„Wir bieten einen Obstkorb und eine kostenlose Wasserflatrate.“ Der Moment, in dem passionierte HR-ler:innen nur mit den Augen rollen. Auf Social Media ist es mittlerweile sogar Trend, sich über unzeitgemäße Benefits zu belustigen. Aber was ist heute wirklich gefragt? Und wie gelingt echtes Employer Branding in der Welt von morgen?
Verantwortungsvolle Führungspositionen und ein intaktes Familienleben sind nur schwer unter einen Hut zu bringen. „Nicht, wenn der Arbeitgeber verständnisvoll ist und einen sogar tatkräftig unterstützt“, entgegnen Cornelia Schwaminger, Leiterin des People & Organisations-Bereichs Employer Branding, und Alexandra Fenz, Head of Human Resources. Die beiden Führungskräfte bei BDO Austria sind echte „Working Moms“, die in ihrem Job vor allem darauf Wert legen, sich nicht zwischen Karriere und Familie entscheiden zu müssen. Ihre feste Überzeugung: Auf die richtigen Signale komme es an, um Mitarbeitenden den Rücken zu stärken. Ein Beispiel? Erst kürzlich durfte sich eine Kollegin während ihrer Karenz über ihre Beförderung freuen. „Auch ich selbst bin kurz nach meiner Rückkehr aus der Karenz befördert worden“, erinnert sich Schwaminger.
Sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber sei diese Vereinbarkeit zwar herausfordernd und nicht immer leicht, jedoch am Ende des Tages nur eine Frage der Organisation, die zu einem echten Win-win für alle Beteiligten führt. Konzepte wie Shared Leadership, Papamonat und die eigenen Kinder in den Ablauf des beruflichen Alltags zu integrieren sind bei BDO gang und gäbe. Aus Überzeugung – denn gerade durch diese Individualität etablieren Unternehmen eine moderne Kultur, um trotz Arbeitskräftemangel weiterhin die richtigen Talente zu finden. Worauf kommt es außerdem für ein erfolgreiches Recruiting und zukunftsfähiges Employer Branding an? Im Gespräch mit zwei Expertinnen, die tagtäglich beide Seiten erleben.
„Wir bieten einen Obstkorb und eine kostenlose Wasserflatrate“ war gestern. Was ist dann heute und was ist morgen?
Cornelia Schwaminger: Die genannten Dinge sind aus meiner Sicht definitiv zu wenig. Uns fällt auf: Einer der Mehrwerte, den unsere Kunden als Unternehmen unbedingt bieten müssen, ist der Purpose. „Wo kann die Reise hingehen? Welche Richtungen im Unternehmen gibt es?“ sind Fragen, die es den Mitarbeitenden heute zu beantworten gilt. Außerdem ist Flexibilität in allen Bereichen – zeitlich und örtlich – von großer Bedeutung. Ich würde sogar von einem hohen Autonomiegrad sprechen. Wer heutzutage etwa kein Homeoffice anbietet, dessen Bewerberzahlen werden sinken – diesen Wünschen muss man gerecht werden.
Inwiefern verändert sich der Beratungsanspruch in den Unternehmen, die Sie betreuen, durch die veränderten Voraussetzungen am Arbeitsmarkt?
Cornelia Schwaminger: Wir merken, dass die Babyboomer den Markt verlassen. Die Generation Z strömt auf den Arbeitsmarkt und bereitet das Feld für alle anderen Generationen, weil diese jungen Menschen das Selbstbewusstsein haben, klar zu formulieren, was sie wollen. Natürlich haben sie das Glück, dass gerade ein Arbeitnehmermarkt vorherrscht – dadurch können sie es sich erlauben, stark zu fordern. Davon profitieren aber auch andere Generationen, die ähnliche Bedürfnisse haben, diese aber bisher nicht äußerten. In der Beratung ist unsere größte Herausforderung der wachsende Bedarf nach Austausch – Stichwort Mediation –, um die jeweils passenden Lösungen gleichwohl für innovative Unternehmen als auch für traditionell konservativere Betriebe zu finden.
