Wobei Thomas Stelzer, seit Oktober 2015 Landeshauptmann-Stellvertreter, etwas auf sich warten lässt. Kein Problem, man findet sich schon eine Beschäftigung im AEC, zum Beispiel auf der großen Schaukel, die im Foyer hängt. Es handelt sich hierbei natürlich nicht um eine gewöhnliche Schaukel – sie versetzt mit ihrer Bewegung ein technisch manipuliertes Klavier über Elektromagneten in Schwingung. Weitere elf Schaukeln, die wie Mobilees über den Köpfen der Besucher hängen, sind für eine spätere Überführung an verschiedene Orte der Welt vorgesehen. „Auch dort werden sie mit Schwüngen Schwingungen erzeugen“, erklärt uns ein junger, enthusiastischer Museumsführer. „Die tonale Begegnung der schaukelnden Besucher findet in Zukunft zufällig statt und erzeugt je nach Anzahl immer einen anderen Mehrklang.“ Die in Klavierform installierte Soundbox gebe also nicht nur die vor Ort erzeugten Töne wieder, sondern auch die der an anderer Stelle „geschaukelten“ Klänge. So entsteht je nach Betriebsamkeit eine andere Komposition. Passt eigentlich ganz gut zur Landespolitik – denn auch hier gilt es, nicht nur die eigenen Töne zu erzeugen, sondern auch jene, die von Bundesebene, Europa und auch weltweit bis hierher klingen, einzubinden. Dazu später im Interview. Und da ist er auch schon, begleitet von seinem stetigen Gefährten (dem freundlichen Lächeln), kommt Thomas Stelzer zur Tür herein und schüttelt, wie es sich für einen Politiker eben gehört, allen die Hand. Auch dem sympathischen Museumsführer. Dieser begleitet uns auch gleich in den Kinosaal, wo wir einen ruhigen Platz zum Reden finden.
Stellen Sie sich vor, dieser junge Mann würde durch ein Museum der politischen Geschichte Oberösterreichs führen. Und stellen Sie sich vor, er würde das in 100 Jahren tun. Was wünschen Sie sich, dass der Museumsführer erzählt, wenn er vor Ihrem Bild Halt macht?
StelzerAm wichtigsten ist mir, dass gesagt wird: „Der war in einem Team dabei, welches für das Land Oberösterreich an einem ganz wichtigen Wendepunkt, an einer Art Zeitwende, wo sich sehr viele Veränderungen abgespielt haben, Verantwortung getragen hat. Einer, der mitgeholfen hat, dass Oberösterreich ein ganz starker Standort mitten in Europa geblieben ist. Ein Standort, den die Leute spannend zum Leben finden, weil es hier zahlreiche Perspektiven gibt. Ein Standort, an dem viele einen Betrieb gegründet haben, weil es ein besseres Klima als anderswo gab und wo herausragende Forschungen, die weltweit Aufmerksamkeit erregten, stattgefunden haben. Und wo auch das soziale Netz so dicht gewoben wurde, dass insgesamt der Wohlstand hoch war.
Sie sprechen vom starken Standort, der so bleiben soll. Möchten Sie den Standort nicht noch viel stärker machen, damit er wieder Innovationsführer wird? Statistiken zeigen, dass es einiges aufzuholen gibt.
StelzerDas ist genau die Challenge, die wir haben. Uns geht’s zwar vergleichsweise gut, aber das darf uns nicht genug sein. Wir müssen uns an weltweiten Regionen messen und es stimmt, was Sie sagen, da müssen wir schon noch einige Schritte machen, damit wir wirklich vorne dabei sind. Das steht im engen Zusammenhang mit Innovationen, mit Forschung, mit moderner Infrastruktur, Stichwort Breitbandversorgung. Und das hat auch damit zu tun, dass wir für Leute von außen attraktiv sein müssen, damit sie einerseits bei uns eine Ausbildung machen möchten und andererseits in Kooperation mit unseren Firmen treten wollen.
In der Wirtschaft ist klar: Wenn man sich den massiven Veränderungen durch die Digitalisierung und deren Rahmenbedingungen nicht anpasst, hat man verloren. Inwiefern muss sich die Politik anpassen?
StelzerAnpassen wäre mir schon wieder zu statisch. Es muss uns gelingen, dass wir mit den Maßnahmen und Förderungen voraus sind. Das hat ganz viel damit zu tun, unsere Kompetenzen in der digitalen Welt zu stärken, damit wir die Führungsrolle dort nicht anderen überlassen. Außerdem müssen wir unsere Exportquoten stärken sowie unser Bildungs- und Ausbildungssystem so weiterentwickeln, dass wir die Leute haben, die wir dazu brauchen.
