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Was steckt wirklich hinter Bio?

Wussten Sie, dass die Herstellung von Stickstoffdünger für die Landwirtschaft jährlich rund 800 Millionen Tonnen CO2 freisetzt? Und wussten Sie, dass Bioprodukte eigentlich billiger sind als konventionelle Ware? Nicht? Dann aufgepasst! „Die Hoflieferanten“ setzen sich für nachhaltige Produkte ein, vernetzen sich mit regionalen Bioproduzenten und entwickeln neue Absatzwege. Mittlerweile gibt es vier Hoflieferanten-Supermärkte in Oberösterreich und Niederösterreich – weitere sollen folgen. Sebastian Thaller, Geschäftsführer von „Die Hoflieferanten“, klärt über Fakten und Mythen in der Biowirtschaft auf.

Sebastian Thaller über ...

... den Grund, warum Bioprodukte NICHT teurer sind als konventionelle

Der teurere Preis bei Nahrungsmitteln aus biologischer Produktion ergibt sich aus zwei Tatsachen: dem höheren Arbeitsaufwand bei gleichzeitig niedrigeren Erträgen. Im Preis konventionell erzeugter Lebensmittel werden allerdings die ökologischen und sozialen Folgekosten der Produktion nicht berücksichtigt. Würde man im Sinne der Kostenwahrheit auch die Umweltreparaturkosten beachten, die für die Sanierung nach intensiver industrieller Bewirtschaftung anfallen, sind Produkte aus biologischer Landwirtschaft deutlich kostengünstiger als Lebensmittel aus konventionellem Anbau. Die heutigen Lebensmittelpreise zeigen nur einen Teil der tatsächlichen Herstellungs-, Nutzungs- und Beseitigungskosten. Langfristige Folgen auf Mensch und Umwelt werden dabei nicht berücksichtigt.

... die Behauptung, dass Bio nur ein Marketing-Gag sei

Bio entspricht nicht immer unseren idyllischen Vorstellungen und den romantischen Bildern, die wir aus der Werbung kennen. Muss es aber auch nicht – viel bedeutender ist, dass Bio auf klaren und umfassenden Richtlinien beruht. Was Bio ist, was Bio kann und was Bio verspricht, ist durch die EU-Bio-Verordnung genau definiert. Alle Lebensmittel, die in der EU als bio gekennzeichnet auf den Markt kommen, unterliegen den gleichen strengen Vorgaben. Die Einhaltung aller Vorschriften wird mindestens einmal jährlich von staatlich anerkannten Kontrollstellen überprüft. Auch die Kennzeichnung ist klar geregelt: Auf jedem Biolebensmittel müssen der Hinweis „aus biologischer Landwirtschaft“, die Codenummer der Biokontrollstelle und das Biologo angeführt sein. Für einen Marketing-Gag wäre das insgesamt ein ziemlich übertriebener Aufwand.

Der Biolandbau bietet umfassende Lösungen für zahlreiche Herausforderungen der Menschheit und ist damit die klarste Option für eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Im Supermarktregal sieht man nicht, was hinter einem Produkt wirklich steckt, und oft entscheidet der Preis darüber, ob wir etwas kaufen oder nicht. Wer aber hinter die Kulissen blicken möchte, der erkennt, dass die Unterschiede zwischen zwei „gleichen“ Produkten doch sehr groß sein können.

... die Auswirkungen des Preiskampfes in der Lebensmittelindustrie

Lebensmittel sind heutzutage so billig wie noch nie. Scheinbar billige Lebensmittel kosten den Steuerzahler aber Geld, das an anderer Stelle verlangt wird: Die Rechnung der Wasserwerke, weil Nitrat und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel aus dem Trinkwasser entfernt werden müssen. Längere Krankheitszeiten und hohe Arzneimittelkosten, weil Krankheitskeime aufgrund des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung Resistenzen entwickeln können und Nahrungsmittelallergien zunehmen.

Der jahrzehntelange Preiskampf im Lebensmittelhandel hat die Produkte billig gemacht – aber auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit und der Landwirte. Werden qualitativ hochwertige Lebensmittel nach ökologischen Prinzipien produziert, sind sie an der Ladenkasse etwas teurer. Doch für die Gesellschaft bedeutet das einen Gewinn: eine saubere Umwelt, mehr Lebensmittelqualität und mehr Arbeitsplätze.

... die Frage, ob Bio automatisch auch gesünder ist

In Österreich ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen grundsätzlich verboten – auch in der konventionellen Landwirtschaft. Der Unterschied ist aber, dass Futtermittel (wie Soja aus Übersee) für die konventionelle Bewirtschaftung sehr wohl gentechnisch verändert sein können. Bei biologischer Landwirtschaft ist das nicht der Fall. Sie lehnt Gentechnik entschieden ab und steht für eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Risiken für Mensch und Natur.

