Lukas P. ist 28 Jahre alt. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Mechatroniker. Vor drei Jahren hat er sich dazu entschieden, in der Abend-HTL für Berufstätige sei- ne Matura nachzuholen. Tagsüber arbeitet er, abends geht er zu Schule und nachts lernt er. Den 50-minütigen Arbeitsweg nimmt er auf sich. So ist es immer noch bequemer als sich bei seinem engen Zeitplan auch noch um den Einkauf und den Haushalt kümmern zu müssen. Das alles macht seine Mutter für ihn – Lukas wohnt noch bei seinen Eltern.
Damit ist er nicht allein. Laut einem Bericht des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien wohnen junge Leute heute viel länger im Hotel Mama als früher. Diese Entwicklung zeichnet sich bereits seit den 1970er-Jahren ab. Bei den 30- bis 34-jährigen Männern wird sie besonders deutlich: Die Zahl der noch bei den Eltern lebenden Männer hat sich verdoppelt – 2001 waren es fast 20 Prozent. Damit liegt der Anteil derer, die mit 30 noch nie von den Eltern getrennt gelebt haben, im europäischen Vergleich sehr hoch. Vorneweg rangieren Italien, Portugal und Spanien. In Frankreich, den Niederlanden und Schweden lebt mit 30 kaum noch jemand bei den Eltern. Was sind nun aber Gründe für die zunehmende Zahl an Nesthockern? Laut Christine Geserick, Soziologin am Institut für Familienforschung in Wien, sind mehrere Faktoren für den späten Auszug der heutigen jungen Erwachsenen verantwortlich. „Wohnraum wird immer teurer und viele junge Erwachsene können sich einfach keine eigene Wohnung leisten, vor allem dann, wenn sich die Ausbildungsphase um die heute oft notwendigen Zusatzqualifikationen wie Auslandsjahr und Praktika verlängert. Damit zieht sich die ökonomische Abhängigkeit von den Eltern in die Länge“, erklärt Geserick. Aus ihrer Sicht sei es aber positiv zu sehen, dass sich Eltern und Kinder heute partnerschaftlicher begegnen. Eltern seien insgesamt weniger streng zu ihren Kindern. Das trage dazu bei, dass Kinder nicht mehr so schnell wie früher der elterlichen Aufsicht entfliehen wollen, sobald sie volljährig sind.
Leistbarer Wohnraum ist Mangelware
Länger bei den Eltern zu wohnen, erleichtert die finanzielle Situation also immens, besonders vor dem Hintergrund, dass die Mietpreise in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen sind. Aus den aktuellen Zahlen der Statistik Austria geht hervor, dass davon vor allem neue und damit meist junge Mieter betroffen sind. In den vergangenen fünf Jahren habe es einen Anstieg der Nettomieten von 3,4 Prozent gegeben, was deutlich über der Inflationsrate liegt.
Wohnbau-Landesrat Manfred Haimbuchner spricht in diesem Zusammenhang ebenfalls gesellschaftliche Veränderungen und vor allem die steigenden Wohnkosten an: „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Aufwand für Wohnen aus verschiedenen Gründen erhöht. Vor allem, weil die Gehälter nicht so gestiegen sind, wie man sich das erwartet hat.“ Um dem entgegen zu wirken, hat sich die oberös- terreichische Landesregierung nun dazu entschlossen das Projekt „Junges Woh- nen“ zu realisieren. Es soll dabei speziell für junge Menschen zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Konkret heißt das: Es werden Wohnungen mit einer Größe von 30 bis 65 Quadratmeter für 220 bis 420 Euro inklusive Betriebskosten errichtet. Je nach Größe werden die Wohnungen ein, zwei oder drei Räume umfassen. „Mit einer erhöhten Förderung seitens des Landes Oberösterreich können wir Wohnraum günstiger zur Verfügung stellen. Die Wohnungen in diesem Modell sind leistbarer als die derzeitigen Wohnungen in dieser Größe. Außerdem reden wir hier vom Neubaubereich.“ Bezüglich der Finanzierung ist von einer Anhebung der Landesförderung von 58 auf 66 Prozent die Rede.
Haimbuchner betont, wie wichtig es ist, dass auch tatsächlich Objekte errichtet werden und die Menschen nicht mit einem reinen Mietkostenzuschuss unterstützt werden. Dies würde zu einer Abhängigkeit der Mieter von staatlichen Mietenzuschüssen führen. Bereits 2016 sollen junge Wohnungssuchende in die neuen Wohneinheiten einziehen können. Wo diese errichtet werden, stehe jedoch noch nicht fest. „Was die Finanzierung betrifft, haben wir uns am altersgerechten Wohnen ein Beispiel genommen und das für junge Menschen umgelegt. Sowohl ältere Menschen als auch junge Menschen, die in das Berufsleben einsteigen, haben eine relativ kleine Geldbörse“, sieht Haimbuchner die Notwendigkeit des Projekts.
