Er wurde immer wieder als einer der mächtigsten Österreicher bezeichnet. Im Februar beendete
Leo Windtner nach 22 Jahren seine Tätigkeit als Generaldirektor bei der Energie AG. Warum es nach seinem Abschied aber keine wesentlichen Änderungen bei seinem Zeithaushalt, sondern nur in seinem Obstgarten gegeben hat, erzählt der 66-Jährige in seinem Wohnhaus in St. Florian. Ein Rück- und Ausblick.
Sonnenschein und strahlend blauer Himmel. Blühende Obstbäume und im Hintergrund die Türme vom Stift Sankt Florian. Der Obstgarten von Leo Windtner präsentiert sich beim Termin mit dem Ex-Generaldirektor der Energie AG von seiner besten Seite und ist fast kitschig. Der 66-Jährige hat aber auch nach seinem Austritt beim Landesenergieversorger nicht wirklich mehr Zeit, diesen Anblick zu genießen. Sein Zeithaushalt hat sich gut zwei Monate nach seinem Ende bei der Energie AG nicht wesentlich geändert. Eine Reihe von anderen Funktionen bleiben. Der Wecker läutet in der Früh nur eine halbe Stunde später, um halb sieben. Ohne Arbeit könnte es sich Windtner gar nicht vorstellen:
„Ich brauche ein Mindestmaß an Beschäftigung, um die Betriebstemperatur zu halten, in der ich mich wohlfühlen kann.“
Windtner hat nach 38 Jahren Tätigkeit bei der Energie AG und vormals OKA, davon 22 Jahre als Generaldirektor, ein Büro bei der OÖ. Versicherung bezogen, wo er bereits seit dreizehn Jahren Aufsichtsratsvorsitzender ist. „Ich versuche nun auch an der Kundenfront mitzuhelfen und das hat sich in den ersten zwei Monaten wunderbar eingespielt“, sagt Windtner. Außerdem bleibe nun mehr Zeit für den Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB). Windtner ist seit 2009 ÖFB-Präsident und will sich Mitte Juni für weitere vier Jahre der Wahl stellen. Immer wieder wird Windtner auch nachgesagt, dass er eine Fifa-Karriere plane. Doch das schließt er aus: „Für mich ist das innerlich entschieden, ich werde das Parkett der Fifa nicht anstreben, weil ich genug Auslastung in Österreich vorfinde.“
Steile Wegstrecken
Die Zeit bei der Energie AG bezeichnet Windtner als „eine schön abgeschlossene Sache“: „Ich habe viel Ehre, Dankbarkeit und Anerkennung mitnehmen dürfen – das ist keine Selbstverständlichkeit und dessen bin ich mir auch bewusst.“ Windtner spüre auch deutlich eine Entlastung, nach 22 Jahren keine Verantwortung mehr über einen Konzern mit 5.000 Leuten zu tragen: „Ich arbeite jetzt nicht, ohne Verantwortung zu tragen, aber es ist nicht mehr diese umfassende Verantwortung, wo letzten Endes die schwierigsten Fälle immer an der obersten Stelle landen.“ Trotzdem würde Windtner den Chefposten noch einmal annehmen, wenn er 23 Jahre jünger wäre. „Obwohl ich weiß, dass ab und zu steile Wegstrecken dabei sind und man viele Mühen der Ebene einfach nicht auslassen kann“, sagt Windtner und zieht einen Vergleich mit dem Bergsteigen. Wenn es dabei auch noch so steil bergauf gehe, habe man es schließlich aber – speziell gemeinsam mit Freunden – geschafft, dann sei die Freude groß und damit die Motivation riesig, es immer wieder anzugehen.
Immer wieder – seit 1978 – geht Windtner auch das Mostpressen mit den Äpfeln und Birnen von seinen 120 Obstbäumen an. Jedes Jahr presst er rund 1.500 bis 2.000 Liter. Zukünftig könnten es mehr werden. Zum Abschied bei der Energie AG hat Windtner
wiederum Obstbäume und Mostfässer bekommen. Damit gibt es – wenn schon nicht beim Zeithaushalt – zumindest in Windtners Obstgarten eine Änderung durch den Abschied von der Energie AG-Spitze._
Rückblick
Bei Ihrer letzten Konzernbilanz als Vorstandsvorsitzender der Energie AG konnten Sie mit 135,4 Millionen Euro Gewinn (Ebit) das beste Ergebnis in der 125-jährigen Konzerngeschichte präsentieren. Gibt es etwas, das Sie gerne noch erreicht hätten?
Es wurde im Rahmen des Möglichen wirklich alles erreicht. Die wirtschaftlichen Ziele wurden voll erfüllt, es gibt derzeit keinerlei Bedrohungsszenarien und auch im laufenden Geschäftsjahr, in dem ich noch für einen gewissen Teil verantwortlich bin, ist der Konzern top unterwegs. Das ist aber auch die Grundvoraussetzung, um die gewaltigen Herausforderungen der nächsten Zukunft positiv angehen zu können.