Dazu gehört auch eine artgemäße Tierhaltung. In der Biolandwirtschaft werden die artspezifischen Ansprüche der Nutztiere berücksichtigt: Sie brauchen ein vielseitiges und wechselhaftes Angebot an Sinnesreizen und freie Bewegungsmöglichkeiten. Außerdem werden Nutztiere in naturgemäßen Gruppengrößen gehalten, um tierisches Wohlbefinden sicherzustellen. All das wirkt sich natürlich positiv auf die Qualität des Fleisches aus. Biolebensmittel schneiden bei sensorischen Tests oft besonders gut ab. Bei pflanzlichen Produkten liegt das unter anderem am höheren Trockensubstanzgehalt und an der verlängerten Reifezeit. Anders ausgedrückt: Sie enthalten weniger Wasser und schmecken dadurch intensiver. Biolebensmittel haben auch einen deutlich höheren Gehalt an ernährungsphysiologisch erwünschten Inhaltsstoffen wie mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen. Sie weisen außerdem kaum Pestizid- und Schwermetallrückstände sowie niedrige Nitratwerte auf. In Biolebensmitteln wird nur etwa ein Zehntel der in der konventionellen Verarbeitung zugelassenen Hilfs- und Zusatzstoffe eingesetzt. Dass der Konsum per se gesünder ist, kann man aber nicht sagen – auch biologische Produkte können zu viel Zucker und Fett enthalten.

... den Wasserverbrauch der (biologischen) Landwirtschaft und die Auswirkungen auf die Umwelt

Seit 1950 hat sich der weltweite Wasserbedarf verdreifacht. Dabei spielt die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle: Sie ist für unglaubliche 70 Prozent des globalen Süßwasserverbrauchs verantwortlich. Da in Österreich aufgrund ausreichender Niederschläge grundsätzlich wenig bewässert werden muss, ist der Anteil der Landwirtschaft am gesamten Wasserverbrauch hierzulande vergleichsweise gering. Allerdings kann sich das durch den Klimawandel und die damit verbundenen trockenen und heißen Sommer rasch ändern. Neben der verwendeten Wassermenge ist auch die qualitative Beeinträchtigung des Wassers durch unerwünschte Stoffeinträge – beispielsweise durch chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder schnelllösliche mineralische Düngemittel – von großer Bedeutung. Diese sind in der biologischen Landwirtschaft verboten. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass humusreiche Bioböden deutlich mehr Wasser aufnehmen und speichern können als intensiv bewirtschaftete Flächen. Hauptgrund dafür sind die bessere Boden- und Porenstruktur, wodurch das Wasser schnell in tiefere Bodenschichten transportiert wird. Der Biolandbau leistet einen wichtigen Beitrag, die Intensität von Hochwasser und Bodenerosion zu mindern.

... den Einfluss biologischer Landwirtschaft auf den Klimawandel

Neben Industrie und Verkehr sind auch Lebensmittelproduktion und Ernährung wesentlich am Klimawandel beteiligt. Bis zu 30 Prozent der Treibhausgasemissionen werden diesen beiden Sektoren in industrialisierten Ländern zugeschrieben. Vor allem tierische Produkte wie Fleisch und Käse verursachen sehr hohe Emissionen - ebenso wie nichtsaisonales Gemüse, das aus beheizten Glashäusern stammt. Während der Transport unserer Lebensmittel vom Feld bis in den Handel durchschnittlich „nur“ fünf bis zehn Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen verursacht, entsteht der Großteil der Emissionen bei der landwirtschaftlichen Produktion.

Vor allem intensive Tierhaltung sowie die Produktion und der Einsatz schnelllöslicher mineralischer Stickstoffdünger sorgen für hohe Treibhausgasemissionen, auch die Umwandlung von Grünland oder Waldflächen in Ackerland – beispielsweise, um Futtermittel wie Soja anzubauen – tragen zu dieser Entwicklung bei. Allein die Herstellung der über 100 Millionen Tonnen Stickstoffdünger, die weltweit pro Jahr erzeugt werden, setzt rund 800 Millionen Tonnen CO2 frei. Der energieaufwendige Prozess verbraucht große Erdöl- und Erdgasmengen und belastet Umwelt und Klima. Doch düngen geht auch ohne Erdöl. Biolandwirte versorgen ihre Pflanzen mit organischen Düngern wie Kompost. Der Verzicht auf schnelllösliche mineralische Stickstoffdünger, die Bindung von Kohlenstoff im Boden durch Humusaufbau, eine flächengebundene Tierhaltung, der niedrigere Einsatz von Kraftfuttermitteln und der sparsame Umgang mit nichterneuerbaren Ressourcen tragen zur guten Klimabilanz der Biolandwirtschaft bei._

Der jahrzehntelange Preiskampf im Lebensmittelhandel hat die Produkte billig gemacht – aber auf Kosten der Umwelt, der Gesundheit und der Landwirte.

Sebastian Thaller Geschäftsführer, Die Hoflieferanten

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