So könnte man das Erfolgskonzept des Vincent Kriechmayr in einem Satz zusammenfassen. Denn damit hatte der beste österreichische Skifahrer im vergangenen Winter genügend Energie übrig, um Doppelweltmeister und Weltcupsieger zu werden. Wie tankt er nach der Saison wieder Energie, was bewegt ihn gerade und welche Rolle spielt sein Kopf beim Erfolg? Das erzählt er uns im persönlichen Gespräch. Wir treffen ihn im 18. Stock im Energietower in Linz.
Was machen Sie nach Ihrer erfolgreichsten Saison, einfach mal zurücklehnen und sich denken: „Cool!“, oder trotzdem kritisch zurückblicken und überlegen, was noch besser laufen hätte können?
KRIECHMAYRAuf alle Fälle blicke ich auch kritisch zurück. Ich glaube, das gehört dazu und ist auch das Schöne am Sport: dass man sich immer verbessern kann. Es gibt kein „perfekt“. Die Saison war auf jeden Fall meine erfolgreichste, aber es gibt auch viele Rennen, bei denen ich meine Leistungen nicht abrufen konnte. Dementsprechend ist noch Luft nach oben und diese Lücken versuche ich zu schließen.
Zeit zum Ausruhen gibt’s also kaum?
KRIECHMAYREine erfolgreiche Saison wird eigentlich schon im Sommer mit dem Sommertraining geschmiedet. Ja, das kostet natürlich schon viel Energie, aber die Vorbereitung ist das Wichtigste. Die Weltcupsaison selbst ist ja gar nicht so lange, das sind ungefähr vier Monate. Aber den Rest des Jahres trainiert man darauf hin, das ist sehr intensiv. Wenn man dann Erfolge einfahren darf, weiß man, dass es sich lohnt.
Woher nehmen Sie die Energie für dieses intensive Training?
KRIECHMAYRVon den Wurzeln, wo ich herkomme: Freunden, Familie, meinem Zuhause. Das Gefühl heimzukommen, Leute zu sehen, die man gern hat, bei denen man sich wohlfühlt und einfach mal nicht über den Skisport redet, das gibt mir sehr viel. Es dreht sich eh alles in meinem Leben um Sport, da geben mir vor allem die Menschen aus meiner Heimat und meine Heimat selbst Energie.
Abgesehen vom Skisport, wo stecken Sie sonst noch Energie rein?
KRIECHMAYRHobbys neben dem Skisport gehen sich nicht wirklich aus. Wenn ich heimkomme, dann versuche ich, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Mein Bruder hat eine Landwirtschaft im Mühlviertel in Oberösterreich, da helfe ich hin und wieder gerne mit. Leider nicht mehr so viel wie früher. Ich versuche, alles dem Sport unterzuordnen, da bleibt dann nicht mehr ganz so viel Zeit für andere Dinge.
Könnten Sie den Hof Ihres Bruders für zwei Wochen übernehmen, wenn der mal auf Urlaub fahren würde?
KRIECHMAYR(lacht) Das könnte ich definitiv, aber erstens fährt er nicht zwei Wochen auf Urlaub, weil er sein Vieh nicht alleine lassen will oder zumindest mir nicht für so lange Zeit in die Hände geben mag. Und zweitens: Meine Leidenschaft ist der Skisport, seine die Landwirtschaft, da wollen wir beide nicht tauschen.
Haben Sie bitte einen Motivationstipp für alle (Anwesende nicht ausgeschlossen), die es schon eine Überwindung kostet, hin und wieder eine Runde Laufen zu gehen?
KRIECHMAYRAls Sportler ist der Körper dein größtes Gut. Darauf legt man sehr viel Wert, man trainiert regelmäßig, ernährt sich ausgewogen und achtet darauf, dass es einem gut geht. Ich glaube, dieses Bewusstsein, dass es das Wichtigste ist, auf seinen Körper zu schauen, das braucht es in der ganzen Bevölkerung. Und da spielen der Sport und die tägliche Bewegung natürlich eine große Rolle – wobei mir klar ist, dass es nicht für jeden so leicht möglich ist. Wer Tag und Nacht arbeiten muss, um über die Runden zu kommen, hat kaum Zeit für Sport. Ich weiß, wie privilegiert ich damit bin, so viel Sport ausüben zu können. Man tut seinem Körper aber auch schon Gutes, wenn man sich ein bisschen gesünder fortbewegt.
