Es ist keine Frage, ob Oberösterreich den fossilen Energieträgern abschwört. Wie die Transformation zu den erneuerbaren tatsächlich gelingen kann, schon eher. Im Interview spricht Oberösterreichs Wirtschafts- und Energielandesrat Markus Achleitner über Wege, die zum Ziel führen, wie wir künftig vorwärtskommen und wie er es mit seiner Energie so hält.
„Schauen Sie sich das hier an. Das Kraftwerk Marchtrenk steht seit 1980. Oberösterreich denkt halt einfach voraus“, begrüßt uns Wirtschafts- und Energie-Landesrat Markus Achleitner und weist auf das riesige Bauwerk hin, das sich scheinbar mühelos in die Landschaft integriert. Obwohl es noch relativ zeitig in der Früh ist, tummeln sich schon viele Sportler und Naherholungssuchende rund um das Kraftwerk. Viele Bäume spenden an diesem sonnigen Morgen den Nordic-Walkern und Läufern den nötigen Schatten, um voller Energie sporteln zu können. Auch wir haben für uns ein kühles Plätzchen gefunden, um mit Landesrat Achleitner über die Energiezukunft Oberösterreichs zu sprechen.
Es ist 8:30 Uhr. Wie viel Energie haben Sie um die Zeit für gewöhnlich schon verbraucht?
ACHLEITNERUm diese Uhrzeit habe ich noch 100 Prozent Ladezustand und es geht mit voller Power in den Tag.
Wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken und mit der heutigen Zeit vergleichen: Wie hat sich Ihr eigenes Bewusstsein für Energie im Laufe der Jahre verändert?
ACHLEITNERPersönlich merke ich, dass ich Zeit zum Batterieaufladen brauche. Insgesamt war in meiner Kindheit die Sonne als kostenloser Energieträger noch kein Thema. Heute ist nur ein Dach mit einer Photovoltaikanlage ein gutes Dach. Da hat sich viel im Bewusstsein getan.
Wenn die Energiewende ein Marathon wäre, bei welchem Kilometer wäre Österreich im Moment?
ACHLEITNERIch würde sagen, wir sind bei der Hälfte. Wir sitzen hier an der Traun beim Kraftwerk, das bereits vor Jahrzehnten gebaut wurde (Anm. der Red.: Bauzeit 1977 – 1980). Die nächsten 30 Jahre sind der schwierigste Teil, weil wir entschieden haben: Raus aus fossilen, hinein in die erneuerbaren Energien. Wir sind am richtigen Weg. Das „Ob“ ist gefallen, das „Wie“ wird eine Herausforderung.
Was sind die wichtigsten Meilensteine, um bei der Energiewende am richtigen Weg zu sein?
ACHLEITNERDie Transformation der Energie muss von den zwei Säulen „Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit“ und „Sozialverträglichkeit“ gestützt werden. Man darf die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht mit überbordenden Auflagen gefährden. Und es ist wichtig, auf die Sozialverträglichkeit zu schauen. Ölheizungen haben heutzutage oft ältere oder sozial schwächere Menschen. Diese muss man mit sozialen Abfederungen und Förderungen unterstützen.
Wenn Sie hier aufs Wasserkraftwerk schauen, welcher Gedanke kommt Ihnen als erstes in den Kopf beim Thema Wasserkraft?
ACHLEITNERDass es die wichtigste erneuerbare Energieform ist, die wir in Oberösterreich haben.
Energie aus Wasserkraft ist mit durchschnittlich etwa 10.000 Gigawattstunden nach der Biomasse die mengenmäßig bedeutendste heimische Energieform in Oberösterreich. Derzeit gibt es in Oberösterreich inklusive der 28 Großwasserkraftwerke etwa 860 wasserrechtlich erfasste Wasserkraftanlagen zur Stromerzeugung. Ist unser Strom also mehr blau als grün?
ACHLEITNERDas ist dasselbe. Aber es stimmt, Oberösterreich ist das Land der Wasserkraft, kein zweites Bundesland hat so viel Energie aus Wasserkraft. 63 Prozent unseres gesamten Strombedarfes werden durch Wasserkraft gedeckt.
Neben den Vorteilen der Wasserkraft gibt es aber auch Nachteile. Ökologische Auswirkungen auf Flora und Fauna, Zerstörung der natürlichen Fließgewässer und hoher baulicher Aufwand zur Überwindung der Höhenunterschiede beispielsweise. Wie stehen Sie den Vor- und Nachteilen gegenüber?
ACHLEITNERGlücklicherweise bringt man mittlerweile beide Interessen unter einen Hut. Mit Renaturierungsmaßnahmen oder Fischtreppen können ökonomischer Nutzen und ökologischer Erhalt kombiniert werden. Das ist auch die klare Aufgabe, denn wenn wir weg vom Öl wollen, wäre es schizophren, Wasser nicht zu verwenden. Der Strombedarf wird sich in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigern und von irgendwoher brauchen wir die Energie.
Oberösterreich ist schon jetzt bei fast allen erneuerbaren Energieträgern, wie Biomasse, Wasserkraft und Sonnenkraft, die Nummer eins unter allen Bundesländern. Was können andere Bundesländer von uns lernen?
