Schokolade brechen. An der Bruchstelle riechen. Auf die Zunge legen. Mindestens fünfzehn Sekunden warten. Bis sich die Aromen entfalten. Zwei bis dreimal kräftig kauen. Nein, halt! Das Gekaute noch nicht schlucken! Sondern so lange im Mund herumwandern lassen, bis es zergangen ist. Umgerechnet sind das zwei Minuten. 120 Sekunden für ein Stück Schokolade? Na gut, dann probieren wir das doch mal aus. „Hier, das sind unsere Trés Chic Pralinen ...“ Mmmm . mmmm .... Oh. Mein. Gott. Und weg ist sie. Ähm ... das waren jetzt fünf Sekunden.
Weltmeister der Schokolade 2010, zwei Millionen Euro Jahresumsatz, 64 Prozent der Produktion wird exportiert, zu Ihren Kunden zählen mehrere europäische Fürsten- und Königshäuser und sogar der Papst ist süchtig nach Ihrer Weihrauchschokolade. Wow. Die Entscheidung, 2004 eine Schokoladenmanufaktur zu gründen anstatt es bei der klassischen Konditorei zu belassen, war wohl eine gute.
HannesWenn wir uns für etwas entscheiden, dann machen wir das. Wir analysieren nicht 100 Jahre – wir ziehen es einfach durch. Ich war in der Schweiz und in Belgien und bin mit acht Ideen zurückgekommen. Von sieben Ideen war ich völlig überzeugt. Meine Frau sagte: Alles Blödsinn, wir machen die achte. Dann hatten wir unsere bewährte Diskussion und schließlich die Entscheidung: Wir machen puristische Schokolade, nicht gefüllt wie all die anderen, sondern mit einer Bestreuung, die die Geschmacksnote des Rohkakaos auf natürlichem Weg verstärkt. Hat zum Beispiel der Kakao die Geschmacksnoten von Trockenbeeren, bestreuen wir mit Trockenbeeren. Hat er die Aromen von Grünem Tee, bestreuen wir mit Grünem Tee. Nachdem aber 80 Prozent der Kaufentscheidung wegen der Verpackung getroffen wird, kommt es natürlich vor allem auch auf die Verpackung an. Die macht meine Frau. Sie ist eine Künstlerin, sie hat einen Sinn für Ästhetik. Mittlerweile arbeiten wir so, dass meine Frau eine Idee für eine Verpackung hat – ich kreiere dann den Geschmack dazu.
Und zwar jede Menge Geschmäcker.
Sie führen etwa 90 Sorten Trüffel-Pralinen und 60 Sorten Schokolade – woher kommen all die Ideen?
HannesAus dem Bauch heraus. Das funktioniert nicht beim Schreibtisch. Wichtig ist, mit offenen Augen durch’s Leben zu gehen - dann kommen mir die Ideen für neue Mischungen und Rezepturen ganz automatisch. Und dabei versuche ich immer, anders als die anderen zu sein.
SilviaEr hat einen sehr guten Geschmacksinn. Egal ob Parfum, Wein oder Essen – er kennt immer sofort die Zutaten und Noten. Das ist eine Grundbegabung, die man als Chocolatier wohl braucht.
HannesAber das ist Hobby, nicht Arbeit.
Klingt nach wenig Freizeit.
HannesIch will gar nicht frei haben.
SilviaUnd ich krieg nicht frei.
HannesIch hab mein Hobby zum Beruf gemacht. Und meine Frau ...
Silvia... hat den Mann zum Hobby. (lacht)
„Probieren Sie doch mal unsere Cuvée Zartbitterschokolade mit kandierten Rosenblütenblättern ...“ Okay. Wie war das noch gleich? Brechen. Riechen. Auf die Zunge legen. Oh ... Wahnsinn. Weg ist sie. Schon wieder.
Sie setzen auf höchste Qualität. Erfordert das strengste Kontrollen Ihrer 30 Mitarbeiter?
Hannes100 Prozent Vertrauen wäre gelogen. Man sollte im Leben immer alles ein bisschen hinterfragen – leichte Kontrolle schadet nicht. Und auf gut Oberösterreichisch ausgedrückt: Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann wird’s umgesetzt.
SilviaUnd das muss bei ihm immer sofort sein.
HannesIch steh halt auch hinter meinen Produkten. Wenn es nicht meinen persönlichen Ansprüchen entspricht, geht’s nicht raus. Unsere Ansprüche sind eben sehr hoch – sowohl die eigenen als auch jene an die Mitarbeiter.
„Probieren Sie doch mal unseren Nougatstollen. Die Idee dazu ist mir beim Fleischhauer gekommen, als er mir etwas von einer Pastete runtergeschnitten hat.“ Unglaublich. Allerdings auch unglaublich, wie man dieses Teil länger als zehn Sekunden im Mund behalten soll. Es zergeht ja praktisch von selbst.
Woran liegt es, dass nicht nur die Kirchdorfer Bachhalm Schokolade lieben, sondern sogar die Japaner wahnsinnig danach sind?
