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Müssen wir Leistung neu denken?

„Arbeit ist das halbe Leben.“ An diesem Sprichwort ist viel Wahres dran, wenn man bedenkt, dass die Österreicher:innen im Schnitt fast 38 Jahre ihres Lebens erwerbstätig sind – bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von rund 81 Jahren. Wie wird das Ergebnis dieser „Lebensaufgabe“ bewertet, und wie viel Wertschätzung erfährt Leistung tatsächlich?

„In einer Leistungsgesellschaft hängen Status, Einkommen und Einfluss der Individuen von den individuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leistungen ab.“ So definiert das Gabler Wirtschaftslexikon den Begriff. Die Theorie wäre damit geklärt – aber wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Dort lässt sich die Idee zumindest in Frage stellen, wie ein Beispiel nahelegt. Sie spielen eine wesentliche Rolle in der Grundversorgung unserer Gesellschaft, sie ermöglichen den reibungslosen Ablauf in Unternehmen, die auf Zulieferungen von Rohstoffen sowie Materialien angewiesen sind, und dennoch beklagen Dienstleistungsunternehmen aus der Logistikbranche, dass dieses Berufsbild gesellschaftlich ungerechtfertigt geradezu als „schmutziger Job“ wahrgenommen wird. Die Rede ist von LKW-Fahrer:innen.

Ohne sie wären Supermarktregale wie leergefegt und unzählige Betriebe stünden still. Für die Wertschöpfung des Landes und das reibungslose Ineinandergreifen der Zahnräder unserer Gesellschaft nehmen sie also eine Schlüsselposition ein. Ihr Status, Einkommen und Einfluss lassen dennoch zu wünschen übrig. Stattdessen treffen Dauerstress und anspruchsvolle Arbeitszeiten auf Gehälter, die es vielen Fachkräften buchstäblich nicht mehr wert sind, dafür zu arbeiten. Das Nachwuchsproblem der Branche existierte bereits vor Corona, die Pandemie hat die Lage aber zusätzlich verschärft. Heute fehlen europaweit rund 400.000 LKW-Fahrer:innen, von denen viele nach den Lockdowns nicht wieder in ihre Jobs zurückgekehrt sind.

Wenn das Gras auf der anderen Seite tatsächlich grüner ist …

… ist es höchste Zeit, umzudenken. Fakt ist: Trotz hoher Belastung lohnt sich Leistung nicht für alle im selben Ausmaß, die Leistungsgesellschaft ist ein Mythos. Denn Ähnliches gilt für Menschen in Pflegeberufen, Servicekräfte in der Gastronomie und vergleichbare Berufsgruppen – nach demselben Schema lässt sich die Liste ewig fortsetzen. Ohne medizinisches Personal würde unser Gesundheitssystem kollabieren, keine Frage. Doch auch gähnende Leere in Supermärkten und geschlossene Restaurants ohne Service würden unser gesellschaftliches Wohlbefinden strapazieren. Losgelöst davon, ob die Jobs der Menschen, die sie aufrechterhalten, nun als systemrelevant gelten oder nicht.

Arbeit im Wandel

Wie gibt man den Betroffenen die Freude an ihrem Beruf zurück, die sie an ihrem ersten Arbeitstag verspürt haben und wie werden ihre Rahmenbedingungen verbessert? Eine Stellschraube ist der Einsatz von Automation und Künstlicher Intelligenz – diese transformieren die Arbeitswelt fundamental. Auch Konzepte eines bedingungslosen Grundeinkommens werden damit immer häufiger in Verbindung gebracht, um die benötigte Sicherheit in diesem Wandel zu bieten. Menschliche Kompetenzen gezielt einsetzen und zugleich neue Kräfte freisetzen, so lautet die Grundidee dieser Entwicklungen. Denn wer sich künftig nicht mehr mit eintönigen Routinetätigkeiten befassen muss, die einen schnell die Sinnhaftigkeit des eigenen Jobs in Frage stellen lassen, findet eher Zeit und Muße, neue Projekte zu gestalten und diese voranzutreiben.

