Fake-News-Geschrei, Hasspostings und Alternative Facts. Mancherorts wird bereits vom postfaktischen Zeitalter gesprochen. Doch wie es nun wirklich um Glaubwürdigkeit, Deutungshoheit und Aussagekraft von Informationen steht, darüber diskutieren drei Kommunikationsprofis in der Tabakfabrik.
Ein geschlossenes Weltbild durch einseitiges Informieren und Algorithmen abonniert zu haben und darin zu leben, ist fatal.
Gerald Mandlbauer
Chefredakteur, OÖ Nachrichten
Es gibt national und international ein großes Bedürfnis nach Überprüfung, ob etwas Fake oder Fakt ist.
Florian Klenk
Chefredakteur, Falter
Und dann konnte plötzlich jeder alles schreiben.
Früher war doch immer schon alles besser. Ruhiger. Und einfach ehrlicher. Echt jetzt? „Wie im Journalismus ist es auch im Marketing: Wir müssen eine relevante Botschaft finden, die wahr ist und Sinn macht. Wenn Botschaften nicht wahr sind, bekommt man in beiden Bereichen den Zorn der Gesellschaft zu spüren“, sagt Kriegner. Und Wahrheit sei Qualität und koste Zeit, ist sich Klenk sicher: Daran werde sich auch zukünftig nichts ändern. „Ich habe 1991 meinen ersten Artikel geschrieben. Wie arbeitsintensiv dieser Prozess war, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt Klenk. „Journalismus beinhaltete viele Kontrollschleifen. Man hat den einzelnen Journalisten und den Medien vertraut, weil sie Informationen gesammelt, bewertet und analysiert haben.“ Und ja, dieses Vertrauen in die Medienlandschaft habe sich mit dem Beginn von Social Media in den 2000er Jahren geändert. Plötzlich konnte doch jeder alles schreiben. Alles kommentieren. Und das nicht nur wie früher durch einen Leserbrief. Der dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ja doch wieder nicht abgedruckt wurde. Es wird nun Raum für die Veröffentlichung der eigenen Meinung gegeben. Viel Raum. Unendlich viel. Klingt doch vernünftig, also wo liegt hier das Problem? Klenk nennt dieses Phänomen den Bürgerjournalismus. Und Mandlbauer sagt: „Klar kann es auch als Vorteil gesehen werden, dass Leser und User nun auf Inhalte und Informationen replizieren können. Oder über Missstände berichten und sich auf digitalen Stammtischen austauschen können. Doch viele, die sich äußern, bedenken nicht, dass ihre Äußerungen meistens von Emotionalität getragen sind. Nicht von Rationalität.“ Auch Klenk meint: „Es gibt viele bekannte positive Beispiele dieser neuen Wirkmacht. Leider haben aber auch viele radikale Gruppierungen und Bewegungen dieses Feld sehr schnell entdeckt. Und erfolgreich genutzt.“
Das Echo in der eigenen Kammer
Und dann befindet man sich auf einmal mittendrin. In dieser Blase. Aus Inhalten und Meinungen, die intern einen Wettkampf mit emotionalen Höchstleistungen veranstalten. Und sich dabei pushen. Höher, weiter, tiefer. Doch wie ist man nur dorthin gekommen? Und: Wie findet man wieder raus? „Filterblasen sind natürlich eine Gefahr des Internets. Ein geschlossenes Weltbild durch einseitiges Informieren und Algorithmen abonniert zu haben und darin zu leben, ist fatal“, meint Mandlbauer.
Die größte Gefahr von Echokammern und Filterblasen gehe hier von Facebook aus, denn wenn beispielsweise „lauter Radikale lauter radikale Seiten abonnieren, kommen sie da nicht mehr raus“, sagt Klenk. Und Informationen, die wirklich für die Gesellschaft relevant seien, finden in so mancher persönlichen Weltanschauung keinen Platz mehr. Doch wer oder was bestimmt gesellschaftliche oder gesellschaftspolitische Relevanz? „Sicher nicht, wer im Netz besonders laut ist“, sagt Klenk. Er wünsche sich von Journalisten wieder mehr Selbstbewusstsein. Es sei der falsche Weg, sich ständig an der Masse, an Klickzahlen und Likes zu orientieren. „Wir sind Experten. Wir sind politisch und gesellschaftlich verschieden und haben durch unser Netzwerk, unsere Erfahrung und Expertise Fühler und ein Radar, das uns sagt, was für unsere Gesellschaft wichtig ist und was nicht“, meint Klenk dazu. Und egal ob es sich hier um Printprodukte oder digitale Berichterstattung handle, „wenn man den journalistischen Prinzipien treu bleibt, dann bleibt man glaubwürdig“, sagt Mandlbauer. Er sehe den großen Vorteil von Printprodukten im „Überraschungseffekt“: „Ich lese auf einmal etwas, von dem ich vorher noch nicht einmal wusste, dass es mich interessieren könnte. Werde dadurch offener und kann mich weiterentwickeln.“ Intelligent genutzt, so Klenk, können aber natürlich auch soziale Plattformen einen großen Mehrwert bringen. „Ich liebe Twitter. Hier werden mir in meiner Timeline jene Informationen von Tageszeitungen zugespielt, die mich wirklich interessieren. Ich nutze es als Informationskanal.“ Als Diskussionskanal verwendet, könne Twitter ebenfalls gewinnbringend sein. Aber eben nur manchmal. Sehr oft werde mit rechthaberischen Leuten diskutiert, die immer Streit provozieren oder „jemandem einfach ins Haxl beißen wollen“. Hier ende die Sinnhaftigkeit dieser Infrastruktur.