Genetiker Markus Hengstschläger zeigt aber auf, dass das österreichische Bildungssystem genau das Gegenteil herausbringt, nämlich Durchschnitt. Und der Durchschnitt habe noch nie Innovationen geschaffen.
StelzerFür mich ist klar, dass Schule immer ein gewisses Ausmaß an Grundfertigkeiten und Grundwissen verlässlich vermitteln muss. Aber man muss noch viel konkreter auf die jeweiligen Begabungen des Kindes eingehen. Die wirtschaftliche Entwicklung und der technologische Fortschritt zeigen uns, dass es stark auf die individuellen Fähigkeiten ankommt, weil wir eine Breite an Einsatzmöglichkeiten haben. Diese Persönlichkeitsstärkung müssen wir in Zukunft noch viel mehr befeuern. Deshalb sind auch die momentanen Reformbestrebungen in die Richtung sehr wichtig für uns.
Die guten Ideen sind da. Aber wenn es um deren Umsetzung geht, wird häufig die Kritik laut, dass diese nicht schnell genug passiert. Stichwort Reformstau.
StelzerIch würde es nicht Reformstau nennen, aber es stimmt, dass wir sehr gut im Beschreiben sind, was wir gut machen. Das finde ich auch okay. Wir sind auch noch gut im Beschreiben dessen, was notwendig wäre. Jetzt sind wir aber an dem Punkt, wo das Beschreiben und Feststellen nicht mehr auslangt. Jetzt müssen wir wirklich Dinge ändern, insofern stimmt die Kritik. Ich glaube auch, dass in breiten Kreisen der Bevölkerung der Wille da ist, Veränderungen mitzutragen. Veränderungen wie etwa Investitionen in die Digitalisierung, in die Forschung, in ein breiteres Bildungsangebot bedeuten natürlich auch immer finanziellen Einsatz. Und dieser bedeutet wiederum, dass man Dinge, die wir bisher mitgetragen haben, nicht mehr in diesem Ausmaß mittragen können, weil die Möglichkeiten der öffentlichen Mittel nicht unerschöpflich sind.
Damit macht man aber natürlich nicht alle Wähler glücklich. Spielt die Angst vor der Abwahl für einen Politiker nicht immer eine große Rolle und ist dementsprechend handlungslenkend?
StelzerWas zweifellos stimmt: Jeder Politiker, auch ich, schaut natürlich, wie er größtmögliche Zustimmung erhalten kann, weil man bei einer Wahl gewinnen will. Alles andere wäre beschönigt. Wir haben aber in Oberösterreich eine lange Amtsperiode von sechs Jahren, in der Zeit kann man Dinge wirklich in die Hand nehmen. Und außerdem glaube ich wie gesagt daran, dass in der Bevölkerung eine Grundsehnsucht danach herrscht, dass wir die notwendigen Veränderungen durchführen.
Wie vorausschauend kann Politik denn sein? Am Beispiel der Finanzkrise 2009 oder der aktuellen Flüchtlingskrise – waren sie wirklich unabsehbar?
StelzerIn der Dimension schon. Was wir aber gesehen haben und was wir ehrlicherweise auch lernen müssen: Dass wir im Umgang mit diesen großen Einschnitten schneller sind. Wir haben zwar ganz schnell für Hilfe und Unterkünfte gesorgt, aber in Antworten auf Fragen wie „Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt, für das Bildungssystem und welche Perspektiven können wir diesen Menschen auch zum eigenen Nutzen geben?“ können wir flotter werden.
Die Vernetzung der Menschen über soziale Netzwerke ändert den Zugang der Menschen zur Politik. Wie schafft man gaher heute den Zugang zu den Wählern?
StelzerAuf der einen Seite werden durch die neuen Medien von uns Antworten viel schneller gefordert, man muss sofort reagieren, es gibt keinen Verzögerungseffekt mehr. Auf der anderen Seite ist es auch eine Riesenchance, weil man die Möglichkeit hat, die Leute viel schneller zu erreichen, welche man vielleicht auf herkömmlichen Informationswegen gar nicht erreichen würde. Dennoch stellen wir aber gerade auf Landesebene fest, dass der Wunsch nach persönlichem Kontakt mit uns Politikern schon da ist. Ich denke, dass dieser auch durch die innovativsten technologischen Möglichkeiten nicht ersetzt wird. Wir müssen also vor Ort sein und damit für die Leute greifbar und ansprechbar.
