In den 200 Top-Unternehmen in Österreich gibt es einen Frauenanteil von nur 7,2 Prozent in der Vorstandsebene. Was sind Ihre Aufgaben als Politiker, um für mehr Gleichberechtigung von Männern und Frauen am Arbeitsmarkt zu sorgen?
STELZER_Erstens setzen wir im eigenen Bereich im Landesdienst, wo ich als Personalreferent zuständig bin, nicht nur Signale, sondern schaffen auch Fakten. Seit dem Start im Herbst 2015 haben wir vierzehn Führungspositionen vergeben – die Hälfte davon an Frauen. Zweitens besetzen wir die Aufsichtsorgane der Betriebe und Tochterunternehmen des Landes bewusst geschlechtergerecht. Wir haben den Sprung über die 40-Prozent-Marke bei den Frauen geschafft. Drittens ist der Landesdienst mit über 60 Prozent der Mitarbeiterschaft generell weiblich. Bevor eine Frau in den Mutterschutz geht, führen wir ein Gespräch, wie es danach weitergehen soll und während der Karenz versuchen wir möglichst viel Kontakt zu halten. Wir organisieren Treffen und Frauen können während der Karenzzeit Fortbildungen besuchen. Der bewusste Kontakt ist ein sehr effizientes Mittel, um die Frauen wieder in den Job zurückzubekommen – egal ob in Voll- oder Teilzeit.
Muss man nicht auch auf der Männerseite agieren und die Väter ermutigen, wenn man Frauen fördern will?
STELZER_Beim Papamonat haben wir im Landesdienst als erstes die Initiative ergriffen und dieser wird auch immer mehr in Anspruch genommen. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, da tut sich vielleicht ein öffentlicher Dienstgeber leichter als ein kleines oder mittleres Unternehmen. Wir haben eine besondere Verantwortung, Zeichen zu setzen. Umso mehr die Angebote in Anspruch genommen werden, umso sichtbarer wird es, dass eine beiderseitige Verantwortung besteht.
Durch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für die Pension werden Frauen auch ermutigt, zu Hause zu bleiben, was wiederum nicht förderlich für Führungspositionen ist.
STELZER_Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension war ein großer Wurf und unterstützt viele Frauen später in der Pensionsleistung. Es ist immer eine sehr persönliche Entscheidung der Frau und der gesamten Familie, wie man die Kinderbetreuung organisieren möchte. Der Staat kann nur für alle Fälle Unterstützung anbieten und da wird es sicher noch weitere Schritte brauchen.
Egoistische Karrierefrau, faule Hausfrau oder Rabenmutter – Frauen können es der Gesellschaft nur schwer recht machen. Wie können solche Klischees aufgebrochen werden?
STELZER_Einerseits hat die Politik hier wie überall die Verpflichtung zu einer Vorbildwirkung im eigenen Bereich und andererseits muss sie mit dem Setzen der richtigen Rahmenbedingungen gegen diese schroffen Gegensätze einwirken.
Welche speziellen Rahmenbedingungen brauchen Unternehmen in der Privatwirtschaft?
STELZER_Kernpunkt ist die Frage der Kinderbetreuung. Wir haben daher unser Kinderbetreuungsbudget heuer noch einmal auf über 220 Millionen erhöht – es muss für alle Möglichkeiten und Chancen geben und jeder soll selber entscheiden können, ob er diese in Anspruch nimmt. Vor allem im Bereich der frühkindlichen Betreuung bauen wir die Angebote massiv aus. Als zweiten Punkt unterstützen wir die Firmen bezüglich betrieblicher Kinderbetreuung. Es ist für viele Eltern ein großer Vorteil, wenn sie wissen, dass die Kinder ganz in der Nähe betreut werden und es wird auch immer mehr für die Betriebe ein Vorteil, hochqualifizierte Mitarbeiterinnen anzusprechen und diese auch möglichst schnell nach der Karenz wieder zurückzubekommen. Ein schwieriger Punkt, den wir noch schaffen müssen, ist die Flexibilisierung in diesem Bereich: Wie kann man, ohne täglich jemanden verpflichten zu müssen, ein Angebot schaffen? Dafür bieten die Tageseltern ein gutes Modell, weil diese ganz flexibel die Betreuung übernehmen können.
Von Unternehmen hört man häufig, dass die Schaffung einer betrieblichen Kinderbetreuungseinrichtung aufgrund des Bürokratieaufwandes sehr schwierig ist.
STELZER_Wir vereinfachen aktuell die Verordnung dafür radikal, um genau diesem Problem entgegenzuwirken. Wir haben auch das Kompetenzzentrum für Karenz und Karriere (Kompass) im Spannungsfeld zwischen Frauenressort und Kinderbetreuung geschaffen, wo Betriebe zu diesem Thema beraten werden.
Was halten Sie von einer Frauenquote bei Führungspositionen?
STELZER_Ich bin gegen eine Frauenquote, weil ich mich innerlich dagegen wehre, dass wir überall ganz genaue Vorgaben und Regelungen machen und den Unternehmen vorschreiben, wie sie zu agieren haben. Es ist unser Job, das wir unterstützen, einen Rahmen und Förderungen anbieten.
Ein wichtiges Thema für die Chancengleichheit aller Kinder und gleichzeitig Betreuung sind auch Ganztagsschulen. Wie weit ist man da und was soll in den nächsten Jahren in Oberösterreich umgesetzt werden?
