Jeder zweite neu verkaufte BMW weltweit ist mit einem Diesel- oder Benzinmotor aus Österreich unterwegs. Das BMW Group Werk Steyr hat sich als größtes Motorenwerk des Autokonzerns einen Namen gemacht. Doch nun befindet sich die Automobilindustrie in einem grundlegenden Wandel. Auch der Produktionsstandort in Steyr reagiert: Rund 350 Millionen Euro wurden alleine im Jahr 2020 in einen umfangreichen Transformationsprozess investiert. Und noch ist kein Ende in Sicht.
Knapp eine Million Triebwerke produzierte das Motorenwerk der BMW Group in Steyr im letzten Jahr – 996.636, um genau zu sein. Dazu kommen rund zehn Millionen Komponenten. Das Unternehmen blieb damit coronabedingt hinter dem Vorjahresergebnis: „Wir konnten einen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro erwirtschaften. Das entspricht einem Rückgang von 19 Prozent – analog zur geringeren Stückzahl in der Produktion“, resümiert Geschäftsführer Alexander Susanek das herausfordernde Geschäftsjahr 2020. Die Pandemie erforderte teilweise Produktionsunterbrechungen im März und April, ehe nach einer schleppenden Nachfragesituation im Frühsommer die Produktion ab August wieder deutlich hochgefahren werden konnte. „Erfreulich ist aber, dass wir trotz dieser Widrigkeiten die Beschäftigungsentwicklung auf dem Vorjahresniveau halten und unsere Investitionen weiterhin fortsetzen konnten. Wir haben in unserem Werk einen Transformationsprozess in Gang gesetzt, der Zukunftssicherheit für den Standort bedeutet“, zeigt sich Susanek zufrieden.
Kapazitäten erweitert
Im Juni 2020 hat die Serienproduktion der Gehäuse für E-Antriebe im BMW Group Werk Steyr begonnen. „Die werden nun exklusiv bei uns in Steyr gefertigt – für den gesamten Konzern“, so der Geschäftsführer. Um bis 2025 eine Kapazität von 460.000 Einheiten pro Jahr zu erreichen, wird die Fertigungslinie laufend weiter ausgebaut – Kostenpunkt im letzten Jahr: 25,7 Millionen Euro. Nur drei Monate später nahm im September eine neue Motorenmontagelinie zur Produktion von 4- und 6-Zylinder-Benzinmotoren ihren Betrieb auf. Ein „weiterer Meilenstein für den Standort in Steyr“, in den das Werk 102 Millionen Euro investierte. „Mit dem neuen Montageband haben wir unsere Kapazität für die Benzinmotoren erhöht und gleichzeitig die Abhängigkeit vom Diesel in unserem Werk reduziert. Dadurch können wir jetzt sehr flexibel auf Änderungen der Nachfrage reagieren und die Auslastung zwischen Diesel- und Benzinmotoren, die auch bei Plug-in-Hybriden eingesetzt werden, gut variieren“, erklärt Susanek den Hintergrund der Investition.
