Heraklion, Brüssel, Kefalonia Island … ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel am Linzer Flughafen in Hörsching führt unweigerlich zu Fernweh. Nur wenige hundert Meter Luftlinie weiter sorgt auch der Logistikkonzern Dachser neuerdings für „Urlaubsgefühle“. Am Firmengelände haben Niederlassungsleiter Michael Rauhofer und sein Team neue Container aufgestellt, die den ankommenden LKW-Fahrer:innen einen angenehmen Aufenthalt ermöglichen. „Wir bekommen hier sehr viel Ware angeliefert, auch freitags. Wenn die Fahrer:innen dann das Wochenende über mit ihren LKW stehen bleiben, sollen ihnen nicht nur Duschmöglichkeiten zur Verfügung stehen.“ Bei Dachser setzt man auf Aufenthaltsräume mit TV-Geräten, die Entspannung und Begegnungen untereinander zulassen. Vor allem im Winter oder bei schlechtem Wetter sei das ein wertvolles Angebot. „Wir sind hier ständig am Tüfteln und auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, um das Berufsbild zu attraktivieren.“ Im Interview spricht er darüber, wie eine systemrelevante Branche innovativ bleiben muss, um zugleich die Zukunft zu sichern und Arbeitskräfte für sich zu gewinnen.
Die Lockdowns sind vorbei, die Lieferkettenproblematik entspannt sich. Wieder alles bestens in Ihrer Branche oder trügt der Schein?
Michael Rauhofer: Wir spüren die zuletzt abflachende Konjunktur, die Mengen gehen stark zurück und die Wirtschaft schwächelt. Weder für uns noch für die Firmen, deren Güter wir transportieren, ist das eine gute Ausgangslage. Speziell am Import aus Deutschland macht sich das bemerkbar. Gemeinsam mit dem Arbeitskräftemangel stehen damit schon die nächsten großen Herausforderungen in der Tür. Also wir sind alle schon gespannt, wie der Herbst wird.
Innerhalb Österreichs soll bis spätestens 2025 eine CO2-neutrale Zustellung in allen Großstädten eingeführt und sukzessive ausgebaut werden. Welchen Beitrag leisten Sie hierzu?
Michael Rauhofer: Wir bereiten diese Wende mit vor, schaffen Elektro-LKW an und sind bereits seit Jahren international mit Flüssiggas unterwegs. Für unseren gesamten Konzern, auch in der Forschung, sind die CO2-neutrale Zustellung und der Weg dorthin ein zentrales Thema. Nur ist der zeitliche Horizont sehr knapp bemessen, wenn man bedenkt, dass auch die notwendige Infrastruktur gleichwertig mitwachsen muss. Ohne entsprechende Verfügbarkeiten und Lademöglichkeiten wird die Wende in dieser Geschwindigkeit kaum möglich sein.
In strategisch guter Lage nehmen Sie am Standort Hörsching eine zentrale Rolle für den kontinuierlichen Ausbau des Europaverkehrs ein. Was hält die Zukunft für Ihr Logistikzentrum bereit?
Michael Rauhofer: Wir bleiben ein bedeutsamer Standort des gesamten Netzwerks, da wir auch eine Plattform für viele österreichische Niederlassungen sind. Erst kürzlich haben wir unser Warehouse hier in Hörsching vergrößert, nun planen wir bereits die nächste Erweiterung. Grund dafür ist eine Veränderung der Nachfrage. Denn sobald die Wirtschaft wieder anspringt, sollen die Produkte auch sofort verfügbar sein. Sprich, wir benötigen Flexibilität und Kapazität, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dafür braucht es aber natürlich auch das Commitment unserer Kunden und vor allem: jede Menge Arbeitskräfte.
Speziell dazu sagen Sie, Arbeitskräfte finde man keine. Gibt es ein Mittel im aussichtslosen Kampf gegen den demografischen Wandel?
Michael Rauhofer: Heute müssen Unternehmen jede Menge bieten, um für die komplette Bandbreite an Arbeitnehmenden interessant zu sein. Unseren LKW-Fahrer:innen bieten wir täglich ein vitales, gesundes Gratisfrühstück – Müsli, Obst, Beeren und Joghurt in Bioqualität –, das sie sich gerne auch in Gläsern auf die Fahrt mitnehmen können. Zudem haben wir ein breites Fitness- und Massageangebot und unsere Fahrer:innen können einen persönlichen Bonus verdienen, wenn sie gewisse (Qualitäts-)Kriterien erfüllen. Im Branchenvergleich bieten wir somit ein bemerkenswertes Paket, für das wir auch viel positives Feedback bekommen. Darüber hinaus bilden wir auch selbst LKW-Fahrer:innen aus, aber es ist und bleibt ein permanenter Kampf.
Seit 2020 setzen Sie in Ihrer Betriebsküche auf gesunde Gerichte. Welche Veränderung bemerken Sie seitdem?
Michael Rauhofer: In Verbindung mit unseren medizinischen Angeboten sind in erster Linie zwei Dinge stark gesunken: die Fluktuation und die Zahl der Krankenstandstage. Das Essen hat Topqualität mit einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis und man darf sich nach Feierabend auch gerne mal etwas mit nach Hause nehmen. Und wenn ich am Ende des Monats die Rechnung für das Gratisfrühstück bekomme, merke ich: Das läuft! (lacht)
Auch mit anderen Benefits, etwa einem hauseigenen Fitnessraum, senden Sie positive Signale an den Arbeitsmarkt. Wie gelingt es Ihnen, eine – trotz Systemrelevanz – in Verruf geratene Branche wieder zu attraktivieren?
Michael Rauhofer: Die Jobs in unserer Branche genießen nach wie vor keinen guten Ruf – völlig zu Unrecht, wie ich finde. Vor allem in Zeiten, in denen viele auf der Suche nach sinnstiftenden Tätigkeiten sind, sollte man sich unserer Verantwortung bewusst werden. Gibt es keine Logistikunternehmen mehr, bricht unsere gesamte Versorgung zusammen. Zum einen versuchen wir, genau dieses Bewusstsein zu schaffen. Zum anderen geht es uns um Wertschätzung aller Mitarbeitenden. Das bedeutet, wir stellen den Menschen in den Vordergrund und machen keine Unterschiede nach Abteilungen oder ob Führungsposition oder nicht. Und sorgen dafür, dass alle im Unternehmen ein für sich stimmiges Gesamtpaket erleben.
Sie selbst sind Ihrer Branche seit vielen Jahren treu. Was ist Ihre persönliche Motivation, mit der Sie auch andere anstecken wollen?
Michael Rauhofer: Eine Besonderheit ist sicher die große Abwechslung im Berufsalltag und der krisensichere Job in einer systemrelevanten Branche. Ich kann nur jedem sagen: Wenn du viel mit Menschen arbeiten möchtest, international tätig sein willst, fremde Sprachen und andere Kulturen kennenlernen willst, dann haben wir in unserer Branche sicher einen Job, der für dich der richtige ist._