Die größte Herausforderung als Energie AG-Chef?
Der Ausstieg aus Osteuropa mit der damaligen AVE, der einen kompletten Umbruch in der Organisation zur Folge hatte.
Der größte Erfolg?
Dass die Energie AG von einem einst als Übernahmefall geltenden Stromunternehmen zu einem heute top aufgestellten Infrastrukturkonzern mit Führungsrolle in Österreich geworden ist.
Die härteste Niederlage?
Die Absage des Börsenganges, auf den sich das Unternehmen und die Führungskräfte monatelang und intensiv bestens vorbereitet haben, war sicherlich ein starker mentaler Rückschlag. Aber wir haben die Dinge trotzdem offensiv angepackt und dieses Private Placement mit neuer Struktur zum Anlass genommen, Dinge wieder zum Positiven zu verändern – gerade die Führungsqualität und die neue Aktionärsstruktur wurde damit noch gesteigert.
Etwas, das Sie aus der Zeit bei der Energie AG vermissen werden?
Ich vermisse natürlich unglaublich viele tolle Mitarbeiter, Führungskräfte, aber auch viele starke Partner, mit denen ich jahrelang bestens zusammengearbeitet habe, da Bekanntschaften über das Business hinausgehend zu einer persönlichen Freundschaft geworden sind.
Soziale Kontakte, die der Position und nicht der Person galten, fallen in der Pension weg. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?
Davon spüre ich bislang sehr wenig, zumal ich weiterhin einige Funktionen in der Wirtschaft und auch im Sport einnehme und damit noch genug Luft in der Publicity atmen kann.
Etwas, das Sie aus der Zeit nicht vermissen werden?
Den montäglichen Stau auf der A7 nach Linz vermisse ich sicher nicht. Jetzt kann ich es mir einteilen und fahre erst um kurz vor acht Uhr.
Ausblick
Die Energiebranche steht vor einer Reihe von Herausforderungen, Veränderungen werden nötig sein. Wie lange wird es dauern, bis Sie den Konzern nicht mehr erkennen?
In manchen Strukturen werde ich ihn immer wieder erkennen, aber mit den Veränderungen, die der Markt oder auch gewisse Technologiesprünge in den nächsten Jahren bringen werden, wird das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren schon komplett anders dastehen. Im Detail wird sich einiges gewaltig verändern.
Tickt die Wirtschaft heute anders als noch zu Ihrem Karrierebeginn?
Die öffentliche Darstellung in der Wirtschaft – auch der inneren Verhältnisse der Unternehmen – hat sich gewaltig verändert. Die Darstellung der Medien ist penetranter, speziell die Abhandlung von Personalthemen ist heute wesentlich intensiver als früher und es gilt mehr denn je, seine Leistung zu verkaufen. Der Fakt, dass die Märkte unter einem immensen Konkurrenzdruck stehen und immer neue Marktteilnehmer auftreten, bedingt das geradezu.
Was raten Sie jungen Menschen, die erfolgreich werden wollen?
Eine gute Ausbildung passend zu ihrem Talent abzuschließen und dann muss man bereit sein, sich in das Unternehmen voll einzubringen und weiter zu lernen.
Welche Zukunftsentwicklung macht Ihnen Sorgen?
Angst und Sorge sind da nicht der beste Wegbegleiter, man wird jede neue Entwicklung wieder offensiv aufnehmen müssen. Wenn man meint, man kann daran vorbeigehen oder ein Thema bremsen, dann ist man schon am falschen Dampfer. Es gilt, jeweils für seinen Bedarf die optimale Umsetzung zu schaffen. Manches hat sich innerhalb kurzer Zeit auch relativiert, aber an den Grundpfeilern der neuen Entwicklungen kommt man nicht vorbei.
Sie wurden immer wieder als einer der mächtigsten Österreicher bezeichnet. Ihr Verhältnis zur Macht?
Macht verspürt man nicht bewusst und wird auch nicht von mir ausgespielt, sondern man gewinnt Einfluss mit Funktionen und steigert diesen, indem man gute Arbeit leistet und sich dadurch Akzeptanz und Respekt erarbeitet. Das Thema Macht ist speziell in der Wirtschaft stark relativiert. Macht ist nur Stärke, wenn man mit dem Unternehmen etwas weiterbringt. Ansonsten ist man dem Eigentümer und den Aktionären ausgeliefert und dann meistens machtlos. Die wirtschaftliche Performance und die Stärke, die man dem Unternehmen gibt, ist letztlich auch die Reflexion auf die eigene Person.