Wege, umrandet von Bäumen, Wiesen und Feldern, findet Eva-Maria Pürmayer direkt vor der Haustür ihres Genießerhotels Bergergut im Mühlviertel viele. Hier in Afiesl ist sie aufgewachsen und schließlich auch hierher zurückgekehrt, um den Familienbetrieb in fünfter Generation weiterzuführen. Geplant war das alles nicht so schnell. 2016 trat sie völlig unerwartet in die Fußstapfen ihres Vaters – Werner Pürmayer nahm sich mit 53 Jahren das Leben, er war Hotelvisionär und brachte vieles in der Region in Bewegung. „Es war eine harte, eine sehr intensive Zeit. Zuerst versuchte ich irgendwie, alles wieder in Bahnen zu bringen, ich weiß selbst nicht mehr, wie ich die Kraft dafür aufbringen konnte.“ Welche Rolle Pippi Langstrumpf dabei spielte, dazu später. Sie habe das Lebenswerk ihres Vaters gerettet, titelten damals die Zeitungen. Und ja, das hat sie. Er wäre wohl unfassbar stolz auf seine Tochter. Das ist aber noch lange nicht alles – heute macht sie ihre eigenen Fußstapfen (vorzugsweise im Wald). Mit einem völlig neuen Mindset – im Führungsstil genauso wie im Gastgeben – gestaltet sie den Wandel aktiv mit. Das sind ihre fünf Wege dafür.
#1
Zurück zum Ursprung
Irgendwann habe sie sich gefragt: „Okay, was will ich jetzt eigentlich an diesem Platz?“ Einfach nur gutes Essen und ein schönes Bett an Menschen, die sich das leisten können, verkaufen – „das war mir zu wenig“, erzählt Eva-Maria Pürmayer. Und ist damit eine typische Vertreterin der Generation „Why“. „Ich wollte immer schon einen Sinn erkennen in dem, was ich mache.“ Sie will also nicht einfach ein Luxushotel führen, sie will vielmehr „Orte und Räume gestalten, wo Menschen ankommen können, wo sie zur Ruhe kommen und entschleunigen. Und gleichzeitig sind wir ein Ort, wo Menschen arbeiten – mit Freude arbeiten. Auch viele sehr junge Menschen. Das ist es, was mich antreibt: Menschen begegnen, Leben wecken.“ Für andere da zu sein, das war ja auch der Ursprungsgedanke von Gaststätten und vom Gastgeben. Und dazu gehöre unbedingt ein Stammtisch. „Da kommen die Menschen zusammen, Einheimische, Gäste, ganz unterschiedliche Leute. Da ist Platz für Emotionen und Diskussionen, da können unterschiedlichste Meinungen aufeinanderprallen. Wenn es das nicht mehr gibt, dann sind wir ja alle nur noch in unserer Bubble, anonym auf Social Media.“
#2
Pippi Langstrumpf lässt grüßen
Sieben Jahre sind nun vergangen, seit sie nach dem Tod ihres Vaters das Bergergut übernommen hat und nun mit ihrem Lebenspartner, Haubenkoch Thomas Hofer, als Vier-Sterne-superior-Hotel führt. „Das war eine unendlich intensive Zeit“, erinnert sich Eva-Maria Pürmayer. „Kurz nach dem Tod von meinem Papa bin ich runtergefahren in die Stadt, ich war noch keine 30, und saß Bänkern, Anwälten, Notaren und Steuerberatern gegenüber – wenn ich heute daran denke: Oh mein Gott!“ Hätte sie vorher gewusst, wie viel Kraft sie brauchen würde, „ich hätte es wohl nicht gemacht. Ich hätte zu große Angst davor gehabt. Aber heute bin ich so dankbar und froh, ich bereue überhaupt nichts.“ Geholfen habe ihr dabei eine gewisse „Pippi-Langstrumpf-Energie“. Pippi Langstrumpfs Lebensmotto ist: „Das habe ich noch nie gemacht, daher bin ich völlig sicher, das schaffe ich!“ Diese Naivität brauchte auch Eva-Maria Pürmayer damals, um genügend Mut aufzubringen. Gelernt habe sie in den vergangenen sieben Jahren vieles. An ein ganz wesentliches Learning erinnert sie sich besonders gern: „Mein Sohn Leopold war damals ein knappes Jahr alt. Ich bin am Ende eines Wahnsinnstages heimgekommen und da liegt er in seinem Gitterbett, ich schau ihn an und mir wird klar, worum es wirklich geht. Dieser kleine Mensch hat es immer wieder geschafft, mich zu erden.“ Und das sei immens wichtig, denn sonst verliere man sich irgendwann in all den Unternehmensgeschichten, Überlebenskämpfen und Geldangelegenheiten.
