Der Turbo für den grünen Wandel
Welche Knöpfe muss man noch drücken, um aus einigen Pionier:innen möglichst schnell eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen? „Das ist die Billionendollarfrage schlechthin“, schmunzelt Gernot Wagner. „Diese Frage entscheidet über Milliarden Tonnen von eingespartem CO2 und viel Geld. Der wirkliche Leader einer Bewegung ist ja oft nicht der Erste. Sagen wir, jemand fängt mitten am Platz zu tanzen an. Er sieht aus wie ein Verrückter. Sobald aber eine zweite Person dazukommt, eine dritte und vierte Person, dann kommen alle“, erklärt der Klimaökonom. So kann der grüne Wandel funktionieren.
„Das Wichtige ist, dass die Trendsetter:innen sichtbar sind und ein einflussreiches Sprachrohr benutzen. Das Minihaus am Cover von Architectural Digest zeigt Wirkung; die berühmte Drei-Sterne-Köchin, die öffentlich begeistert von ihrem Induktionsherd ist, ebenso.“ Es sorgt auch für Aufsehen, wenn der deutsche Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg sein Greentech Festival im eleganten Tuxedo aus Biosamt eröffnet, mit dem Zug fährt oder Ökostrom bezieht – und darüber spricht. Mit seiner Botschaft erreicht er Millionen von Menschen und dank seiner Popularität wird aus dem Ökothema ein Must-have.
Nun braucht es die sogenannten „Next Adopters“. Sie folgen den Ersten, weil sich deren Entscheidungen vernünftig und praktisch anfühlen und weil man selbst zu den Ersten gehören will. „Wenn es gut genug für Nico Rosberg ist, dann ist es auch gut genug für mich“, so das Motto. Der weitere Schritt kommt von der Politik, indem sie den gesetzlichen Rahmen schafft und ökologische Maßnahmen fördert.
Doch noch hat die Bewegung nicht den kritischen Punkt erreicht, um ein Selbstläufer zu werden – denn irgendwann kommt man zur Einsicht, dass es rein rechnerisch mehr braucht als ein paar klimafreundliche Produkte und neue Gewohnheiten. Und ein Unwort der Konsumgesellschaft bahnt sich den Raum: Verzicht.
Passt unser Ego auch in kleinere Autos und Häuser?
„Hallo, hier bin ich mit meinem 5.000-Dollar-Rad. Ich bin gerade schneller und besser in der Stadt unterwegs als die Autos neben mir. Ist das nicht egoistisch?“ Gernot Wagner lacht. „Und darum geht es. Es geht nicht darum, das Ego abzuschalten, sondern darum, es in neue, klimafreundliche Bahnen zu lenken.“ Heutige Gewohnheitsänderungen sind im Übrigen klein im Vergleich zu den massiven Einschränkungen, die die nachkommende Generation auf sich nehmen muss.
Ökologisch versus leistbar
Bleibt die Tatsache, dass sich nicht jede:r eine PV-Anlage auf das Dach montieren lassen oder ein Elektroauto kaufen kann, das doppelt so viel kostet wie ein herkömmlicher PKW. Auch faire Mode und Biolebensmittel haben ihren Preis. „Um die nötige Lernkurve hinaufzuklettern und die Kostenkurve herunterzurutschen, geht es tatsächlich darum, dass die, die es sich leisten können, den ersten Schritt setzen. Die Kosten sinken mit einer größeren Stückzahl und erleichtern den Einstieg für mehr Menschen“, so Gernot Wagner. Das klimafreundlichere Leben muss günstiger und bequemer werden als das unökologische, dann setzt es sich durch. Und es braucht die Player:innen quer durch alle Bereiche – vom CEO bis zu den Aktivist:innen, von der Politik und den Stars bis zu den Menschen in der Mitte. Dann wird aus dem Tanz weniger „Verrückter“ die große Party, die unsere Nachkommen in den nächsten Jahrzehnten für ihr gutes Leben brauchen._
Es geht nicht darum, das Ego abzuschalten, sondern, es in neue Bahnen zu lenken.
Gernot Wagner
Klimaökonom, Visiting Associate Professor Columbia Business School
Was ist mein Hauptbeitrag zum Klimaschutz?
61,8 % Ich kaufe weniger und hochwertiger ein – statt spontan, viel und günstig.
13,7 % Ich bin ohne Auto unterwegs.
12,9 % Gar nichts. Ist sowieso schon zu spät.
8,9 % Ich verreise mit der Bahn, statt mit dem Flugzeug.
2,7 % Ich ernähre mich vegan.
Quelle | exklusive Onlinebefragung für DIE MACHER von Whitebox Marktforschung. Quicksurvey österreichweit, April/Mai 2022, 372 Teilnehmer:innen.