ACHLEITNERWir Oberösterreicher reden nicht lange, wir tun. Jeder vierte in Europa verkaufte Biomassekessel und ein Viertel aller Ölheizungstausche kommen aus Oberösterreich. Bei 85 Prozent der Häuslbauer, die im Vorjahr gebaut haben gibt es bereits eine Photovoltaikanlage am Dach. Wir brauchen keine Pflicht, kein Ge- oder Verbot, sondern liefern Überzeugungsarbeit samt einer Förderung dazu. Dann funktioniert das. Die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sind sich bewusst, dass sie sich als Industrie- und Wirtschaftsstandort diesen Wohlstand erhalten wollen und dafür Ökonomie und Ökologie als „Turbozwillinge“ gemeinsam nutzen müssen.
Wo hat Oberösterreich dennoch Aufholbedarf?
ACHLEITNERWir investieren viel in die Forschung, um den im Sommer erzeugten Strom in den Winter zu bringen. Wir arbeiten mit der RAG (Anm. der Red.: Die RAG Austria ist das größte Gasspeicher- und somit Energiespeicherunternehmen Österreichs und gehört zu den führenden technischen Speicherbetreibern Europas) an großen Forschungsprojekten, in denen wir Wasserstoff speichern. Mit dem Programm NEFI, also „new energy for industrie“, wollen wir als Industriebundesland diese Umstellung bestmöglich meistern.
Gut 600.000 Haushalte heizen österreichweit noch mit Öl – 2035 sollen es laut Regierung keine mehr sein. Um „AdieuÖl“ zu sagen, gibt es für den Umstieg von einer Ölheizung auf ein Heizsystem mit erneuerbarer Energie sogar bis zu 8.900 Euro an Förderungen. Schaffen wir so den Ölentzug?
ACHLEITNERJa, denn die Menschen wollen mithelfen, dass wir klimafit werden. Bund und Land fördern den Ölentzug ordentlich, es rechnet sich also doppelt und dreifach. Einmal im monetären Sinn und auch, dass ich selber etwas beitragen kann und wir so unseren Kindern die Welt erhalten.
Oberösterreich ist aufgrund der Wirtschaftsstruktur ein besonders energieintensives Bundesland. Die neue Energiestrategie „Energie-Leitregion OÖ 2050“ will das Bundesland als internationale Energie-Leitregion etablieren. Auf welche Maßnahmen setzt man dabei konkret?
ACHLEITNERWir haben das Ziel, dass eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen möglich ist. Wir haben uns fünfzehn Jahre lang, also von 2003 bis 2018, angeschaut, wie wir da liegen. Wir hatten eine Bruttoregionalprodukt-Steigerung von rund 55 Prozent und einen sinkenden CO2-Ausstoß. Die größte Herausforderung ist, dass wir die Transformation zu erneuerbaren Energien ordentlich gestalten und in Kauf nehmen müssen, dass es eine gewisse Zeit für die Umstellung braucht. Wir müssen unbedingt die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten, um Abwanderung zu verhindern und so Arbeitsplätze zu erhalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir bis 2050 neutral sind.
Bei welcher Energiequelle liegt in Oberösterreich das größte Potential für die Wirtschaft?
ACHLEITNEREinerseits in der Sonne, andererseits auch im Wasserstoff. Wir werden grünes Gas als Substitut, vor allem in der Industrie, brauchen. Auch da forschen wir intensiv, um den Weg bis 2050 zu ebnen.
Es heißt, dass die Energiewende durch die Digitalisierung eine neue Dynamik entfalten wird. Wer wird sich am Energiemarkt der Zukunft behaupten?
ACHLEITNERWir sind als einziges Bundesland fertig mit dem Roll-out der Smart Meter, also den digitalen Zählgeräten zur Erfassung des Stromverbrauchs. Das ist wichtig, weil mit dem neuen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz neue Energiegemeinschaften ermöglicht werden. Bei dieser Art von dezentraler Stromerzeugung wird elektrische Energie verbrauchernah, etwa innerhalb der Nachbarschaft, erzeugt. Mit Handys, Computern oder E-Autos brauchen wir alle mehr Strom, darum ist es gut, wenn ich diesen daheim erzeugen und sogar damit handeln kann. Dazu braucht es natürlich mehr Kapazität im Stromnetz, in welches wir bis 2028 über eine Milliarde investieren werden.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie kann die Energiegewinnung im Jahr 2050 aussehen?
ACHLEITNERIch glaube an einen Technologiemix aus vielen Energiequellen. Wasserkraft wird, soweit es geht, genutzt werden. Es wird auf jedem Hausdach und auf Überdachungen von befestigten Anlagen eine Photovoltaikanlage sein. Wasserstoff und grünes Gas werden in der Industrie als Träger eine große Rolle spielen. Und wir werden die Sommer-Sonnenenergie mittels Speicherung in den Winter bekommen. Die große Frage wird die Mobilität darstellen. E-Mobilität ist ein Mosaikstein, aber nicht die Gesamtlösung. Im Schwerlastbereich wird es, meiner Meinung nach, Richtung Brennstoffzelle gehen. Beim Auto wird es künstliche, synthetische Kraftstoffe geben, die klimaneutral erzeugt und verbraucht werden. Das hätte den Vorteil, dass wir das gesamte Leitungsnetz in Europa haben.
Wie sieht Ihr persönlicher Beitrag zur Energiewende aus?
ACHLEITNERIch habe eine Solaranlage, eine Luft-Wärmepumpe und bald kommt noch eine Photovoltaikanlage auf mein Dach.