Den Zuspruch der Leute zu bekommen, scheint aber immer schwieriger zu werden - Statistiken zeigen, dass sich immer weniger Menschen in Österreich an eine traditionelle Partei gebunden fühlen. Vor allem bei jungen Menschen ist die Parteiloyalität gering. Was bedeutet das für die Oberösterreichische Volkspartei?
StelzerDass wir erstens noch viel deutlicher sagen müssen, was unsere Vorhaben sind, wohin wir Oberösterreich nach unseren Vorstellungen führen wollen - an die Spitze, mehr Innovationen, dadurch mehr Arbeitsplätze und mehr Sicherheit. Und dass wir zweitens auch bei nicht so angenehmen Themen wie Mindestsicherung im Flüchtlingsbereich oder wie man Asylwerber an den Arbeitsmarkt heranführt, schnell und klar Lösungen anbieten.
Irmgard Griss sagte während ihrer Bundespräsidentschaftskandidatur, dass sie überaus froh darüber sei, keine Partei hinter sich zu haben, denn so müsse sie nicht akribisch darauf Acht geben, nur ja immer parteikonform zu denken, quasi nicht selbstständig zu sein. Ist es nicht tatsächlich schwierig, immer parteikonform zu denken?
StelzerÜberhaupt nicht, eine Partei ist ja kein Konstrukt, wo jemand etwas vorgibt. Ich würde die Aussage von Frau Griss mit Vorsicht genießen, denn aus meiner Sicht ist es schon gut, wenn ein Politiker sagt: "Das ist mein Weltbild, das sind die Grundwerte, auf die ich als Person setze." Das hat ja auch etwas mit Verlässlichkeit zu tun, weil ich damit weiß, wie ich diese Person einordnen kann und welches Weltbild sie hat.
Dieses Weltbild haben Sie in einem Interview mit DIE MACHER vor gut einem Jahr so beschrieben: "Das Idealbild der ÖVP ist eine Familie mit Mutter, Vater, Kind. Aber alle anderen akzeptieren wir." Glauben Sie nicht, dass Sie bei einer steigenden Scheidungsquote damit viele Wähler abschrecken, die nicht dieses Idealbild erfüllen?
StelzerIch glaube, hier gilt der Satz, man sollte uns an unseren Taten und Maßnahmen messen. Man kann, glaube ich, sehr wohl eine Wunschvorstellung, ein Idealbild anstreben, darf aber andere deswegen nicht zurücksetzen. Und ich denke, all die Maßnahmen, die wir im ganz großen Stil in der Kinderbetreuung setzen, die zeigen schon, dass wir auf die verschiedensten Familienkonstellationen eingehen. Ich bin da sicher nicht verbohrt, ganz im Gegenteil - wir gehen auf das ein, was der Zug der Zeit erfordert.
Apropos Zeit. Was früher Science Fiction war, ist heute zum Teil längst Realität. Die Literatur scheint häufig in die Zukunft blicken zu können. Autorin Jane Teller macht in ihrem aktuellen Buch "Krieg. Stell dir vor, er wäre hier." den Zerfall der EU und den Krieg in Europa zum Thema. Glauben Sie, dass es wirklich soweit kommen könnte?
StelzerEs gibt keine Garantie, dass es nicht passiert und daher ist es mir auch so wichtig, auf den Zusammenhalt in Europa zu achten und trotz aller Schwierigkeiten weiter zu festigen. Das ist unsere einzige Sicherheit, um den Frieden erhalten zu können. Sonst brauchen wir uns überhaupt nicht über Fortschritt und Forschung unterhalten, wenn wir das friedliche und sichere Zusammenleben nicht garantieren können. Es kommt noch ein zweites Problem dazu, ein Manko Europas, vielleicht auch Österreichs – dass wir noch zu wenig verstanden haben, dass zu einer guten Außenpolitik auch das Engagement für Gebiete gehört, wo der Frieden auf Messers Schneide steht. Denn wir sehen, dass uns die Auswirkungen des Krieges sehr wohl betreffen – in Form von Völkerwanderungen. Wenn man das im großen Stil wirklich lösen will, dann muss man sich stärker in instabile Regionen einbringen. Entwicklungszusammenarbeit, Investitionen vor Ort, Wirtschaftsimpulse und Sicherheitszusammenarbeit sind ganz dringende Punkte, die wir uns nach der Akutlösung des Flüchtlingsproblems auf jeden Fall noch vornehmen müssen.
Die Angst vor Veränderungen liegt in der Natur des Menschen. Wenn nun der Tag X kommt und Oberösterreich einen neuen Landeshauptmann bekommt, der Thomas Stelzer heißt, was wird sich ändern?
