Die Aufgabe ist für alle Bundesländer dieselbe: möglichst gut aus der Krise zu kommen. Die Voraussetzungen dafür sind freilich unterschiedlich. Oberösterreich hat als exportstärkstes Bundesland und generell mit seiner Wirtschaftsstruktur (weniger abhängig vom Tourismus als etwa Tirol und Salzburg) eine krisenfestere Basis als so manch andere Region. Dennoch stellt sich die Frage: Was kann man sich (als Region, aber auch als Mensch) von Oberösterreichs Umgang mit Herausforderungen abschauen?
Oberösterreich ist das Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote österreichweit, es gibt sogar mehr Beschäftigte als vor Corona. Wie ist das möglich?
StelzerAlso zunächst einmal: Wir freuen uns darüber, dass wir uns trotz noch anhaltender Krise schon wieder so gut entwickeln und damit eine Arbeitsplatzsicherheit für so viele haben. Aber ich glaube, eine unserer Besonderheiten oder Stärken ist, dass wir uns zwar über solche Entwicklungen freuen, aber uns nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen. Sondern immer nach vorne gehen. Unsere Grundhaltung ist, dass man selbst dann, wenn es sehr gut läuft, ständig Innovationen und Weiterentwicklungen braucht. Das ist, denke ich, eine der treibenden Kräfte, warum es Oberösterreich Gott sei Dank doch so gut geht. Das ist zwar sehr herausfordernd, aber letztlich unabdingbar. Wir sind ein internationaler Standort, unsere Unternehmen müssen sich mit internationalen Firmen auf Weltmärkten messen und daher müssen wir immer vorausgehen, sonst verlieren wir diesen Status schnell.
Dazu braucht es Toparbeitskräfte. Nun will man mit dem Oberösterreich-Plan 13.800 neue Beschäftigungsverhältnisse schaffen – doch wie kann man sicherstellen, dass die auch angenommen werden? Stichwort Fachkräftemangel.
StelzerJa, das haben Sie in der Eingangsfrage schon gut beschrieben – nachdem wir schon wieder so viel Beschäftigung haben und der Wirtschaftsmotor in den meisten Bereichen wirklich wieder sehr, sehr gut läuft, stellt sich bei vielen Unternehmen die Frage: Wo bekommen wir Mitarbeiter her? Daher ist das Thema Schulung und Qualifizierung ein wichtiger Bestandteil des Oberösterreich-Plans. Und auf der anderen Seite muss natürlich der Standort an sich attraktiv sein, damit er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzieht. Eine Rolle bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels spielt auch, dass wir Gott sei Dank nach wie vor das Lehrlingsland Nummer eins sind. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterschaft kommt in vielen innovativen Unternehmen aus der dualen Ausbildung heraus. Das ist ein Stärkefeld, auf das wir unbedingt weiterhin setzen wollen.
Welche Impulse kann die Politik geben, um lehrlingsreichstes Land zu bleiben?
StelzerNatürlich lebt die duale Ausbildung davon, dass sie sehr praxisgetrieben ist. Das heißt, dass die Unternehmen bereit sind, einen Teil der Ausbildung zu übernehmen. Als Politiker können wir schauen, dass wir die Schulen immer am aktuellen Stand der Zeit und der Technik halten. Wir investieren im Rahmen unseres OÖ-Plans insgesamt 45 Millionen Euro zusätzlich in die Bildung. Davon 22 Millionen Euro für den Pflichtschulbau – zum Beispiel in lernfreudige Räume, insbesondere in die Digitalisierung, etwa in Tablets für Schülerinnen und Schüler.
Oberösterreich ist Exportbundesland Nummer eins, zwei Drittel aller produzierten Waren gehen ins Ausland. War Oberösterreich dadurch in der Krise auch verletzlicher?
StelzerKurzfristig vielleicht schon, weil ja am Beginn der Krise vor allem durch die Grenzschließungen und Grenzkontrollen der internationale Austausch schwierig war. Aber schon kurz darauf haben wir gesehen, dass unsere Unternehmen schnell wieder Tritt gefasst haben, weil sie auf Weltmärkten tätig sind. Denn Weltmärkte bedeuten Breite. Und das heißt, wenn du in einem Teil vielleicht ein Problem hast, hast du wieder ein paar andere Bereiche, die gut funktionieren. Und es hat uns schon sehr dabei geholfen, dass vor allem beschäftigungsintensive Bereiche sehr schnell wieder in Schwung gekommen sind.
Ist den Oberösterreichern eigentlich bewusst, dass sie im exportstärksten Land leben?
StelzerDas ist eine gute Frage! Ich glaube, es geht uns allen gleich: Wir sind hier daheim, wir fühlen uns wohl, aber vieles ist sehr schnell selbstverständlich. Das ist ein menschlicher Zug. Ich glaube aber schon, dass bei uns Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern – wenn wir vergleichen, wie es anderswo auf der Welt so ist, wie hoch etwa die Arbeitslosenraten anderswo sind – auch Stolz auf unsere Heimat mitschwingt. Denn letztendlich tragen alle Landsleute dazu bei.
Inwiefern kann man als Einzelner von dieser Exportstärke profitieren?
StelzerMit breitem Wohlstand und Lebensqualität. Und auf den Einzelnen adjustiert: Mit einer verlässlichen Einkommenssituation, weil dadurch auch Arbeitsplatzsicherheit und vor allem eine Breite des Arbeitsplatzangebotes gegeben ist. Das ist vielschichtiger und auch interessanter als in vielen anderen Regionen.
Oberösterreich unterscheidet sich von anderen Regionen auch im Bereich Innovationen. Während die Zahl der Patentanmeldungen in Österreich 2020 um knapp zwei Prozent zurückging, konnte Oberösterreich um 8,6 Prozent zulegen. Was steckt dahinter?
