#1 Wie man richtig gute Kunden findet.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an der Bar. Auf der gegenüberliegenden Seite nippt jemand an seinem Gin, der Ihnen eigentlich ganz gut gefällt. Also der Mensch, nicht der Gin. (Obwohl der auch ganz ansprechend aussieht.) Und dann lächelt er Sie an. Sympathisch, sehr sympathisch. Vielleicht zwinkert er sogar. Und irgendwann ist es soweit. Er kommt zu Ihnen, Sie tauschen die ersten Worte aus, immer noch sehr sympathisch. Aber dann. Dann redet er plötzlich die ganze Zeit über sich. Wie toll er nicht ist, welche Vorteile er so mitbringt, was ihn unersetzlich macht. Und warum Sie ihn unbedingt mit nach Hause nehmen sollten.
Nehmen Sie ihn mit? Wohl kaum. Man verliebt sich nicht in jemanden, der sich selbst so wichtig nimmt. Man verliebt sich in jemanden, der einen sieht wie noch keiner zuvor. Der einen versteht. Der dieses Puzzleteil ist, das gefehlt hat. So verhalten sich Menschen. Und weil es immer noch Menschen sind, die ein Produkt kaufen, eine Dienstleistung konsumieren oder Geschäfte eingehen, verhalten sie sich auch beim Einkaufen und beim Abschließen von Geschäften so. „Das Problem vieler Unternehmen bei der Kundengewinnung ist: Sie schreien raus, was sie alles können, und hoffen, der Kunde erkennt dann schon, wie wichtig das für ihn ist“, erklärt Oliver Kronawittleithner. Der weitaus effektivere Weg sei, so der Geschäftsführer von Rentsales, über den Kunden zu reden. Und ihm dann eine Lösung für sein Problem zu liefern. „Viele kommunizieren die eigene Lösung anstatt des Nutzens der Lösung für den Kunden.“
Zurück an die Bar. Sie haben die aufdringliche Person gerade abserviert. Und was macht dieser Mensch? Er marschiert zum nächsten Gast. Und zieht dieselbe Masche ab. Irgendwann wird schon jemand anbeißen, bestimmt. Aber bis dahin vergeht viel Zeit und viele Ressourcen werden verschwendet. Im Business ist das nicht anders. „Dabei möchte jeder einzelne Kunde individuell behandelt werden. Und das Gefühl haben, dass man ihn tatsächlich als Kunden haben will“, so Kronawittleithner weiter. Diese Vorbereitung, dieses kundennutzenfokussierte Denken kostet Zeit, erklärt Markus Eiselsberg. Der Linzer ist FH-Professor und Autor des Buches „Prozesse im Unternehmen“. Man müsse Marktforschung betreiben, ein Problembewusstsein entwickeln und den Kundennutzen überhaupt einmal verstehen, um in weiterer Folge die individuelle Lösung kreieren zu können. Auf lange Sicht sei es aber wesentlich effizienter, so zu handeln. Und zwar im gesamten Unternehmen. Eiselsberg weiter: „Man muss den Kunden richtig lesen. Richtig im Sinne von: Den Kundennutzen kennen und die Prozesse darauf abstimmen.“ Damit das gelingen kann, dürfe man allerdings nicht in Abteilungen denken, sondern in Prozessen, die auf den Kundennutzen bezogen sind. Vertriebsexperte Oliver Kronawittleithner plädiert ebenso für das Ende des Abteilungsdenkens in den Unternehmen: „Marketing und Vertrieb müssen viel stärker verschmelzen. Ich glaube, dass es mittelfristig diese Abteilungssilos gar nicht mehr geben wird.“
Und es hat Klick gemacht
Das Interesse ist ja schnell mal geweckt. Aber wie springt schließlich der Funke über? „Es geht um zwei Ebenen, die fachliche und die emotionale“, so Eiselsberg. Mit fachlich meint er, maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können. Emotional bedeute, Vertrauen zu gewinnen und auf derselben Wellenlänge zu schwingen. Norbert Draskovits stimmt ihm zu: „Der Kunde muss im Fokus stehen, es braucht einen emotionalen Zugang.“ Und: „Man muss gut zuhören, hinterfragen, richtige Schlüsse daraus ziehen. Und dann konsequent umsetzen.“ Als Direktor des Linzer Flughafens hat er unterschiedliche Kunden – Reiseveranstalter, Airlines, Reisebüros, Fluggäste. Diese allesamt wortwörtlich an Bord zu holen, zufrieden zu stimmen und mit ihnen Beziehungen aufzubauen, ist kein einfaches Unterfangen. Aber Norbert Draskovits mag Herausforderungen. Vielleicht ist ihm deshalb das gelungen, was man in Flughafenkreisen als Königsklasse bezeichnet: eine Fluglinie für fünf Monate in Linz zu stationieren und damit ein vielfältiges Sommerflugprogramm für Urlaubsreisende anbieten zu können. „Dazu muss man die richtige Airline finden – nämlich eine, die für alle Veranstalter, die ja im Grunde Konkurrenten sind, passt – und einen Flugplan aufbauen, der für alle ideal ist. Jeder hat ja andere Bedürfnisse“, so Draskovits. Und da sei Kompetenz gefragt. „Man muss im B2B-Bereich wissen, welchen Bedarf der andere hat.“ Aber das alles sei dennoch nichts wert, wenn die persönlichen Schwingungen nicht stimmen. „Zum Teil verbinden mich mit den Entscheidungsträgern Freundschaften“, sagt Draskovits. Und Freunde kennt man meist verdammt gut. Man weiß, wie sie ticken.
Oliver Kronawittleithner sieht das ähnlich. „Die Zeiten des undifferenzierten Marketings sind vorbei. Wir müssen Kunden möglichst individuell ansprechen – Losgröße 1.“ Kunden würden immer weniger loyal zu Marken und wechselbereiter sein. Damit werden Unternehmen, die sich besser auf Kunden einstellen können, erfolgreicher sein. „Unabhängig davon, ob sie eine bekannte Marke haben oder nicht.“ Das bedeutet: Unternehmen müssen flexibler sein, schneller werden, in kleineren Einheiten denken, Chancen rascher nutzen. „Verkaufsteams müssen sich einfach die Frage stellen: Wie kann ich dem Kunden helfen, sein eigenes Geschäft besser zu machen – mit Hilfe meiner Lösung?“, ist Kronawittleithner überzeugt.