Beflügelnder Teamgeist
Der Flughafen Linz hat definitiv schon bessere Zeiten erlebt. Seit Corona steht der Flugverkehr quasi still. Ruhig ist es in Hörsching trotzdem nicht. Der Frachtbereich ist dabei, in die Champions League der Logistik abzuheben. Wie die Flughafenmannschaft trotz ungewohnter Bedingungen und mancher Turbulenzen die gute Laune behält und mit Zuversicht in die Zukunft blickt, haben wir bei unserer Stippvisite erlebt.
Schon schräg. Die Parkflächen, die für Linien- oder Charterfluggäste reserviert sind und normalerweise gut gefüllt sind, sind leer. Fast voller Betrieb herrscht allerdings am Mitarbeiterparkplatz. Kein Wunder, es gibt ja (trotzdem) einiges zu tun, obwohl auch hier Kurzarbeit am Plan steht. Zu Beginn unseres Lokalaugenscheins haben wir uns mit Anton Gierlinger und Daniel Welser verabredet. Die beiden haben die Finanzhoheit über den rund 150 Mitarbeiter starken Betrieb.
In der Abteilung herrscht Aufbruchsstimmung. Verbunden mit etwas Wehmut. Anton Gierlinger wird nach 34 Jahren demnächst das Zepter an seinen Nachfolger Daniel Welser übergeben. Mit gutem Gewissen. Trotz Krise. „Ich habe schon so manche Turbulenzen miterlebt“, sagt der baldige Pensionist, der seine Arbeit am Flughafen unter ganz anderen Voraussetzungen startete. „Damals hat es gerade einmal eine Software für die Abwicklung und eine für die Fakturierung der allgemeinen Luftfahrt gegeben. Wir hatten zwei sündhaft teure PCs und das war’s. Meine erste Aufgabe war es, die kaufmännische Software zu implementieren. Der beginnende Digitalisierungsschub spielte natürlich auch eine Rolle“, sagt der 64-Jährige, der auch für den Frachtbereich, für Vermietungen und den Duty-free-Shop zuständig war. Freilich waren die Dimensionen damals noch andere.
Rückschlag nach dem Boom
Nach dem ersten Boom des Flughafens kam mit Beginn des Jugoslawienkriegs 1991 ein erster Rückschlag im Frachtbereich. Zwei Jahre später ein Aufschwung, als die niederländische Fluggesellschaft KLM eine regelmäßige Verbindung nach Amsterdam aufmachte. „Zeitgleich mit dem Bau der Fracht 1 im Jahr 1994 ging es dann auch mit den Passagieren aufwärts. Zwei Jahre später begannen wir sukzessive mit dem Ausbau der Fracht“, sagt Gierlinger, der maßgeblich am Erfolg des Cargosektors beteiligt ist. Auch wenn er das nicht ganz so sehen will: „Alleine hat hier nie jemand etwas gemacht. Wir haben immer alle in den zuständigen Abteilungen zusammengeholfen, um uns weiterzuentwickeln“, sagt das „Urgestein“, das es auch immer verstand, den Teamgeist aufrechtzuerhalten, Mitarbeiter zu motivieren und die gemeinsame Vision zu verfolgen. Das „große Ganze“, an dem Anton Gierlinger immer gearbeitet hat, ist nun ein eigens ausgelagerter Frachtbereich mit fünf Terminals. Aber dazu später.
„Ich bin schon durch so manche Krise getaucht. Egal ob Nahostkrise, Anschläge in Ägypten oder in der Türkei, wo wir im Passagierbereich extrem betroffen waren. Corona war und ist aber sicher meine größte Herausforderung“, sagt der Prokurist, der den Flughafen aber im wirtschaftlich sicheren Hafen weiß. „Natürlich sind unsere Reserven angeknabbert, aber wir stehen gut da“, sagt Gierlinger, der sich seinen Nachfolger gut ausgesucht hat. „Ich weiß, was mich erwartet. Die Liquidität ist gesichert, ich schlafe gut damit“, sagt Daniel Welser, der 2014 das Controlling übernommen hat und mit März das mittlerweile 10-köpfige Team im Bereich Finanzen, Einkauf, Controlling und Personalverrechnung anführt.
Es fliegt, es fliegt …
… so ziemlich alles. Und wenn wir noch einmal einen Rückblick wagen: Der Flughafen Linz hat sich in den vergangenen knapp 40 Jahren rasant entwickelt. Die Passagieranzahl hat sich von 170.000 auf bis zu 800.000 Passagiere erhöht, die Fracht hat ihre Kapazität von 2.000 auf mittlerweile fast 43.000 Tonnen gesteigert. Derzeit ist dieser Bereich wie der Fels in der Brandung, das wirtschaftliche Standbein. Unverzichtbar.
Was sich auf dem 18.000 Quadratmeter großen Areal wie und wann dreht, überblickt das „Team Cargo“. 48 Mitarbeiter sind hier im Schichtbetrieb fast durchgehend im Dienst, um Medikamente, Waren aller Art oder auch Tiere in die Luft zu schicken. Der Flughafen Linz ist nämlich einer von wenigen Flughäfen im europäischen Zentralraum, an dem alle Arten von Huftieren importiert werden können.
