Ein führendes, starkes Industrieland können wir nur sein, wenn wir das
unter Umwelt- und Klimaschutzgesichtspunkten sehen.
Thomas Stelzer
Landeshauptmann Oberösterreich
Das letzte Jahr hat nicht nur ein Virus gebracht, sondern auch ein verstärktes Bewusstsein – für Klimaschutz zum Beispiel. Kann Oberösterreich als Industrieland auch im Bereich Umweltschutz eine Vorreiterrolle einnehmen?
StelzerDas ist ein wichtiger Punkt, auf den wir immer wieder hinweisen müssen. Ein führendes, starkes Industrieland können wir nur sein, wenn wir das unter Umwelt- und Klimaschutzgesichtspunkten sehen. Weil sonst könnten wir an unserem Standort schon längst nicht mehr Stahl produzieren oder generell industrielle Produktion betreiben. Das heißt, ich glaube, wir machen vor, wie Verantwortung in Richtung Klima- und Umweltschutz geht. Das sehen wir aktuell bei der voest, die für ihre Forschung zur Stahlproduktion ohne den Einsatz von fossilem Kohlenstoff bereits das Schutzrecht vom Europäischen Patentamt erhalten hat. Damit kann Eisenschwamm mittels grünem Wasserstoff und Biogas hergestellt werden. Eine weltweit einzigartige ökologische Zukunftstechnologie und eine neuer Standard im Klimaschutz – und das in einem Betrieb hier bei uns in Oberösterreich! Aber da gilt wieder genau das, was ich schon zu Beginn gesagt habe: Gut, dass es jetzt so ist, aber um die weiteren Ziele, die wir uns und die sich auch Europa gesetzt hat, zu erreichen, müssen wir unseren Weg konsequent weitergehen.
Welche konkreten Ziele hat man sich bezüglich Klimaschutz gesetzt?
StelzerBis 2030 wird die Energiegewinnung aus Sonnenstrom in Oberösterreich verzehnfacht. Im vergangenen Jahr wurde bei uns etwa ein Viertel der neuen österreichischen Photovoltaik-Leistung errichtet. Der Ausbau der Wasserkraft wird vorangetrieben: Alleine in Oberösterreich gibt es 900 Wasserkraftanlagen. Schon jetzt ist Oberösterreich bei fast allen erneuerbaren Energieträgern Nummer eins. Oberösterreich nutzt jeweils die meiste Energie aus Biomasse, Wasserkraft und Sonnenkraft. Auch im Bereich klimafreundlicher Infrastruktur haben wir viel vor: In Oberösterreich entsteht eine neue Regionalstadtbahn, um das klimafreundliche Pendeln in den Zentralraum zu verbessern. Das ist das größte, klimafreundlichste Mobilitätsprojekt in Oberösterreich seit 1945. Bis 2030 fließen außerdem 725 Millionen Euro in den oberösterreichischen Schienenverkehr. Der Schutz von Umwelt und Heimat ist für uns mehr als nur ein Lippenbekenntnis – es ist ein konsequenter Weg mit Hausverstand, bei dem sich Ökonomie und Ökologie nicht ausschließen, sondern optimal ergänzen sollen.
Und in welchen Bereichen kann Oberösterreich von anderen Regionen lernen?
StelzerAlso vielleicht darf ich grundsätzlich sagen: Wir sind natürlich stolz und freuen uns, dass es bei uns so gut läuft, aber wir wollen jetzt nicht als Oberlehrer anderen gegenüber auftreten. Natürlich schauen wir in die große weite Welt – wir haben ja zum Ziel, dass wir uns zu den europäischen Spitzenregionen entwickeln. Da gibt es noch andere, die vor uns sind, und da sind wir auch immer im Austausch, um uns anzuschauen, auf welche Punkte man setzen kann. Ein wesentliches Learning ist bei all jenen, die erfolgreich sind, dass man nicht versucht, einen ganzen Bauchladen anzubieten, sondern seine Stärken und Kompetenzen weiter ausbaut. Beim Thema Internationalität kann man sich bei anderen abschauen, dass zum Beispiel Englischunterricht schon bei den ganz Kleinen beginnt. Das ist ein Punkt, in dem wir uns weiterentwickeln können.
Wie stark liegt der Erfolg eines Landes eigentlich in der Hand der Politik?
StelzerGanz viel liegt an den Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern selbst, die aktiv mitgestalten – der Erfolg ist damit eine große Gemeinschaftsleistung. Wir haben ganz viel Eigeninitiative in der Wirtschaft. Ich glaube, Aufgabe der Politik für so einen modernen Standort, für ein Land der Möglichkeiten, muss sein: Dort, wo es gute Entwicklungen und einen Schub gibt, nicht durch allzu viele Einschränkungen bremsend aufzutreten. Dort, wo man sieht, dass etwas Gutes für das Land und seine Menschen entstehen kann, braucht es einen Anschub, Unterstützung oder Förderung. Und dort, wo es um das gesellschaftliche Miteinander geht, muss man vernünftige Regelungen mit Hausverstand machen, damit dieses Miteinander stattfinden kann. Aber immer eher unter dem Gesichtspunkt, wie man Dinge möglich machen kann, und nicht mit Verboten bremst.
Was kann man in der Landespolitik anders bewegen als auf Bundesebene? Oder anders gefragt: Warum haben Sie sich für die Landespolitik entschieden?
StelzerIch bin gerne in Oberösterreich daheim und auch tätig. Aber was auf unserer Ebene auch sicher ein Riesenvorteil ist: der unmittelbare Bezug zu Land und Leute. Also der tägliche Austausch – der ja jetzt zum Glück wieder mehr möglich ist. Das heißt, dass man sofort ein Feedback bekommt und in Kontakt vor Ort mit dem Menschen ist. Positives Feedback, aber natürlich erreicht einen auch Kritik schneller und unmittelbarer. Das ist aber eben der Vorteil auf Landesebene – so kann man punktgenau agieren und auch dann, wenn etwas gut ist, sehr schnell die Früchte und die Erfolge sehen._
Wirtschaftliche Stärke ist kein Selbstzweck, sondern soll auch die Gesellschaft insgesamt voranbringen und stärken.
Thomas Stelzer
Landeshauptmann Oberösterreich
Was wir von Oberösterreich lernen können.
Und zwar auch als Mensch, nicht nur als Region.
# Laufen, auch wenn’s läuft. Nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern immer nach vorne gehen. Auch wenn es sehr gut läuft, ständig Änderungen, Innovationen und Weiterentwicklungen fordern.
# Sich an den Besten messen.
# Neue Bedürfnisse aufspüren. Und zwar mit weitem Blick über den Tellerrand.
# Ein Miteinander möglich machen. Dazu braucht es ein gutes Klima für Zusammenhalt.
# Andere am Erfolg teilhaben lassen. Und soziale Verantwortung übernehmen.
# Keinen Bauchladen anbieten, sondern seine Stärken und Kompetenzen weiter ausbauen.
# Von anderen lernen. Egal, auf welch gutem Weg man ist, Vorbilder gibt es immer.