Es ist wie das Bild des Karrens, der im Dreck steckt. Europa alleine schafft es nicht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Axel Greiner
Präsident, IVOÖ
Aktuell wird auf europäischer Ebene und auf Bundesebene über eine weitere Verschärfung der Klimaziele diskutiert. Der European Green Deal soll dafür sorgen, dass Europa als erster Kontinent klimaneutral wird. Sie fürchten negative standort- und finanzpolitische Auswirkungen für Österreich. Warum?
GREINERDie Industrie steht hinter den Klimazielen und auch zur Notwendigkeit, fossile durch regenerative Energieträger zu ersetzen. Der Umbau der Wirtschaft muss aber so gestaltet werden, dass Europas Industrie nicht an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Leider sind wichtige Global Player wie China oder die USA in dieser globalen Diskussion nicht mitgegangen und Europa macht den Vorreiter, weil Europa die Technologien und das Know-how hat. Österreich ist führend in energie- und klimaschonenden Produktionsverfahren. Der Green Deal kann aber industrielle Produktionsprozesse, die auf CO2-intensiven Energieträgern und Rohstoffen beruhen, sehr stark unter Druck setzen und zu einer Abwanderung der Produktion und einem Abfluss von Arbeitsplätzen in Nicht-EU-Staaten führen. Die Produktion in Österreich hat positive Effekte auf die globale Klimabilanz. Zwar steigen dadurch die nationalen Emissionen, aber eine Tonne an Mehremissionen in Österreich durch verstärkte Produktion von Zwischenprodukten bringt eine Einsparung von 1,9 Tonnen an Treibhausgasemissionen auf globaler Ebene.
Ohne konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und eine Gesamtkostenaufstellung kann der Umbau des Wirtschaftssystems nicht geplant werden. Wettbewerbsverbote durch die Politik können die freie Marktwirtschaft schädigen. Die energieintensive Industrie bildet die Grundlage für alle weiteren Branchen. Wenn sie so zurückgefahren wird, dass sie nicht mehr konkurrenzfähig ist, dann werden Österreich und Europa an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Eine wirtschaftliche Chance im Green Deal besteht also nur, wenn auf globaler Ebene gehandelt wird.
Sie fordern ein akkordiertes globales Vorgehen zur Erreichung der klimapolitischen Ziele. Wie könnte das funktionieren?
GREINERHier ist die europäische Politik gefordert, Verhandlungen mit den übrigen globalen Wirtschaftsregionen zu führen: So wie in einem globalen Abkommen gegen den Verlust der Ozonschicht gekämpft wurde, so war das Pariser Abkommen ja auch als gemeinsames Vorgehen gedacht. Es ist wie das Bild des Karrens, der im Dreck steckt. Einer zieht den Karren und die anderen müssen anschieben. Europa alleine schafft es nicht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Es müssen alle wichtigen Wirtschaftsregionen an Bord geholt werden und Staaten wie Indien, China und die USA schneller eingebunden werden. Zum Vergleich: Europa ist für zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, China für 28 Prozent. Wir sehen in Europa die Aufgabe, Technologien zur CO2-Reduktion zu entwickeln und dann dafür zu sorgen, dass sie weltweit eingesetzt werden.
Warum kommen diese Verschärfungen der Klimaziele gerade jetzt in der Coronakrise?
GREINERDas Statement „Das Klima wartet nicht, bis wir die Pandemie überwunden haben“ ist richtig. Die Coronakrise beschleunigt viele Prozesse, die bislang gar nicht so leicht umzusetzen gewesen wären, gerade im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung. Und nun ist der richtige Moment, um diese neuen Technologien zur Anwendung zu bringen. Die Industrie möchte für die Erarbeitung der Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele ein Mitspracherecht. Ein globales Level-Playing-Field bei den Kosten für CO2-Emissionen ist notwendig und es muss klar kommuniziert werden, welche Auswirkungen die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele für jeden Einzelnen haben könnten.
Die Bundesregierung möchte bis 2030 die gesamte Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen beziehen. Sie fordern hierzu eine Nachschärfung der Gesetze, insbesondere des „Erneuerbaren- Ausbau-Gesetzes“. Was fordern Sie konkret?
GREINERWir fordern auch hier eine Gesamtkostenbetrachtung. Im Moment wird das Gesetz von Seiten der Energieerzeugung aufgesetzt und die Folgekosten werden nicht mitbedacht. Im Entwurf werden nichtgeförderte Energieträger komplett ausgeblendet. Vielfach wird nur bis zum Wasserstoff gedacht, aber dafür brauchen wir ja ein völlig neues logistisches System, Maschinen und Anlagen. Europa kann nur durch Technologien leben, weil es nicht genügend Rohstoffe hat. Es ist deshalb wichtig, dass das Gesetz eine technologieoffene Ausschreibung zulässt, damit wir als Forschungs- und Innovationsland alle Möglichkeiten ausschöpfen und diese marktwirtschaftlich umsetzen können._