StelzerJa, das drückt aus, wie innovationsfreudig unser Wirtschaftsgeschehen wirklich ist. Denn es wird ständig danach gesucht, wo wir besser werden können, wo Produktinnovationen möglich sind, wo Bedarf da ist. Das hat natürlich mit Forschung zu tun und mit der sehr unkomplizierten Kooperation, die es bei uns in breiten Teilen der Wirtschaft, mit Universitäten und Fachhochschulen gibt. Auf der anderen Seite hat es auch sehr viel mit der Praxis zu tun, weil unsere Unternehmen mit internationalen Kunden in Kontakt sind und quasi ein Feeling dafür bekommen, was gebraucht wird. Damit ist man auch schneller im Aufspüren von Kundenwünschen.
Offenbar nicht nur im Aufspüren von Kundenwünschen, sondern auch von Bedürfnissen jener Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Kein anderes Bundesland investiert pro Kopf mehr in die Förderung von Menschen mit Beeinträchtigung als Oberösterreich. Mit knapp 4.500 Betreuungsplätzen stellt Oberösterreich die meisten zur Verfügung. Ist das ein reines Geben oder auch ein Nehmen?
StelzerEs kommt mit Sicherheit etwas zurück! Aber es gehört aus meiner Sicht auch zu einem Selbstverständnis, das wir in Oberösterreich leben. Nämlich, dass wirtschaftliche Stärke, wirtschaftlicher Erfolg kein Selbstzweck ist, sondern einfach auch die Gesellschaft insgesamt voranbringen und stärken soll. Wenn es viel Eigenverantwortung und dadurch auch viel Erfolg gibt, muss es auch ein Mitnehmen und ein Unterstützen derer geben, die das nicht so wahrnehmen können, aber genauso ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Dass wir die soziale Verantwortung wahrnehmen und wieder hundert zusätzliche Wohn- und Betreuungsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung schaffen, ist ein positives Beispiel von vielen, das dazu führt, dass wir ein erfolgreiches Land sind. Denn dieser Erfolg ist ein Gesamtkunstwerk und geht nie nur von einem Bereich aus.
Nicht nur von einem Bereich geht auch die Regierungsarbeit hierzulande aus: 95 Prozent aller Beschlüsse werden in der oberösterreichischen Landesregierung einstimmig von allen Parteien (Türkis, Blau, Rot, Grün) beschlossen. Da würden sich wohl viele andere Regierungen, aber auch Führungskräfte in Unternehmen gerne etwas abschauen. Also wie gelingt das?
StelzerNatürlich hat die Nummer eins, die führende Kraft, immer die Aufgabe zu schauen, dass es ein Klima gibt, in dem Zusammenhalt möglich ist. Diese hohe Einstimmigkeitsrate gelingt uns in der Landesregierung Gott sei Dank, obwohl wir vier Parteien in der Regierung haben. Ich sehe das aber noch in einem größeren Zusammenhang. Dass wir so gut durch die Krise gekommen sind, hat auch damit zu tun, dass ganz viele Leute bereit waren, sich an die unangenehmen Einschränkungen zu halten. Das ist auch eine Gemeinschaftsleistung. Das heißt, ganz offensichtlich gibt es bei uns schon so ein Grundklima, in dem viele bereit sind zu sagen: Ich bin ein Teil davon und darum trage ich auch jenen Teil, der mir möglich ist, bei.
Die Coronaimpfung ist ein Teil, den grundsätzlich jeder beitragen könnte, damit wir alle wieder ein „normales Leben“ führen können. Wie kann es gelingen, möglichst viele dazu zu bewegen?
StelzerInformation und transparente Darstellung sind die Grundaufgaben. Und auch bewusst zu machen, dass die Impfung das Mittel ist, mit dem wir dem Virus den Schrecken nehmen können. Wir sollten nicht der Illusion erliegen, es werde schon irgendwann vorbeigehen. Jetzt ist Sommer und das Virus bleibt leider, das bestätigen auch alle Experten. Wenn wir ohne Einschränkungen und Schließungen durchkommen wollen, brauchen wir also die Impfung. Außerdem geht es darum, das Impfangebot möglichst niederschwellig und kundenfreundlich zu legen. Mit den Impfstraßen, die überall im Land verteilt sind, gelingt das gut.
# Gedanken
von Thomas Stelzer
Typisch oberösterreichisch_ Die Menschen hier halten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg, sind offen und gerade. Man weiß also immer, woran man ist. Sie stecken den Kopf nicht in den Sand, das hat man in der Coronakrise einmal mehr gesehen. Sie sagen „Machen wir was draus“, und machen das dann auch. Diese zupackende Art, die ist nicht nur sehr sympathisch, sondern auch sehr erfolgreich.
Ein Ratschlag, der mir immer weitergeholfen hat_ Mein Vater hat immer gesagt: Ist der Wirbel noch so groß, zwei mal zwei bleibt viere bloß. Der Spruch kommt mir immer wieder in den Kopf. Der sagt quasi aus, dass man sich immer auf die Fakten besinnen soll und sich nicht in irgendwas hineinziehen lassen soll, auch wenn es noch so hektisch wird.
Was ich noch nicht gelernt habe, aber gerne noch lernen würde_ Es gibt viele Sprachen, die mich interessieren würden … Morgen zum Beispiel besucht mich mein Kollege aus Tschechien, der Kreishauptmann von Südböhmen. Mit dem würde ich mich schon gerne auf Tschechisch unterhalten. Sprachen waren immer meine Lieblingsgegenstände in der Schule, die eine oder andere könnte ich mir gerne noch vornehmen.