Zurück im Jahr 1874. Das Kohlezeitalter steht in voller Blüte, als der Schriftsteller Jules Verne das Unglaubliche prophezeit – den Niedergang der Kohlewirtschaft: „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, schreibt er damals und ist seiner Zeit einmal mehr weit voraus. Ähnlich visionär agiert das oberösterreichische Unternehmen Fronius. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten werden in Thalheim bei Wels Wasserstofflösungen erforscht und entwickelt.
Seit 20 Jahren erforscht und entwickelt Fronius Wasserstofflösungen und wurde so zum Innovationsführer im Umgang mit solarem Wasserstoff. Was das Unternehmen mit dem enormen Erfahrungsschatz nun alles vorhat, verraten Thomas Rührlinger und Christian Kasberger im Interview.
Was lässt sich alles mit Wasserstoff realisieren?
RÜHRLINGER_Zusammen mit der Brennstoffzelle hat er das Potential, die gesamte Energieversorgung zu revolutionieren. Ob als Treibstoff im Verkehr oder als Energielieferant zur Strom- und Wärmeerzeugung: Wasserstoff ermöglicht den Einsatz erneuerbarer Energieträger in all diesen Bereichen.
Die treibenden Kräfte für eine schnelle Abkehr von den fossilen Energieträgern sind die begrenztenRessourcen, aber mehr noch das Vorhaben der schnellen Verringerung von CO2-Emissionen, die als wesentliche Klimakiller gelten. Wo stehen wir – wo müssen wir hin?
RÜHRLINGER_Wir stehen ganz klar am Anfang. Die Energiewende benötigt verschiedene Bausteine. Ein ganz wichtiger ist, dass man möglichst viel erneuerbare Energie mittels Photovoltaik, Wind- und Wasserkraftwerken erzeugt. Die Transformation des Energiesystems braucht Möglichkeiten, um den grünen Strom in die Mobilität und Industrie zu bringen. Dafür gibt es verschiedene Optionen wie Batteriespeicher, die bereits in Einfamilienhäusern oder batterieelektrischen Fahrzeugen eingesetzt werden. Für die Umstellung der gesamten Energieversorgung braucht es einen erneuerbaren Energieträger. Das kann grüner Wasserstoff sein. Technisch ist bereits sehr viel möglich, die Herausforderungen sind die Wirtschaftlichkeit und der Roll-out. Es braucht Förderungen, um die ersten Business-Cases zu ermöglichen.
Spielt bei der Serienreife nicht auch das Thema Lagerung eine Rolle?
RÜHRLINGER_Wasserstoff ist, wenn man ihn erzeugt, ein Gas und kann gut gespeichert werden. Es gibt auch die Möglichkeit, Wasserstoff zu verflüssigen. Das wird bei industriellen Anwendungen teilweise gemacht: Dabei muss der Wasserstoff allerdings auf unter -250 Grad Celsius abgekühlt und auf dieser tiefen Temperatur gehalten werden. Wir speichern das Wasserstoffgas komprimiert mit hohem Druck, um dann auf sehr geringem Volumen viel Energie auch für längere Zeit zu speichern.
Der Nachteil ist also, dass Wasserstoff oft aus fossilen Energieträgern gewonnen werden muss?
RÜHRLINGER_Ich würde sagen, dass über 95 Prozent des Wasserstoffes, der momentan genutzt wird, noch aus fossilen Energieträgern kommt – mit den damit verbundenen klimaschädlichen CO2-Emissionen. Aus unserer Sicht ist es nur sinnvoll, wenn Wasserstoff zukünftig durch erneuerbare Energieträger erzeugt wird. Da stehen wir noch am Anfang.
KASBERGER_Für mich ist der einzige sinnvolle Weg, aus Wasser selbst Wasserstoff zu erzeugen, alle anderen Möglichkeiten erachte ich für nicht nachhaltig.
Wie riskant ist die Lagerung des leicht entflammbaren Gases?
RÜHRLINGER_Das Gas ist vergleichbar mit Erdgas. Das ist bei falscher Handhabe explosiv und brennbar. So ist auch Wasserstoff einzustufen. Es gibt kein Energiespeichermedium, das große Energiemengen speichert und sie bei fehlerhafter Handhabung nicht freisetzen würde. Man muss das Ganze sorgsam behandeln und Sicherheitsvorkehrungen treffen. Wir als Unternehmen Fronius wissen mittlerweile sehr genau, worauf es ankommt, weil wir uns seit fast 20 Jahren damit beschäftigen.
KASBERGER_Wasserstoff ist natürlich ein explosives Thema, das bei Gesprächen mit fachfremden Personen immer zur Diskussion steht, aber wenn man richtig damit umgeht, ist er absolut nicht gefährlich.
„Für mich ist der einzige sinnvolle Weg, aus Wasser selbst Wasserstoff zu erzeugen, alle anderen Möglichkeiten erachte ich für nicht nachhaltig.“
Christian Kasberger
ist Abteilungsleiter System Engineering & Development und verantwortlich für die Planung des derzeit in Bau befindlichen Wasserstoffkompetenzzentrums in Steinhaus bei Wels.