#3
Todsicher
Niemand redet gern über ihn. Er ist das größte Tabuthema der Gesellschaft. Und das, obwohl er mit absoluter Sicherheit uns alle irgendwann betrifft: der Tod. Genau dieser – also die Konfrontation mit dem Tod – hat für Eva-Maria Pürmayer zu einem ganz neuen Mindset geführt. „In den letzten sieben Jahren lernte ich die Kraft des Todes durch drei recht unterschiedliche und völlig unerwartete Schicksalsschläge kennen. 2016 der Freitod meines Vaters, 2019 kam mein Cousin, der wie ein Bruder mit uns aufwuchs, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Und 2021 bekam ich meine eigene Krebsdiagnose – der Tumor konnte operativ entfernt werden und ich bin geheilt“, erzählt Eva-Maria Pürmayer. Heute wisse sie, dass der Tod das Leben erst wirklich lebendig macht. „Der Tod ist wie ein Spiegel. Er berührt uns so tief und macht uns die Endlichkeit bewusst.“ Als Hochleistungsgesellschaft haben wir den Tod jedoch weitgehend ausgegrenzt, wir wollen ihm – auch im Sinne der ewigen Jugend – nicht ins Gesicht schauen. „Aber wenn wir uns mit ihm beschäftigen, verliert die Fratze des Todes ihre Hässlichkeit.“ Sie hat die Grabrede für ihren Vater geschrieben, den Lebenslauf am Begräbnis ihres Cousins gelesen … und hat sich danach selbst gefragt: „Wie soll am Ende meine eigene Grabrede sein? Und was, wenn dieser Tag morgen ist? Wie habe ich bis dato gelebt? Gehe und bin ich auf meinem Weg zu meiner persönlichen Erfüllung?“ Sie ist überzeugt, dass wir alle hier auf Erden sind, um durch unser Sein einen Beitrag zu leisten, und dafür wurden wir mit höchst unterschiedlichen Talenten ausgestattet. „Und diese Talente gilt es zu finden und auch einzusetzen.“
#4
Führung radikal umdenken
Ganz im Sinne von Goethe – „Wer die Menschen behandelt, wie sie sind, macht sie schlechter. Wer sie aber behandelt, wie sie sein könnten, macht sie besser“ – führt Eva-Maria Pürmayer ihr knapp 45-köpfiges Team. „So zu führen ist anstrengend, zeitintensiv und genau da müssen wir in der Führung radikal umdenken“, ist die 36-jährige Unternehmerin überzeugt. Denn gerade wegen des technologischen Fortschritts müssten wir den Menschen ins Zentrum stellen. „Früher war das in der Führung eher Nebensache, man war mit so vielen anderen Dingen beschäftigt. Aber jetzt wird man als Führungskraft genau darin immer mehr gefordert.“ Dazu brauche es aber eine Frage vorweg, so Pürmayer: „Wer führt mich eigentlich als Führungskraft? Also welche Glaubenssätze, Denk- und Verhaltensmuster? Wer bin ich wirklich? Bin ich von außen gesteuert oder weiß ich, was mich innerlich antreibt?“ Diese Hinterfragung fehlt ihr oft, es brauche nicht nur To-do-Listen, sondern auch To-be-Listen. Die Welt sei immer schon im Wandel gewesen, doch jetzt gehe es um einen richtig großen Wandel. „Das ist ein Kraftakt. Und manchmal braucht es zunächst Aha-Momente, um die Chancen in diesem Wandel zu erkennen und bereit zu werden, das eigene Mindset zu ändern.“
#5
Mut statt Wut, Lust statt Frust
„Unternehmer:innen, Politiker:innen und wir alle haben so viele Möglichkeiten, um diesen intensiven Wandel aktiv zu gestalten“, sagt Eva-Maria Pürmayer, denkt kurz nach und fügt dann noch hinzu: „Nein, ich finde, wir MÜSSEN diesen Wandel aktiv gestalten. Sonst gestaltet er uns.“ Und für dieses Gestalten hat sie drei ganz konkrete Forderungen: Erstens brauche es mehr Mut statt Wut. Mut zu neuen Wegen, frischen Ideen, anderen Sichtweisen, Mut zur Authentizität und Mut zur Reduktion aufs Wesentliche. Statt ewigem Jammern und Schuldzuweisungen im Außen. Zweitens fordert Eva-Maria Pürmayer mehr Mit- statt Gegeneinander. „Die großen Herausforderungen unserer Zeit für eine gute Zukunft für uns alle können wir nur gemeinsam lösen, ganzheitliche Lösungen brauchen Diversität und sind bunt … und gelingen nur in liebevoller Haltung. Liebe wäre wohl die mächtigste und schönste Basis einer Revolution.“ Und dann plädiert sie noch für „mehr Lust statt Frust“ und meint damit: vorleben, inspirieren, Lust auf Wandel machen, die Chancen in den Fokus rücken. Zum Beispiel auch bei der Frage, warum wir so viel gewinnen können, wenn wir mehr verzichten lernen. „Angst schüren und nähren ist hingegen der schlechteste Begleiter für Veränderung zum Besseren.“_