Während sich die künstliche Intelligenz zunehmend durchsetzt und die vielen Vor- und Nachteile eines bedingungslosen Grundeinkommens weit über die Grenzen Österreichs hinaus heiß diskutiert werden, kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel, der großes Potential birgt: echte Wertschätzung. Sprich, nicht nur ein Klatschen auf dem Balkon – von oben herab. Sondern gelebte Anerkennung für die Leistung, die tatsächlich erbracht wird.

Fraglich ist dahingehend, wie zeitgemäß unsere Definition von Leistung wirklich ist und wie wir diese honorieren. Arbeitsverträge basieren auf zu erfüllenden Wochenstunden sowie weitestgehend geregelten Arbeitszeiten anstatt auf Output. Bildung und Intelligenz werden irrtümlicherweise seit jeher mit Noten gleichgesetzt. Das Bedürfnis, Leistung zu messen, sie zu kategorisieren und untereinander zu vergleichen, ist nach wie vor präsent. Aber während eine gewisse Struktur unumgänglich ist, ist es ihre Starrheit, die zuletzt immer stärker von der Zeit überholt wird. Zugegeben: In der Praxis verhält es sich mit der benötigten Individualität nicht ganz so einfach. Wie schafft man dennoch die richtigen Rahmenbedingungen?

Eine Frage der Philosophie

Wertschätzung hat viele Facetten. Zwischen „Geld ist nicht alles“ und seit Jahren stagnierenden oder gar sinkenden Reallöhnen liegen einige weiche Faktoren, die den Unterschied machen können. Auf die Menschen und ihre jeweiligen Bedürfnisse einzugehen, rückt in den Fokus – in einer Welt, in der der Job zum Leben passen muss und nicht mehr umgekehrt. Gemeinsame Ziele und Werte, Raum zur Entfaltung sowie Rücksichtnahme auf persönliche Umstände sind nur die Spitze des Eisbergs und sollten Teil der Unternehmensphilosophie sein, will man am modernen Arbeitsmarkt bestehen. New-Work-Konzepte bündeln dieses Verständnis von Wertschätzung, verleihen ihr Ausdruck und sind letztendlich nicht Ursache des Wandels, sondern dessen Symptom.

Am Endes des Tages werden Arbeitsverhältnisse wohl immer ein Stück weit Kompromisse bleiben, doch ein hohes Maß an Flexibilität ist der Schulterschluss zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Was zeichnet besonders zeitgemäße und flexible Unternehmenskulturen aus und wie stehen heimische Betriebe zum Wandel in der Arbeitswelt? Jakob Reichsöllner, Pressesprecher bei FACC, und Michael Hintenaus, HR-Leiter der HYPO Oberösterreich, sprechen über die Maßnahmen in ihren Unternehmen und lassen sich auf ein Gedankenspiel zu aktuellen New-Work-Trends ein.

Sinn in der eigenen Arbeit zu erkennen, ist für die langfristige Zufriedenheit im Job unerlässlich.

Michael Hintenaus Personalleiter, HYPO Oberösterreich

4 Fragen an Michael Hintenaus

Personalleiter, HYPO Oberösterreich

01 Sie schreiben Jobangebote bewusst als „offene Mehrwert-Jobs“ aus. Welche Rolle spielt heutzutage das Gefühl, durch die eigene Arbeit etwas bewirken zu können?

Michael Hintenaus: Etwas bewirken zu können und den Sinn der eigenen Arbeit zu (er-)kennen, ist für die langfristige Zufriedenheit im Job unerlässlich. Bei uns – als ausgewiesene Beraterbank – ist die Kundenzufriedenheit, die wir täglich in den Gesprächen erleben, gleichzeitig unsere Anerkennung und Motivation.