STELZER_Das Angebot der Ganztagsschulen wird massiv ausgebaut. Daneben haben wir noch mit den über 200 Horten in Oberösterreich ein sehr beliebtes Angebot, bei dem man ein wenig flexibler reagieren kann. In der Schule ist man verpflichtet, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bleiben, ansonsten braucht man einen Entschuldigungsgrund. Wir müssen ein gutes Miteinander schaffen.
Oberösterreich ist bei den Daten der Kinderbetreuung unter dem österreichweiten Durchschnitt: Die Kinderbetreuungsquote bei den 0- bis 2-Jährigen beträgt laut aktueller Kindertagesheimstatistik österreichweit 27,4 %, in OÖ sind es 16,3 %. Bei den 3- bis 5-Jährigen beträgt die österreichweite Quote 95,1 %, in OÖ 94,6 %. 2014/15 gab es in ganz Österreich 21,9 Schließtage (OÖ: 28,5) und 57,5 % der österreichweiten (OÖ: 25,7 %) Einrichtungen hatten mehr als neun Stunden pro Tag geöffnet. Wurde in den vergangenen Jahren dafür zu wenig getan?
STELZER_Oberösterreich ist bei den Betreuungsstellen sehr gut aufgestellt. Wir haben im zweiten Kindergartenjahr eine Besuchsrate von 95 Prozent, im letzten Jahr sind wir de facto flächendeckend, weil das verpflichtend ist. Oberösterreich ist eines der wenigen Bundesländer, die Kinderbetreuung ab 2,5 Jahre beitragsfrei stellt. Es gibt keine – und schon gar keine finanzielle – Hemmschwelle, Kinder in die Betreuung zu geben. Was immer wieder angesprochen wird, ist die Frage der Öffnungszeiten. Mein klares Credo ist, dass dies vor Ort entschieden werden muss und daher sind sie auch ganz unterschiedlich. An der Förderung des Landes scheitert die Bedarfsdeckung sicher nicht. Wir sind in der lokalen Gestaltung der Öffnungszeiten sehr gut. Dass man nie 100 Prozent aller Einzelinteressen abdecken kann, ist klar. Darum haben wir auch in die Tagesmütter kräftig investiert, weil die genau den besonderen Bedarf abdecken können.
Landesrätin Birgit Gerstorfer fordert einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Wie stehen Sie dazu?
STELZER_Nachdem wir die Beitragsfreiheit in der Kinderbetreuung anbieten und damit sagen, ihr könnt die Kinder in Betreuung geben, braucht man den Rechtsanspruch nicht. Es ist außerdem fraglich, ob dieser auch durch Tageseltern abgedeckt wäre oder man damit immer Institutionen meint. Und dann stellt sich immer noch die Gretchenfrage, wie man das entsprechend finanzieren könnte.
Wäre eine 35-Stunden-Woche wie in Frankreich eine denkbare Lösung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerb sowie für weniger Arbeitslosigkeit?
STELZER_Unabhängig von der Frage, wie viele Frauen in Führungspositionen sind, ist in einer Phase, in der wir alle für mehr Wirtschaftsaufschwung kämpfen und viele Unternehmen dringend Arbeitskräfte brauchen, der Ruf nach weniger Arbeitsstunden falsch. Was wir brauchen, ist eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten.
Kann man eine Führungsposition auch in Teilzeit erfüllen?
STELZER_Wenn wir wollen, dass Frauen nach der Karenz wieder in den Beruf einsteigen und auch ihre frühere Funktion wieder ausüben, muss das auch in Teilzeit möglich sein. Weil sonst braucht man nicht von einer Wahlfreiheit bei der Gestaltung des Familienlebens sprechen.
Kann auch eine Landesrätinnen-Funktion in Teilzeit erfüllt werden?
STELZER_Politikerin oder Politiker zu sein ist in Österreich momentan ein Vollzeitjob. Es gibt auch keine rechtlichen Vorgaben zum Thema Karenz oder Teilzeit. Diese sollte man sich aber überlegen – unsere Klubobfrau Helena Kirchmayr hat das auch schon thematisiert.
Stichwort Flüchtlingswelle. Dadurch treffen wir auf Kulturen, welche die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt ganz anders definieren. Was muss die Politik hier tun?
STELZER_Da gibt es Null Toleranz, die Leute suchen sich unser Land als neue Heimat aus, weil wir sehr viele Vorzüge haben und da gehört auch die Art und Weise dazu, wie wir leben. Die unbedingte Gleichberechtigung von Frau und Mann ist ein unverrückbarer Bestandteil, wer bei uns leben will, muss das akzeptieren. Wenn jemand das nicht akzeptiert, muss er die Folgen mit allen Möglichkeiten, der vom Staat aufgestellten Regeln, spüren.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Frauen im Unterschied zu Männern?
STELZER_Ich achte darauf, dass in meinem unmittelbaren Team im Büro immer Frauen dabei sind, weil die Herangehensweise der Frauen eine andere ist. Frauen haben eine andere Sicht, sind auch multitaskingfähiger als Männer. Es ist aber vor allem für das Gelingen des Teamworks ganz wichtig, dass man geschlechtergerecht aufgestellt ist. Weil auch die Welt eine bunte ist, muss das auch bei den Mitarbeitern entsprechend so sein.
Das OÖVP-Regierungsteam besteht aber bis zum Rücktritt von Landeshauptmann Josef Pühringer im April ausschließlich aus Männern …
STELZER_Das war keine Glanzleistung der OÖVP, aber wir machen das insofern gut, indem wir mit Christine Haberlander eine neue, engagierte, tolle Frau in die Landesregierung bringen. Sie wird Landesrätin für die Bereiche Bildung, Kinderbetreuung, Gesundheit und Frauen._