Employer Branding bedeutet nicht, Pflaster aufzukleben, sondern nachhaltige Veränderung.
Cornelia Schwaminger
Leiterin des Bereichs Recruiting & Employer Branding, BDO Austria
3 Tipps der Expertin
für gelungenes Employer Branding
#1 Vertrauen in der Unternehmenskultur verankern als Basis für mehr Individualität und Flexibilität.
#2 Eine gesunde Feedback- und Fehlerkultur leben, um sich stets weiterzuentwickeln.
#3 Örtliche und zeitliche Flexibilität ermöglichen, um autonomes Arbeiten und die Motivation im Team zu fördern.
„One fits all“ hat ausgedient.
Alexandra Fenz
Head of Human Resources, BDO Austria
Welche Dinge sollten in modernen Unternehmenskulturen längst selbstverständlich sein, sind es jedoch (noch) nicht?
Alexandra Fenz: Vertrauen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Wir setzen als BDO alles daran eine fördernde Unternehmenskultur zu schaffen und das Individuum dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Bei zunehmender Unternehmensgröße und steigender Vielfalt ist das natürlich ein Stresstest, denn wer weiß schon genau, wie viel Vertrauensvorschuss notwendig ist und wie vertrauensvoll das Umfeld tatsächlich ist? Hier sind Mut und ein positives Mindset gefordert. Und jene, die diesem Stresstest standhalten und sich darauf einlassen, werden die Zukunft positiv und erfolgreich meistern.
Eine Entwicklung des Arbeitskräftemangels ist, dass Arbeitgeber Kompromisse eingehen (müssen), zu denen sie vor einigen Jahren noch nicht bereit waren. Wie gehen Sie bei BDO damit um?
Alexandra Fenz: Wir alle müssen uns vom Stillstand verabschieden und auf Veränderungsprozesse vorbereitet sein. Wenn man den Kopf in den Sand steckt, wird das ein kräfteraubender Akt und für Verzweiflung sorgen. Wir konzentrieren uns stattdessen auf die Chancen, die entstehen, und die Bedeutung von Individualität. Entscheidend ist es, Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, ihre Vielfalt und ihre Persönlichkeit bestmöglich einsetzen zu können, damit sich ein Erfolgserlebnis einstellt. Dann schafft man auch sukzessive Unternehmenszugehörigkeit und Stabilität.
„Greatness starts with you“ lautet Ihr eigener Karriereslogan. Wie wichtig ist es, selbst in einem Großkonzern auf die Bedürfnisse auf individueller Ebene einzugehen?
Alexandra Fenz: Viele Unternehmen nehmen es als Ärgernis wahr, wenn bisherige „One fits all“-Lösungen plötzlich nicht mehr greifen. Dabei sind diese nun einfach gefragt, sich weg vom Gießkannenprinzip hin zu Individuallösungen zu entwickeln. Und obwohl im Moment vordergründig über Benefits gesprochen wird, bleibt das Gehalt ein zentrales Thema. Denn wo Firmen beginnen, mit Geld „um sich zu werfen“, werden all jene chancenlos, die unter dem Markt bezahlen. Da geht es heutzutage weniger um Status, sondern die Preise explodieren, wodurch wiederum private Kosten steigen – eine Entwicklung, der man als Arbeitgeber Rechnung tragen muss. Langfristig werden nur diese Unternehmen die besten Talente für sich gewinnen._
3 Tipps der Expertin
für erfolgreiches Recruiting
#1 Diversität fördern und Menschen mit neuen Blickwinkeln gewinnbringend ins Unternehmen integrieren.
#2 HR als strategischen Business Partner etablieren.
#3 Mut und ein positives Mindset haben, um flexibel auf stetige Veränderungen zu reagieren.
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