Generationsübergreifend denken – und wohnen
Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung spielen die Gemeinden und Kommunen, das Land Oberösterreich sowie die gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft WSG, die als einer der Bauträger fungieren wird. Vorstandsobmann Heinz Rechberger betont die Bedeutung des Wohnraums für junge Menschen: „Die WSG hat schon vor zwei Jahrzehnten generationsübergreifend gedacht und auch gebaut, und zwar ein Haus für ganz junge Familien mit Kindern und Senioren durchmischt. Jetzt liegt der Fokus auf den jungen Wohnungssuchenden. Damit wird eine Lücke geschlossen. Junge Menschen auf Wohnungssuche, die wenig Einkommen aber zu Recht ihre Ansprüche haben und versorgt werden müssen – dieses Projekt werden wir aufgreifen.“
Genauso wie Haimbuchner setzt auch er auf die Unterstützung der Gemeinden. Auf der einen Seite können sie entscheidend zu einer Senkung der Kosten beitragen, indem sie Baurechtsgrundstücke zur Verfügung stellen. Doch auch bei der Vergabe der Wohnungen spielen sie eine wesentliche Rolle. Durch die Nähe zur Bevölkerung können sie den Wohnungsbedarf beurteilen und anhand von zu erfüllenden Voraussetzungen entscheiden, wer die Wohnungen bekommen soll.
Bei der Ausstattung der Wohneinheiten sind sich Rechberger und Haimbuchner einig: Die Wohnungen müssen funktional, gut gelegen und vor allem leistbar sein. Abgesehen vom Projekt „Junges Wohnen“ können Wohnungssuchende grundsätzlich immer um geförderte Wohnungen einer Genossenschaft ansuchen. Die enorme Nachfrage führt jedoch zu langen Wartezeiten. Die WSG verzeichnet in Linz derzeit 5.300 Vormerkungen. Daneben spielt die Wohnbeihilfe eine wichtige Rolle. Bei nicht geförderten Wohnungen kann sie bis zu 200, bei Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen bis zu 300 Euro betragen. Obwohl das Land Oberösterreich die Wohnbeihilfe 2012 gekürzt hat – und sich dabei sehr viel Kritik unterziehen musste – gibt Oberösterreich laut Haimbuchner für die Wohnbauhilfe im Bundesländervergleich die höchsten Beträge aus. „Ich bin vor der Entscheidung gestanden, ob wir die Wohnbeihilfe nicht anrühren und dafür beim Neubau sparen. Wenn wir beim Neubau gespart hätten, wäre die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Baufirmen wären auch in Oberösterreich in eine Schieflage geraten.“
Neben der Wohnbeihilfe wird auch die Wohnbauförderung novelliert. In nächster Zeit soll die sogenannte Gesamtenergieeffizienz auch im mehrgerschoßigen, geförderten Wohnbau eingeführt werden. Beim jungen Wohnen sei diese bereits implementiert worden. Es gehe vor allem darum, ein Gebäude ganzheitlich zu betrachten. „Leider wird zu viel Wert auf den reinen Heizwärmebedarf gelegt und alles andere außen vor gelassen. Es heißt immer, ein Objekt ist umso besser, je weniger man für die Heizung aufwenden muss. Dabei wird oft vergessen, dass man zwar für die Heizung weniger braucht, man aber auf der anderen Seite mehr Strom einsetzen muss, was auch wieder der Mieter zu zahlen hat“, erklärt Haimbuchner.
Blickt man über die Grenzen von Oberösterreich hinaus und betrachtet die einzelnen Bundesländer, reichen die durchschnittlichen Mietkosten (inkl. Betriebskosten) pro Wohnung von 384,7 Euro in Kärnten bis 533,5 Euro in Vorarlberg. Mit 437 Euro zählt Oberösterreich noch zu den günstigeren Wohngebieten. Heinz Rechberger ist überzeugt, dass auch in den nächsten Jahren die Nachfrage nach Miet- und Eigentumswohnungen ungebrochen sein wird. Somit sind Projekte wie „Junges Wohnen“ mehr als willkommen, um die aktuelle Wohnsituation für junge Menschen zu erleichtern – und vielleicht dann doch jene zur Unabhängigkeit zu bewegen, die ein gemachtes Bett, einen vollen Kühlschrank und die Gesellschaft der Eltern bisher den eigenen vier Wänden vorgezogen haben.