Zudem hat die BMW Group im November eine richtungsweisende Zukunftsentscheidung zugunsten des Werkes in Steyr getroffen: „Die europäische Fertigung für Verbrennungsmotoren wird bis spätestens 2024 an den beiden Standorten Hams Hall (England) und Steyr gebündelt. Ab dem Jahr 2022 werden wir daher schrittweise Produktionsvolumen aus dem Münchner Motorenwerk übernehmen. Damit stärken wir unsere Auslastung für die nächsten Jahre weiter“, so Susanek. „Wir haben den Anspruch, auch in der Zukunft der führende Standort für Antriebe innerhalb der BMW Group zu bleiben.“
Eindeutig zweigleisig
Die Investitionen sind auch Ausdruck der Unternehmensstrategie: Mit dem parallelen Ausbau der Produktionskapazitäten für Verbrennungsmotoren sowie im Bereich der Elektromobilität stellt sich das Werk in Steyr breit auf. Denn eines sei klar: Die Zukunft des Antriebs ist vielfältiger geworden. „Unsere Strategie lautet ‚Power of Choice’. Die BMW Group verfolgt den Ansatz, Kunden den Antrieb zu bieten, der am besten zu ihrem Mobilitätsverhalten passt. Die Kunden sollen die Wahl haben, für welchen Antrieb sie sich entscheiden“, sagt Susanek. „Dabei bekennt sich die BMW Group ganz klar zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Wir wollen unsere Produktion noch energieeffizienter gestalten.“ Rund 230 Gigawattstunden an Energie verbraucht das Werk in Steyr. Das entspricht in etwa dem Verbrauch von 55.000 Haushalten. „Diese Energie beziehen wir bereits heute zu 80 Prozent aus regenerativen Quellen – beim Strom sind es sogar 100 Prozent. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2025 komplett CO2-neutral in unserem Energieverbrauch zu werden. Dazu haben wir klare Maßnahmen definiert.“
Inhaltliche Neuausrichtung
Festgehalten wurden diese Maßnahmen im „Programm 25“, dem Zukunftsplan des BMW Group Werkes Steyr. Um der steigenden Nachfrage von Elektromobilität gerecht zu werden, sieht das „Programm 25“ unter anderem auch eine strategische Neuausrichtung für das Entwicklungszentrum am Standort vor – inklusive Umbenennung vom „Dieselmotoren-Entwicklungszentrum“ zum „Entwicklungsstandort Steyr“. Susanek: „Einerseits verfolgen wir hier weiterhin konsequent die Optimierung des Verbrennungsmotors, andererseits verankern wir damit den Bereich der Elektromobilität bei uns. Wir haben im letzten Jahr bereits damit begonnen, die Entwicklung von elektrischen Antriebseinheiten zu übernehmen. Diese Tätigkeiten werden wir heuer sukzessive ausbauen.“ Mit Jahresbeginn waren rund 700 Mitarbeiter im Entwicklungszentrum tätig, davon etwa fünfzehn Prozent für Elektromobilität. Dieser Anteil soll deutlich steigen.
Ein Schlüssel dazu soll auch das Aus- und Weiterbildungszentrum am Standort Steyr sein, in dessen Ausbau kürzlich fünf Millionen Euro investiert wurden. Entstanden ist dabei ein neues Schwerpunkt-Trainingszentrum für Elektromobilität und Digitalisierung. „Unsere Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter ist deshalb essenziell für die erfolgreiche Transformation unseres Werkes“, ist Susanek überzeugt. „Hier qualifizieren wir unsere Mitarbeiter in der Anwendung modernster Technologien und Innovationen.“ Auch die Lehrlingsausbildung soll in Zukunft im neuen Trainingszentrum stattfinden.
Im „Programm 25“ wird der Transformationsprozess an dieser Stelle aber noch nicht für beendet erklärt: Neben einem geplanten 37-Millionen-Euro-Investment in den Ausbau der bestehenden Fertigungslinie für die Gehäuse der E-Antriebe soll noch eine weitere Produktionslinie hinzukommen. „Auf einer Fläche von über 3.500 Quadratmetern werden ab Sommer 2022 bis zu 180.000 Einheiten zweier unterschiedlicher Gehäusetypen gefertigt“, so Susanek. 70 Mitarbeiter sollen an dieser neuen Linie beschäftigt werden. Bis zur Fertigstellung rechnet das Unternehmen mit Investitionen von rund 80 Millionen Euro. „Wir werden den Transformationsprozess mit aller Kraft und Entschlossenheit vorantreiben. Aktuell können wir aus einer Position der Stärke agieren. Gerade deshalb ist es wichtig, jetzt die entscheidenden Weichen zu stellen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern.“_
Wir werden den Transformationsprozess mit aller Kraft und Entschlossenheit vorantreiben.
Alexander Susanek
Geschäftsführer, BMW Group Werk Steyr