neue Mitarbeiter zu rekrutieren und ins Unternehmen einzuführen, bis sie den gewünschten Output bringen.
Woran erkennt man, ob ein Mitarbeiter zum Unternehmen passt?
PRESLMAYEREine gute Arbeitgebermarke hat Ecken und Kanten: Wie ticken wir, wie ist unsere Haltung, wofür steht das Unternehmen. Da wissen Bewerber und Mitarbeiter, woran sie sind. Vielleicht verlassen auch einzelne Mitarbeiter das Unternehmen, weil sie sagen, das ist nicht mehr meine berufliche Heimat. Dafür schafft man Anziehungskraft für andere, die besser zum Unternehmen passen. Ein gut geführter und gelebter Employer-Branding-Prozess ist eine der wichtigsten Investitionen in eine gesicherte Firmenzukunft.
Wie findet ein Unternehmen zu seiner individuellen Arbeitgebermarke?
PRESLMAYERMan muss mit den Menschen reden, die schon im Unternehmen arbeiten. Das ist nicht mit einem zweistündigen Meeting der Abteilungsleiter erledigt, sondern es braucht intensive Gespräche mit unterschiedlichen Gruppen und Einzelpersonen von der Produktion bis zur Geschäftsführung. Es geht darum, das emotionale Potential zu finden, wo die meisten Mitarbeiter sagen: Genau das ist es, was mich antreibt! Ein gutes Employer Branding sollte mit ein oder zwei Sätzen auskommen, die aber so überspitzt sind, dass sie das Unternehmen gut charakterisieren.
Das klingt nach einem langwierigen Prozess. Woran hakt es in der Praxis?
PRESLMAYERAm Mut, sich zu etwas zu bekennen. In der Erarbeitung und der Definition des Arbeitgeberversprechens ist man noch sehr euphorisch, aber wenn es darum geht, das nach innen zu kommunizieren, kommen Zweifel auf. Trauen wir uns, das so zu behaupten? Wenn es Ecken und Kanten hat, wird es den einen oder anderen an- und aufregen. Da muss man in einen Dialog treten und argumentieren können. Und im nächsten Schritt muss es für jeden greifbar und klar sein, was das für ihn konkret bedeutet. Man soll nicht einfach nur etwas hinschreiben und darauf hoffen, dass nichts passiert, sondern im Gegenteil: Employer Branding kann und soll die gesamte Organisation verändern.
In welchen Bereichen?
PRESLMAYERViele denken bei Employer Branding nur an den Recruiting-Prozess, dabei ist das nur einer von vielen Outputs einer guten Arbeitgebermarke. Sie berührt sowohl interne als auch externe Prozesse: Wie kommuniziere ich mit den Mitarbeitern und nach außen, wie sieht der Bewerbungsprozess und das Onboarding aus, wie agiert und reagiert die Führung? Wenn der Vorstandsvorsitzende, der Eigentümer oder der Gründer dieses Thema nicht transportieren kann, geht der Schuss nach hinten los. Wie Menschen ein Unternehmen führen und mit den Mitarbeitern umgehen, ist ein entscheidender Faktor, ob man dort arbeiten will oder nicht.
Was kann ein Unternehmen tun, das keine knackige Geschichte anzubieten hat?
PRESLMAYERJedes Unternehmen hat eine spannende Geschichte, und die gilt es zu finden und zu beschreiben. Es geht darum, sich bewusst zu machen, was das Unternehmen ausmacht. Es muss nicht immer diese coole Start-up-Atmosphäre sein. Manche sehnen sich zum Beispiel nach Verlässlichkeit, Stabilität und Sicherheit, wie sie ein gewachsenes Familienunternehmen vermittelt.
Die Unternehmen sollen sich also möglichst authentisch präsentieren?
PRESLMAYERMan wird relativ schnell entlarvt, wenn man etwas verspricht, was im Unternehmen gar nicht vorhanden ist. Mitarbeiter sind nicht blöd. Die leben von der Emotion, die sie tagtäglich spüren. Die Arbeitgebermarke muss eine Bedeutung haben für die kleinste Position im Unternehmen, für die Putzfrau, für den Portier, für den Außendienstmitarbeiter. Das Versprechen der Marke muss glaubwürdig sein und gelebt werden. Dann werden Mitarbeiter zu Fürsprechern, die das Unternehmen in ihrem Umfeld positiv darstellen.