Auch in Pandemiezeiten? Oberösterreich ist als attraktiver Wirtschaftsstandort bekannt. Wie aber beeinflusst die Coronakrise nachhaltige Entwicklungen im Land? Markus Achleitner, Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat, im Interview.
Nachhaltigkeit ist ein vielschichtiger Begriff. Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit im Kontext einer Pandemie?
ACHLEITNERNachhaltigkeit ist die Basis für wirtschaftlichen Erfolg – egal ob in Pandemie- oder anderen Zeiten. Nachhaltigkeit hat viele Ebenen, für einen nachhaltig erfolgreichen Wirtschaftsstandort stellen Innovationen und die Bereitschaft, klimafit durch die Transformation im Energie- und Mobilitätsbereich zu werden, die Grundlage. In Oberösterreich wird das bereits seit Jahrzehnten gelebt, doch jetzt geht es darum, dass wir unsere Hausaufgaben zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 beziehungsweise 2050 machen. In der Coronakrise darf es kein Entweder-oder zwischen dem Wieder-Hochfahren der Wirtschaft und dem Klimaschutz geben, sondern es muss ein Sowohl-als-auch sein. Die Wirtschaft kann von einer verstärkten Ökologisierung nur profitieren, wenn man darauf achtet, dass die Wettbewerbsfähigkeit etwa durch Forschungsförderungen und andere Begleitmaßnahmen erhalten bleibt. Die große wirtschaftliche Chance liegt darin, dass Ökonomie und Ökologie Turbozwillinge sind. Wir haben in Oberösterreich sehr viel Know-how in der Umwelt- und Energietechnikbranche. Ein paar Zahlen dazu: Aktuell werden rund 11,5 Milliarden Euro Umsatz in den ökologischen Branchen generiert. Rund 30.000 Mitarbeiter arbeiten dort, bis 2030 können dort aber insgesamt 60.000 Greentech-Jobs geschaffen werden. Und darum geht es: aus dieser Transformation auf Basis von nachhaltigen Innovationen wirtschaftlichen Erfolg zu machen.
Der Wirtschaftsmotor brummt stärker als je zuvor, wie immer wieder seit Monaten betont wird. Nun befinden wir uns aktuell in einem Lockdown. Was können Unternehmen betroffener Branchen – abseits der Inanspruchnahme von den Hilfs- und Förderprogrammen – machen, damit sie bestmöglich durch diesen weiteren Lockdown kommen?
ACHLEITNERUnternehmen haben überall dort akuten Aufholbedarf, wo sie nicht up to date aufgestellt sind. Das betrifft besonders den Digitalisierungsgrad im KMU-Bereich: Wir haben gesehen, dass etwa kleine Händler, die im ersten Lockdown keine Online-Verkaufsplattformen hatten, große Probleme bekommen haben. Wir haben nach dem ersten Lockdown gemeinsam mit der Wirtschaftskammer ein Digital-Starter-Programm erstellt und die Fördergelder für die ersten digitalen Schritte von Unternehmen von rund 300.000 auf fast sechs Millionen Euro erhöht. Digital fit in allen Bereichen und Branchen zu werden – Verkaufsplattformen, Prozessen, Abläufen und mehr – ist eine der wichtigsten Lehren der aktuellen Coronakrise für Unternehmen.
Weiters sollen Unternehmen externe Abhängigkeiten, wie etwa aus Südostasien reduzieren, um sich künftig besser gegen Lieferengpässe und -verzögerungen zu rüsten. Umgekehrt sollen die oberösterreichischen KMU gerade in Krisenzeiten mehr Mut für die Neuerschließung von Auslandsmärkten aufbringen. Nur fünfzehn Prozent aller oberösterreichischen Unternehmen exportieren. Hier gibt es Fördermöglichkeiten und Unterstützungen, die genutzt werden können.
In Oberösterreich gibt es viele Industrieunternehmen mit hohem CO2-Ausstoß. Wie wird sich die ökosoziale Steuerreform auf diese Unternehmen und den Wirtschaftsstandort auswirken?
ACHLEITNERBereits jetzt wird in kaum einem anderen Land Stahl, Zement oder Papier klimaschonender erzeugt als in Oberösterreich. Wir sind mitten im Transformationsprozess und um den CO2-Ausstoß weiter reduzieren zu können, braucht es Innovationen und technisches Know-how. Durch die Steuerreform werden Anreize für den Klimaschutz gesetzt, gleichzeitig müssen aber auch Förderungen in die technologische Transformation fließen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu erhalten.
Viele oberösterreichische Unternehmen sind Innfovationsführer in ökologischen Technologien. Seitens des Bundes und des Landes werden innovative, nachhaltige Projekte gefördert – wir planen etwa ein großes Projekt am Voestalpine-Gelände zur Dekarbonisierung der Industrie mit Beteiligung von großen Industrieunternehmen wie Voestalpine und Borealis, Energieversorgern und Forschungseinrichtungen aus Oberösterreich, der Steiermark und ganz Österreich. Das Gesamtvolumen dieser größten Pilotanlage zur Produktion und Speicherung von und zur Forschung an grünem Wasserstoff soll an die 100 Millionen Euro betragen.
Ein nachhaltiger Wirtschaftsstandort bedeutet auch, dass wir nachhaltig wettbewerbsfähig bleiben können.
Markus Achleitner
Wirtschaftslandesrat Oberösterreich