Klingt nach viel Stress, Zettelwirtschaft und jeder Menge Druck. „Logistik muss man leben. Entweder man liebt sie oder man hasst sie“, sagt Christoph Strassgschwandtner, der seit fünf Jahren mit seinem Team die Frachtgeschäfte in die richtigen Bahnen lenkt: „Ich liebe sie, weil das Geschäft extrem schnelllebig ist. Ohne ein Team, das zusammenhält, sich gegenseitig unterstützt und füreinander da ist, wäre es aber nicht möglich, all die verschiedenen Projekte zu meistern“, sagt der Bereichsleiter, dem es sichtlich gefällt, dass er und seine Mannschaft maßgeblich am Erfolg des Flughafens beteiligt sind. Und sein Team agiert quasi „bereichsübergreifend“ mit dem eingeschworenen und viel größeren „Team Ramp“, um die Reise der Fracht dann auch wirklich möglich zu machen.
Auf in die Champions League
„Der Frachtbereich führt ein Schattendasein abseits der Öffentlichkeit. Viele können sich nicht vorstellen, was hier alles passiert und wie wichtig wir für die Wirtschaft und den Wirtschaftsraum Oberösterreich sind. Niemand weiß, dass wir auf dem Markt unsere Stellung von Jahr zu Jahr verbessern“, sagt der 31-Jährige, der auch noch beeindruckende Zahlen nachschießt: „Wir sind im deutschsprachigen Raum die Nummer elf von 44 Verkehrsflughäfen. Wir liegen sogar vor Hamburg, Berlin oder Stuttgart. Es ist wie in der Europa League Fußball zu spielen, nun greifen wir nach der Champions League“, sagt Strassgschwandtner, der versucht, seinen Leuten immer zur Seite zu stehen. Wie etwa Julia Puchner, die sich als eine der wenigen Frauen, in der männerdominierten Branche, beweist: „Generell braucht man in der Logistikbranche ein dickes Fell, in Stresssituationen wird der Ton manchmal ruppig“, sagt die 28-Jährige, die sich ab und an ein Wortgefecht mit ungeduldigen LKW-Fahrern liefert und trotz unvorhersehbarer Ereignisse wie Flugverspätungen oder Transportschäden. einen kühlen Kopf behält.
Stressresistenz, Einsatzbereitschaft, Genauigkeit und logisches Verständnis sind ihrer Meinung nach die Mindestanforderungen für den herausfordernden Job. Zusätzlich sind wir gefragt, wenn es um lösungsorientiertes Arbeiten geht. Hier kommt es regelmäßig zu Last-Minute Entscheidungen, die wir im Sinne unserer Kunden treffen“, sagt Julia Puchner als die leidenschaftliche Logistikerin.
Follow me
Ähnlich flexibel müssen auch die Leute im „Team Ramp“ agieren, wenn auch in ganz anderen Bereichen. Hier ist die Mannschaft extrem breit aufgestellt, rund 40 Mann (und ja, es sind tatsächlich ausschließlich Männer) kümmern sich um den reibungslosen Betrieb des Flughafens. Klingt einfach. Ist es aber nicht. „Wir sind da, wenn der Flieger landet, weisen diesen mit dem Follow-me-Car ein, kümmern uns darum, dass die Passagiere aussteigen können, das Gepäck in die Ankunftshalle kommt, die Crew des Fliegers informiert und das Flugzeug betankt wird“, sagt Christian Bergthaller, der wie all seine anderen Kollegen im Notfall auch als Feuerwehrmann agieren muss und kann.
Aber nicht nur das, das Arbeitsumfeld bringt auch viele unsichtbare Aufgaben mit sich. Wie die Instandhaltung und das Bedienen der (gezählten!) 233 Fahrzeuge am Flughafen. Schneeräumungsfahrzeuge, Feuerwehrautos oder Highloader sind hier die Spielzeuge der Herren. „Man muss sich in vielen Bereichen auskennen. Wir beraten beispielsweise auch die Piloten, welches Enteisungsmittel bei welcher Witterung am sinnvollsten ist“, sagt Thomas Pittrich, der auf einen enormen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Immerhin ist er seit 16 Jahren am Flughafen im Einsatz. Und happy dort: „Mir taugen das familiäre Klima und die unterschiedlichen Aufgaben, die wir erledigen dürfen.“ Er ist es auch, der gerne die Neuzugänge einschult und ein wenig unter seine Fittiche nimmt. Der Flughafen Linz bietet seinen Mitarbeitern auch viele Schulungsmöglichkeiten, was sich im speziellen auch gerade im Bereich der Betriebselektriker zeigt: „Ich habe erst vor einem Jahr meine Umschulung zum Elektriker gemacht und bin seither am Flughafen“, sagt Maximilian Illibauer, der sich sehr gut integriert fühlt.
Dass die Herren nicht nur flexibel in ihren Einsatzbereichen sind, beweisen sie in der derzeitigen Coronasituation. Immerhin steht der Passagierdienst mit Ausnahme der General Aviation, also der allgemeinen Luftfahrt, komplett still. Die Frachtflieger verlangen dem dezimierten Schichtteam trotzdem alles ab. „Die Mannschaft ist quasi auf Abruf bereit, Unvorhergesehenes gibt es immer wieder mal und dann braucht die eingeteilte Schicht rasch Verstärkung“, sagt Markus Kugler, der als Operationsmanager versucht, die Crews, die in Kurzarbeit sind, so gut wie möglich zu unterstützen. „Ich habe immer ein offenes Ohr“, sagt der 50-Jährige, der seinem Team auch in schwierigen Zeiten Zuversicht gibt._