SilviaEigentlich ist das bei uns immer so – zuerst sind die Auswärtigen begeistert, dann erst die Kirchdorfer. Als wir in der Konditorei auf leichte Moussetorten anstelle der klassischen Buttercremetorten setzten, kam das erst einmal gar nicht gut an in Kirchdorf. Und so war es auch bei der Schokolade. Es waren die Linzer, Grazer, Salzburger, Wiener und Münchner, die uns groß gemacht haben.
An einen Umzug habt ihr nie gedacht?
SilviaHannes schon zeitweise.
HannesManchmal fällt dir in Kirchdorf schon ein bisserl die Decke auf den Kopf. Das Problem ist: In Wien rollen sie dir den Teppich aus, bei uns schätzen die Leute unsere Produkte gar nicht so. Aber wir haben längst abgelegt, immer zu überlegen: Was werden wohl die anderen denken? Wenn du etwas werden willst, musst du ausbrechen – wurscht, was die anderen sagen. Außerdem kommt es eigentlich gar nicht so sehr auf den Standort an. Es geht einfach darum, dass du gut bist.
Und warum seid ihr so gut?
HannesUnser Ansatz war nie der, der Größte zu sein, sondern von der Qualität unter den zehn Besten der Welt genannt zu werden. Wir wollten von Anfang an keine Massenproduktion.
SilviaUns ist wichtig, dass Genuss verbreitet wird. Ein wichtiger Karrieresprung war sicher, dass die Einkäufer der Top-Häuser wie zum Beispiel Meindl am Graben und Harrods in London auf unsere Produkte aufmerksam geworden sind. Diese Häuser kennen sich untereinander – der Rest passierte einfach über Mundpropaganda. Unsere Hauptkunden sind Feinkostgeschäfte, Schokoladenfachgeschäfte, Kaffeeröstereien, Apotheken, Vinotheken und die gehobene Hotellerie. Die großen Konzerne fragen mittlerweile auch ständig an, ob wir sie nicht beliefern wollen. Natürlich wären das Stückzahlen, an denen man richtig gut verdienen kann – man muss schon stark sein, dass man da nicht schwach wird. Aber wir wollen definitiv auch weiterhin auf Qualität anstatt auf Quantität setzen. Wenn es uns überall zu kaufen gäbe, dann wäre Bachhalm Schokolade gar nichts Besonderes mehr.
HannesDa muss man unbedingt aufpassen, weil man dann ja unglaubwürdig wird. Heute gibt es nur noch „ganz billig“ oder „hochpreisig“. Das Mittelsegment wird immer weniger. Entweder man kauft eine Marke und bezahlt dafür einen höheren Preis oder man will gleich gar keine Marke.
Die Marke Bachhalm steht auch für kreative Ideen. Ihr habt ja nicht nur die Weihrauchschokolade für den Vatikan erfunden, sondern etwa auch die Linzer Kugel für Linz 09. Womit überrascht ihr als Nächstes?
HannesZum Beispiel mit der Linzer Oper Schokolade. Die Idee dazu hatten wir schon vor einem Jahr – es geht nicht nur darum, Querdenker zu sein, sondern auch Vordenker.
Was war die bisher mutigste Entscheidung, die Sie getroffen haben?
HannesDie Erweiterung der Produktion.
SilviaGanz ehrlich? Die mutigste Entscheidung in meinem Leben war eindeutig, dass ich dich geheiratet habe. (beide lachen lauthals) Sie müssen wissen, wir haben uns damals in Kirchdorf auf irgendeiner peinlichen Kostümparty kennengelernt – einer Affenparty. Und er hat sich als armer Student vorgestellt. Nicht einmal auf ein Getränk konnte er mich einladen.
HannesJa, (seufzt) uns hat wirklich das Schicksal zusammengeführt.
Naja, es gibt Schlimmeres als wenn sich der arme Student als talentierter Chocolatier entpuppt, oder?
SilviaHm, was soll ich sagen – ein bisserl ruhiger dürfte es manchmal schon sein (schmunzelt). Fad wird einem mit meinem Mann nie. Irgendein Blödsinn fällt ihm immer ein.
HannesIch bin eben ein reiner Bauchmensch. Sehr emotional! Und meine Frau ist ein Bauchmensch mit Kalkül.
„Und jetzt müssen Sie unbedingt noch meine Lieblingsschokolade kosten: Purperu 2010.“ Kräftig kauen. Im Mund herumwandern lassen. Sie wandert, ja das tut sie. Allerdings in meine Speiseröhre. Bitte wer schafft es, so ein köstliches Ding länger als 30 Sekunden im Mund zu behalten?
Und was ist Ihre Lieblingssorte?
SilviaOh, das schwankt – Erdbeer, Chilli, Grüner Pfeffer. Aber glauben Sie mir ... ich hab’s auch noch nie richtig gegessen. Manchmal braucht man Schokolade ja auch einfach als Nervennahrung... (Sie wirft einen schelmischen Blick auf ihren Mann.)