StelzerWir haben uns als neues Team vorgenommen, dass wir wirklich immer reinen Wein einschenken. Und dass wir, wenn wir vorankommen wollen, all unseren Kindern, egal welche Begabungen sie haben und welchen Bildungsweg sie wählen, eine Chance im Land geben, das Maximum daraus zu machen. Wenn wir in dem Bereich investieren, dann bedeutet das, dass wir in anderen Bereichen reformieren müssen.
In welchen?
StelzerDas trifft viele Bereiche – etwa jene der Doppelförderungen. Wir brauchen den Fortschritt dringend und darauf müssen wir uns konzentrieren.
Müssen die vielen Kultureinrichtungen in Oberösterreich Angst davor haben, dass der nächste Landeshauptmann nicht mehr so kulturbegeistert sein wird?
StelzerNein, weil Kultur nicht nur zu unserem Land dazugehört, sondern die Menschen auch stärkt. Aber wie in allen Bereichen werden wir hinterfragen, was wir uns leisten können und was nicht.
Zwei starke Persönlichkeiten treffen auch mit Ihnen und Landesrat Michael Strugl aufeinander. Was haben Sie aus dem Streit innerhalb der Partei gelernt, in dem es um die Weichenstellung für die Zeit nach Josef Pühringer ging?
StelzerZunächst muss man sagen, dass zwischen uns zwei eigentlich kein Streit war, aber es ist halt dann viel daraus entstanden. Was ich gelernt habe, ist, dass man als Politiker nicht nur vom eigenen Empfinden ausgehen kann, sondern dass man die Leute schon in der Breite entsprechend mitnehmen muss. Ich glaube, dass wir das dann miteinander ganz gut gelöst haben.
Sie wurden in den Medien als Pühringers Musterschüler bezeichnet. Was haben Sie von ihm gelernt?
StelzerWir sind natürlich verschiedene Persönlichkeiten und auch andere Generationen. Was man auf jeden Fall von Josef Pühringer lernen kann ist, immer so geerdet zu sein. Denn dann spürt man ganz genau, was die Leute wollen, wo sie ihre Sorgen haben – auch die vermeintlich kleinen Sorgen. Oft läuft man während dem Bemühen um große Lösungen oder Visionen Gefahr, dass man die sogenannten Kleinigkeiten, die aber für die Betroffenen ganz wesentlich sind, übersieht. Man kann von ihm auch den Mut zur Entscheidung lernen, zuletzt bei der Spitalsreform oder beim Durchsetzen der medizinischen Fakultät. Aber er ist sein Zuschnitt und meiner wird dann mein ganz persönlicher sein. Das sehen wir dann, wenn es soweit ist (schmunzelt). Und ich hoffe auch sehr, dass die Leute dann sagen: „Josef Pühringer war ein ganz toller Landeshauptmann, aber dem Thomas Stelzer trauen wir auch einiges zu."_
Zur Person
Geboren am_ 21. Februar 1967 in Linz
Familie_ verheiratet und Vater von zwei Kindern (Lukas und Lena)
Ausbildung_ 1990 JUS-Abschluss an der JKU Linz, 1985 Matura am Kollegium Aloisianum Linz
Karriere_
seit Oktober 2015 Landeshauptmann-Stellvertreter
seit 2014 erster Landesparteiobmann-Stellvertreter
2009 bis 2015 Klubobmann der OÖVP im OÖ Landtag
2008 bis 2015 Landesobmann des OÖ Familienbundes
davor seit 1992 einige politische Stationen in der OÖVP
1990 Raiffeisenlandesbank Oberösterreich
Gedanken
Was mich antreibt_ Die Sehnsucht und der Ehrgeiz, in Oberösterreich zu beweisen, dass wir besser sind als andere.
Das Lachen vergeht mir_ ganz selten.
Überrascht war ich das letzte Mal_ im Sommer von der Wucht der Diskussion, die da in der ÖVP über uns hereingebrochen ist.
Ein Talent, das ich nicht besitze, aber gern besitzen würde_ Geige wirklich gut spielen zu können.
Als Kind wollte ich_ alles Mögliche, habe aber niemals daran gedacht, Politiker zu werden.
Wie man mir Freude macht_ Ein offener, fröhlicher Zugang und einLächeln jederzeit.
Mein Charakter in drei Worten_ grundsatzfest, offen, positiv eingestellt
Wenn ich ein Tier wäre, dann_ wäre ich ein Adler. Weil er einen guten Überblick hat und sich aus eigener Kraft ganz weit bewegen kann.