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Die Barrieren im Kopf abbauen

„Wir müssen die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund stellen, damit sie erfolgreich am Arbeitsmarkt tätig sein können“, sind sich die Macher für Inklusion in Oberösterreich, das Betriebsservice und das Sozialministeriumservice, einig. Sie zeigen uns anhand eines konkreten Falls aus der Praxis, welche Potentiale sich für Unternehmen durch Inklusion ergeben und wie sie tatsächlich gelingt.

Als Dominik Ehmer, Personalverantwortlicher beim Fahrzeugbauer Rosenbauer, die Bewerbung vom gehörlosen Martin Pumm in den Händen hält, denkt er sich im ersten Moment: „Das wird schwierig! Wie können wir dafür die passenden Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen?“ Weil allerdings zur selben Zeit bereits ein Projekt zum Thema Inklusion gemeinsam mit dem Betriebsservice Oberösterreich am Laufen ist, entscheidet Ehmer sich, Martin Pumm im Rahmen von inklusiven Arbeitserprobungen die Möglichkeit zu geben, in unterschiedliche Bereiche des Unternehmens reinzuschnuppern. Pumm hat sich schon knapp zwei Jahre bemüht, bei Rosenbauer Fuß zu fassen, und hat gemeinsam mit der Arbeitsassistenz für Gehörlose schon einige Versuche gestartet, auf sich aufmerksam zu machen. Auch beim Betriebsservice war sein Name bereits bekannt und dort ermutigte man ihn, sich einfach nochmals initiativ zu bewerben.

Bei der Abkantpresse bei Rosenbauer ist bereits ein gehörloser Mitarbeiter im Einsatz, deshalb hält man diesen Arbeitsplatz für am besten geeignet. Doch Martin Pumm möchte viel lieber dort arbeiten, wo der AT, ein spezielles Lösch- und Rüstfahrzeug, zusammengebaut wird. Die Führungskraft und das Team sind sofort mit an Bord und seit knapp drei Monaten verstärkt Pumm nun das Team. In seiner bisherigen Berufslaufbahn war er schon mit einigen diskriminierenden Aussagen konfrontiert und oft wurde auch über ihn statt mit ihm geredet:

„Der versteht doch eh nicht alles – er muss dumm sein!“

„Der braucht viel zu lange, um Arbeitsprozesse zu durchschauen!“

„Es ist so mühsam, ihn in alle Informationsprozesse einzubinden!“

Auch bei Rosenbauer arbeitet das Team zuerst gemeinsam an der Kommunikation. Pumm muss nämlich das Gesichtsfeld und die Lippenbewegungen sehen können, um seine Kollegen zu verstehen. Mit der Zeit wird das Team richtig kreativ. Bei Rollläden, die sie am Fahrzeug montieren, machen sie sich beispielsweise Klopfzeichen zunutze. Begleitet wird Pumm auch von der eigenen Behindertenvertrauensperson, Christian Altendorfer, der regelmäßig mit den 41 begünstigt Behinderten im Unternehmen im Austausch ist. Für ihn geht es vor allem darum, die Barrieren der Menschen im Kopf abzubauen.

Die Inklusionsmacher

Derselben Ansicht sind auch Claus Jungkunz vom NEBA Betriebsservice und Jürgen Bockmüller vom Sozialministeriumservice Oberösterreich. Letzteres ist die Drehscheibe zum Thema berufliche Inklusion in Oberösterreich, der Enabler sozusagen. „Wir beauftragen nicht nur das Betriebsservice, sondern das gesamte Netzwerk Berufliche Assistenz (NEBA) sowie viele weitere Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen“, führt Bockmüller aus. Das Sozialministeriumservice steuert die gesamten Prozesse, ist für die Finanzierung von Maßnahmen zuständig und stellt auch Folgeangebote zur Verfügung, um die Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Betriebe können zum Beispiel Lohnförderungen oder Förderungen für barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung anfragen. Das war auch für Rosenbauer ein Thema.

Das Betriebsservice hingegen ist das Kompetenzzentrum rund um das Thema Inklusion und Arbeit in Oberösterreich und die Schnittstelle zwischen Sozialministeriumservice und den Betrieben. „Wir haben das Wissen, stellen gemeinsam mit den Unternehmen die Bedarfe fest und können diese Prozesse begleiten“, so Jungkunz. Damit Inklusion gelingt, braucht es seiner Meinung nach vor allem Flexibilität in den Betrieben sowie die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und sich von starren Vorstellungen zu lösen. Unter anderem müssen Jobprofile neu gedacht werden.

