Ob kleiner Handwerksbetrieb oder globaler Großkonzern: Die Bandbreite an Familienunternehmen ist groß. Und sie rocken. Oder besser gesagt: brummen. Denn die 157.000 Familienunternehmen werden gern als Motor der österreichischen Wirtschaft bezeichnet und erweisen sich als widerstandsfähig in Krisenzeiten.
Rund 88 Prozent der österreichischen Unternehmen sind Familienunternehmen, ohne die Anzahl der Ein-Personen-Unternehmen sind es immer noch mehr als die Hälfte. Mit 1,8 Millionen Beschäftigten sorgen sie jährlich für Umsätze in Höhe von rund 394 Milliarden Euro. Wir haben mit Wirtschaftsprüfer und Steuerberater von BDO Berndt Zinnöcker über Stärken, Schwächen und (Corona-)Krisenbewältigung von Familienunternehmen gesprochen.
Wodurch unterscheiden sich Familienunternehmen von anderen Unternehmensformen?
ZINNÖCKEREin großer Vorteil ist die Vereinigung von Eigentümer und Entscheidungsträger in einer Person oder einigen wenigen Personen. Familienunternehmen können rasch, flexibel und damit auch sehr schlagkräftig reagieren, weil es keine langen oder internationalen Entscheidungsketten gibt. Familienunternehmen haben eine enge Bindung zu ihren Mitarbeitern, sind regional verankert und Leitbetriebe in ihrer Region. Sie unterstützen Kinderbetreuungseinrichtungen oder lokale Vereine, was von den Mitarbeitern sehr geschätzt wird. Bei internationalen Konzernunternehmen wird viel mehr betriebswirtschaftlich agiert: Wenn sich ein Standort aus Sicht einer Analyse im Konzern nicht mehr rentiert, dann wird er geschlossen. Und solche Entscheidungen werden bei Familienunternehmen mit mehr Weitblick und mit einer Rücksicht auf die Belegschaft getroffen.
Im Oktober dieses Jahres wurden von der Presse, dem Bankhaus Spängler, der Notariatskammer und von der BDO wieder die besten Familienunternehmen ausgezeichnet. Nach welchen Kriterien beurteilen Sie persönlich gute Familienunternehmen? Und wo liegen ihre Schwachpunkte?
ZINNÖCKERDie Familienunternehmen zeichnet die starke Verankerung und Verbindung der Familie mit dem Unternehmen aus. Was bei der Auszeichnung auch eine Rolle spielt, ist, wie weit Familienmitglieder selbst operativ mitwirken und ob bereits ein oder mehrere Generationswechsel stattgefunden haben. Das Unternehmen in die Hände der nächsten Generation zu übergeben und erfolgreich weiterzuführen ist immer eine Herausforderung. Die Stärke von Familienunternehmen kann jedoch auch zur Schwäche werden, wenn auf familiärer Ebene Konflikte entstehen. Streit unter Geschwistern hat schon so manche Unternehmensnachfolge zum Scheitern gebracht.
Heuer gab es durch die Coronakrise eine dritte Evaluierungsrunde dieser Auszeichnung, worin geprüft wurde, wie Familienbetriebe mit den Auswirkungen der Coronakrise umgehen. Gibt es beim Meistern der Krise Unterschiede zwischen Familienunternehmen und anderen Unternehmensformen?
ZINNÖCKERWir sehen in vielen Fällen, dass Familienunternehmen sehr langfristig denken und planen und nicht unbedingt auf kurzfristige Profitmaximierung und dergleichen angewiesen sind, weil sie oft stabiler mit einer höheren Eigenkapitalquote finanziert sind. Das kommt Familienunternehmen in der Krise zugute. Wenn es mehrere Generationen gibt, hat man mit Krisen Erfahrung und weiß: Man muss auch in schlechten Zeiten investieren, weil diese ja zum Glück irgendwann vorübergehen werden. Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind an den Börsen eher an einer kurzfristigen Entwicklung orientiert und scheuen derzeit vielleicht Investitionen. Wir sehen bei Familienunternehmen, dass die Investitionsprämie, die es jetzt als Förderung gibt, sehr stark in Anspruch genommen wird: Sie investieren in ihre Betriebe, Standorte oder auch in Digitalisierung oder Ökologisierung. Und man spürt einen großen Zusammenhalt in Familienunternehmen in der Krise.
Wie begleiten Sie als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Familienunternehmen im laufenden Betrieb?
ZINNÖCKERNeben den klassischen Beratungsleistungen wie der Wirtschaftsprüfung, der Erstellung von Jahres- und Konzernabschlüssen und der Steuerberatung machen wir eine ganzheitliche Nachfolgeplanung, also nicht nur in steuerlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht, sondern wir sehen uns als Sparringspartner bei der Ausgestaltung von Familienverfassungen oder bei der Überarbeitung von Stiftungserklärungen. Über unser Human-Ressource-Consulting bieten wir Mitarbeiter-Führungskräfte-Entwicklung an und können Auswahlprozesse unterstützen. Wir unterstützen auch Unternehmensausscheidungen, Nachfolgeentscheidungen und Übergaben und als Ultima Ratio den Unternehmensverkauf. In diesem Fall können wir das Unternehmen für die Familie gut platzieren und einen Verkaufsfall vorbereiten, sei es innerhalb der Familie oder an einen externen Käufer.
Wo stoßen Sie als Berater an Ihre Grenzen?
ZINNÖCKERWir sind natürlich keine Psychologen. Wenn es wirklich sehr emotional im Familienunternehmen wird und Konflikte ausbrechen, die auf Familienebene und weniger auf Unternehmensebene liegen, dann ist andere Beratung oder Mediation erforderlich.
Auf welche zukünftigen Veränderungen am Arbeitsmarkt sollten sich Familienunternehmen einstellen?
ZINNÖCKERDie starke Mitarbeiterbindung kommt vielen Familienunternehmen in der Krise zugute. Vielen Arbeitnehmern wird auch immer wichtiger, dass ihre Tätigkeit sinnstiftend ist, Stichwort Nachhaltigkeit und Regionalität. Digitalisierung und größere Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und -ort, sind Trends, die durch die Krise jetzt unheimlich beschleunigt wurden. Letztlich geht es darum, dass Aufgaben ordentlich, effizient und mit Engagement erledigt werden._
Man spürt einen großen Zusammenhalt in Familienunternehmen in der Krise.
Berndt Zinnöcker
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, BDO
Wussten Sie schon, dass ...
… ein Unternehmen – laut EU-Definition – dann als Familienunternehmen gilt, wenn sich die Mehrheit der Entscheidungsrechte im Besitz der Eigentümerfamilie (Gründer, Erwerber, Kinder, Erben …) befindet und mindestens ein Vertreter der Familie an der Leitung des Unternehmens beteiligt ist.
… der Anteil der Familienunternehmen im Tourismus – laut KMU Forschung Austria – mit 70 Prozent am höchsten ist, gefolgt von Produktion (inkl. Bau) mit 63 Prozent, Handel (52 Prozent) und marktorientierter Wirtschaft (51 Prozent). Bei den sonstigen Dienstleistungen ist der Anteil mit 37 Prozent deutlich niedriger.