Niederlagen gehören zum Sport dazu – okay, bei Ihnen sehr selten. Aber haben Sie einen Tipp, wie man sich aus einem Tief wieder rausholt?
KRIECHMAYRZum Glück hatte ich noch nie eine schwere Verletzung (er klopft auf den Holzboden) und daher weiß ich gar nicht, was eine richtige Niederlage ist. Denn ich glaube, dass ein schlechtes Resultat oder auch zwei, drei schlechte Resultate hintereinander keine Niederlage sind. Ich bin wie gesagt von Verletzungen verschont geblieben und es ist immer stetig bergauf gegangen. Von schlechten Ergebnissen erhole ich mich ganz einfach, weil ich mir dann zuerst einmal denke: Es gibt Schlimmeres! Ich denke, da bin ich eigentlich ein selbstbewusster Kerl und weiß, dass es am nächsten Tag schon wieder ganz anders aussehen kann.
Welche Rolle spielt der Kopf im Sport und im Wettkampf?
KRIECHMAYRIch glaube, dass nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben der Kopf die entscheidende Rolle spielt. Es ist natürlich wichtig, dass man körperlich gesund und fit ist, genauso fit sollte aber auch der Kopf sein. Ein gesunder Geist ist einfach das Um und Auf. In der Vorbereitung ist es wichtig, dass man den Körper trainiert. Aber beim Rennen ist der Kopf entscheidend.
Was geht Ihnen kurz vor einem Rennen durch den Kopf?
KRIECHMAYRIch versuche, den Lauf immer wieder zu visualisieren, mich zu pushen und denke an die Linie, die ich haargenau treffen soll.
Wann macht Ihnen Ihr Job am meisten Spaß?
KRIECHMAYRKlar könnte ich jetzt sagen: Natürlich im Moment, wenn man einen Sieg feiert. Das stimmt auch definitiv. Aber es macht mir auch richtig Spaß, wenn ich in der Vorbereitung einen Fortschritt sehe. Man versucht ja immer, besser zu werden – und wenn das gelingt, dann ist das schon eine gewisse Genugtuung.
Was würden Sie wohl machen, wenn Sie kein Skirennläufer wären?
KRIECHMAYRWow, das ist schwierig. Ich werde auch immer wieder gefragt, was ich nach meiner Karriere geplant habe. Ich habe keine Ahnung! Ich mache mir überhaupt keine Gedanken über mein Karriereende oder darüber, was ich danach machen könnte. Ich bin jetzt voll und ganz auf meinen Sport konzentriert und über alles andere mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.
Was würden Sie Ihrem zehnjährigen Ich heute sagen?
KRIECHMAYRHab Spaß! Denn Spaß zu haben an dem, was man tut, ist das Wichtigste! Ich habe vor allem in meiner Jugend sehr viel Spaß gehabt. Wenn ich in meiner Jugend keinen Spaß gehabt hätte oder irgendwann meinen Spaß am Sport verloren hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Natürlich ist es oft zach und man muss reinbeißen und man opfert auch viel für den Sport, ordnet ihm alles unter, aber wenn man dann Erfolge hat, dann weiß man, wofür man das macht. Ich hab jedenfalls immer noch großen Spaß daran.
Es geht so das Gerücht um, dass Sie Interviews nicht so gerne haben …
KRIECHMAYR(grinst) Ich schau mir einfach von mir selbst keine Interviews an. Ich lese auch fast keine über mich. Interviews gehören natürlich bei mir dazu, aber ich bin jetzt keiner, der sich selbst googelt und dann analysiert, was genau er gesagt hat. Ich verschwende generell keine Energie für Dinge, die ich nicht ändern kann. Und ja, ich bin froh, wenn ich so wenig wie möglich aus meinem Privatleben preisgeben muss.
Okay, dann also umgedreht: Wem würden Sie gern ein paar Fragen stellen?
KRIECHMAYRDas ist eine ganz einfache Antwort für mich: meinen Großeltern. Alle meine Großeltern sind schon verstorben und ich würde einfach irrsinnig gerne mit ihnen zusammensitzen und mit ihnen über ihr Leben reden. Sicher weiß ich einiges über sie, aber viele Sachen weiß ich sicher nicht. Ich würde sie gerne vieles über ihr Leben fragen, weil sie in einer extrem schwierigen Zeit gelebt haben, das würde mich echt interessieren, was sie so vom Leben erzählen und mir weitergeben können.