Auch Dominik Ehmer von Rosenbauer gibt zu, dass er bis vor zwei oder drei Jahren noch der Ansicht war, im Unternehmen brauche es nur Fachkräfte. Inzwischen experimentiert man in Fünferteams damit, vier Fachkräfte anzustellen und eine Jobposition flexibel zu gestalten, je nach vorhandenen Fähigkeiten – so auch im Team von Martin Pumm. „Dies nennen wir inklusives Jobdesign“, erklärt Jungkunz. Es geht darum, die Anforderungsprofile aufzubrechen und in Einzelaufgaben zu unterteilen und dann je nach Fähigkeiten wieder zusammenzusetzen.

Bei Rosenbauer wurde nach einem Kontakt mit dem Betriebsservice auf der HR-Connects-Messe gemeinsam mit einem großen Inklusionsprozess gestartet. Am Anfang stand ein Inklusionscheck mit zehn Fragen, unter anderem: Wo stehen wir im Bereich Inklusion und wo wollen wir hin? Fällt es uns schwer, Stellen zu besetzen, und nutzen wir schon das volle Potential im Bereich Inklusion? „Die Fragestellung ist tatsächlich, Arbeitskräftepotentiale zu finden und im Recruiting zu integrieren und andererseits auch zu fragen: Wie möchten wir uns als Arbeitgeber positionieren?“, so Jungkunz. Das Betriebsservice veranstaltet im nächsten Schritt sogenannte „access|tours“, also Workshops mit Teammitgliedern und den direkten Vorgesetzten. Menschen mit Behinderungen geben dort Einblicke in ihre täglichen Herausforderungen. Durch diese Sensibilisierung wird die Kommunikation im täglichen Arbeiten miteinander erleichtert. „Vor allem in Führungskräfteschulungen sollte Inklusion immer ein Teil sein“, wünscht sich Bockmüller.

„in-experience“ gehen

Doch was wäre eine theoretische Schulung ohne praktische Erprobungen? „Für uns ist es immer wichtig, gemeinsam mit den Betrieben ‚in-experience‘ zu gehen, das heißt, Inklusionserfahrung zu sammeln. Im Fall von Martin Pumm wussten wir, er ist enorm interessiert an Rosenbauer und wir haben dort schon einen Prozess gestartet. Das konnten wir gut kombinieren“, freut sich Jungkunz. Und es zeigte sich schnell: Das Schnuppern von Pumm und die ersten Monate im Job waren von Erfolg gekrönt. „Nun sind wir ‚in-reality‘ angekommen, also in der Inklusionsrealität.“

Was Jungkunz selbst am Thema Inklusion bewegt? „Ich bin Unternehmensberater und es gehört zu meinem Berufsethos, die Betriebe weiterbringen zu wollen und gemeinsam mit ihnen Lösungen zu erarbeiten. Gerade bei der Inklusion gibt es noch viel Bedarf und gleichzeitig riesige Chancen. Da liegen viele Lerneffekte und ein großes Potential für Innovation.“ Für Bockmüller geht es vor allem darum, keine Unterscheidungen zwischen Menschen zu treffen. Es sollten die Fähigkeiten von Menschen in den Vordergrund gestellt werden und nicht, was jemand nicht kann. Um die Barrieren in den Köpfen abzubauen und das Mindset zu ändern, brauche es vor allem konkrete Angebote.

Für Martin Pumm wurde bei Rosenbauer ein Traum wahr. Seine Gebärdendolmetscherin übersetzt seine Freude für uns: „Unter Hörenden herrscht oft das Vorurteil, dass ich Schwierigkeiten mit dem Sprechen habe. Das stimmt nicht. Ich kann sprechen, ich höre nur nichts. Da gibt es oft Hemmungen und ich würde mir mehr Offenheit wünschen. Ich kann genauso wie jeder andere mit meinen Kollegen reden und Witze reißen und sie verstehen mich. Ich fühle mich in meinem Team wirklich wohl und gut integriert.“ Und auch Personalverantwortlicher Dominik Ehmer ist mittlerweile überzeugt, dass die Anstellung von Martin Pumm ein wichtiger Schritt war, um das Thema Diversity, Equity und Inclusion im Unternehmen wirklich zu leben und Veränderung anzustoßen._

Wir bringen Menschen mit Behinderung und den Arbeitsmarkt zusammen.

Jürgen Bockmüller Stv. Landesstellenleiter und Abteilungsleiter, Sozialministerium- service OÖ

Inklusion ist kein Selbstläufer.

Claus Jungkunz Projektleiter, Betriebsservice Oberösterreich

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