02 Seit 2017 wird die HYPO OÖ Jahr für Jahr als Top-Arbeitgeber ausgezeichnet. Inwiefern werden diese Erfolge zum Aushängeschild, um Talente für sich zu gewinnen und sie zu halten?

Michael Hintenaus: Die Auszeichnungen sind das nach außen sichtbare Gütesiegel für einen hervorragenden Umgang mit unseren Arbeitnehmer:innen. Das Gütesiegel hat aber auch eine Strahlkraft nach innen auf die bestehenden Mitarbeiter:innen. Natürlich freuen uns diese Auszeichnungen. Sie sind das Ergebnis einer über viele Jahre aufgebauten guten Unternehmenskultur und der damit verbundenen Anstrengungen.

03 Auf welche drei Dinge kommt es an, um eine authentische und einladende Unternehmenskultur zu schaffen?

Michael Hintenaus: Auf einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander, auf den Willen, etwas gestalten zu wollen, sowie gute Führung.

04 Wie wichtig ist es, aktiv auf die Menschen zuzugehen?

Michael Hintenaus: Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt – egal ob Kund:in oder Mitarbeiter:in. Persönliche Gespräche und Beziehungen sind durch nichts zu ersetzen. Einzig die Anzahl der möglichen Kommunikationskanäle hat sich rasant entwickelt. Umso wichtiger ist es, dass wir als Menschen, also jede:r einzelne von uns, sichtbar sind und als Botschafter:innen fungieren.

Wir schaffen gedankliche Freiräume, damit Raum für neue Konzepte und Ideen da ist.

Jakob Reichsöllner Pressesprecher, FACC

4 Fragen an Jakob Reichsöllner

Pressesprecher, FACC

01 Hand aufs Herz: Was macht FACC zu einem echten „Great Place to Work“?

Jakob Reichsöllner: Wir alle begeistern uns für die internationale Welt der Luft- und Raumfahrt und arbeiten an nachhaltigen Lösungen für eine Mobilität von morgen. Das spürt man auch am Teamspirit: Gemeinsam wollen wir Dinge zum Fliegen bringen. Diese Teamleistung erreichen wir, indem wir allen Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, sich individuell weiterzuentwickeln. Besonderen Wert legen wir auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und stellen mit dem „FACC Kids Club“ eine ganztägige Kinderbetreuung zur Verfügung.

02 Was steckt hinter Ihrer „Werte-W.E.L.T.“?

Jakob Reichsöllner: Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein, das bringen wir auch durch unseren Wertekompass zum Ausdruck, dessen vier Buchstaben für Wertschätzung, Erfolg, Leistung und Teamgeist stehen. Dieses Miteinander funktioniert dann, wenn wir als Teil der Unternehmenskultur jede:n Einzelne:n bestmöglich auf dem eigenen Karriereweg unterstützen.

03 Auf welche drei Dinge kommt es an, um eine authentische und einladende Unternehmenskultur zu schaffen?

Jakob Reichsöllner: Auf einen ehrlichen Umgang, eine offene Fehlerkultur und auch das Schaffen von gedanklichen Freiräumen, damit Raum für neue Konzepte und Ideen da ist. Als Hightech-Unternehmen, das international mit neuen Ideen für die Luft- und Raumfahrt aufzeigt, legen wir daher großen Wert auf flexible Arbeitszeitmodelle und bieten in der FACC Academy auch die Möglichkeit zu maßgeschneiderten Aus- und Weiterbildungen an. Das reicht bis zu Stipendien für ein Studium an einer Universität.

04 Wie wichtig ist es, aktiv auf die Menschen zuzugehen?

Jakob Reichsöllner: Das ist vor allem angesichts des Fachkräftemangels immer wichtiger geworden. Wir setzen hier auf einen Mix unterschiedlicher Maßnahmen und gehen direkt auf potentielle Mitarbeiter:innen zu, um Menschen zu finden, die sich wie wir für die Luftfahrt begeistern.

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