Es ist kalt, ziemlich kalt. Wir treffen uns in einer düsteren Garage zum Covershooting – wir alle eingepackt in Wintermäntel, Markus Roth kommt im offenen Sakko, von Frostbeulen keine Spur. „Alles über Null Grad ist für einen Tiroler ja fast Sommer“, sagt er und lacht. Wobei man ihn durchaus längst als eingefleischten Oberösterreicher bezeichnen kann, zog es ihn doch schon zum Informatik- und Datentechnikstudium nach Linz und wählte er Traun als Standort für sein Softwareentwicklungsunternehmen „creative BITS“. Mittlerweile wohnt er in Gmunden, sein Netzwerk geht aber weit über die Grenzen von Oberösterreich hinaus – und das nicht ohne Grund. Durch seinen Einsatz für die Wirtschaft kennt (und schätzt) man ihn vielerorts. Das ist auch ein wesentlicher Motivationsgrund für ihn, seine Zeit und sein Engagement neben der Führung seines Unternehmens ehrenamtlich für die Interessensvertretung seiner Branche einzusetzen.
Damit ist er einer von insgesamt 1.500 Funktionären in der Wirtschaftskammer Oberösterreich, die sich am 25. und 26. Februar 2015 der Kammerwahl stellen. Oberösterreichs Unternehmer wählen dann ihre Standesvertretung, die Zahl der Wahlberechtigten ist seit den vergangenen Wahlen von 60.000 auf 72.000 gestiegen. Für viele ist die Wirtschaftskammer eine wichtige Unterstützung für ihre Selbständigkeit, andere wiederum stellen Fragen wie: „Wozu zahle ich eigentlich die Kammerumlage?“ Eine Frage, die wir im Interview an Markus Roth weitergeben. So wie viele andere Fragen.
Sie führen seit einigen Jahren erfolgreich ein IT-Unternehmen. Man könnte also meinen, Sie seien rund um die Uhr ausgelastet. Trotzdem setzen Sie sich als Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie an der Wirtschaftskammer für die Interessen Ihrer Berufsgruppe ein. Warum machen Sie das?
Es hat mich immer geärgert, wenn jemand am Wirtshaustisch sitzt und sich über alles Mögliche aufregt, das ihm nicht passt. Mein Ansatz ist: Bevor ich mich über etwas aufrege, versuche ich es zu verändern. Und das funktioniert auch! Ich möchte in unserer Branche Dinge, die noch nicht optimal passen, verbessern.
Welche Dinge sind das?
Wir kämpfen mit verschiedensten Hürden. In der IT-Branche ist zum Beispiel der starke Wandel ein großes Thema: Die Start-up-Kultur hat es in der Form früher nicht gegeben – ihre Bedürfnisse wie etwa flexible Arbeitszeiten passen nicht zu den aktuellen Arbeitszeitgesetzen und Rahmenbedingungen. Außerdem stellt sich für Start-ups immer die Frage, wie sie zu Kapital kommen. Wichtig sind aber auch die Basics. Ich weiß das ja selbst aus Erfahrung: Du machst dich selbständig und weißt eigentlich noch gar nicht, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen.
Haben Sie Ihr Unternehmen direkt nach dem Studium gegründet?
Ich hab’s noch während der Uni gegründet – gemeinsam mit einem Partner, der mit mir studiert hat. Wir haben ein Projekt auf der Uni abgewickelt und schließlich hat uns der Professor dazu motiviert, dieses als Firma zu übernehmen. Mittlerweile haben wir bereits unser fünfzehnjähriges Bestehen gefeiert – es ist einfach schön, selbständig zu sein.
Diese Meinung teilen aber nicht alle in Österreich – das Image der Unternehmer könnte besser sein.
Ja, und deshalb arbeiten wir auch daran, dieses Image zu verbessern. Unternehmer sind mit Leidenschaft am Werk – sie arbeiten meist weit mehr als 40 Stunden und sehen ihre Aufgabe als wichtigen Teil ihres Lebens. Es geht uns vor allem darum, klar zu machen, dass es ohne Unternehmer nicht funktionieren würde – den Lebensstandard, den wir in Österreich haben, verdanken wir zu einem großen Teil den Unternehmen. Lange war die Meinung gefestigt, den Unternehmern geht’s sowieso gut, die braucht man nicht unterstützen. Das ist aber nicht so! Glücklicherweise ändert sich das jetzt: Das Bewusstsein wächst, dass wir unsere Chancen in Österreich nützen müssen, sonst überholen uns die anderen. Wir haben nicht die Rohstoffe und auch nicht die billigen Arbeitskräfte. Wir sind dafür innovativer, schneller und flexibler, wir können Ideen groß machen. Aber dafür braucht es ganz einfach Rahmenbedingungen, die besser sind als in allen anderen Ländern.
Wie setzen Sie sich dafür ein, damit diese Rahmenbedingungen geschaffen werden?
Ein wesentliches Thema ist für mich die Finanzierung. Vor allem für IT- Unternehmen ist es anfangs schwierig, an Kapital zu kommen – ein Produktionsunternehmen kauft eine Maschine und kann diese Maschine als Sicherheit für die Bank hernehmen. Ein IT-Unternehmen hat hingegen keine Wertgegenstände und läuft daher Gefahr, von der Bank keine Finanzierung zu bekommen. Und deshalb brauchen wir neue Finanzierungswege. Der zweite Bereich ist das Thema Fachkräfte – weil wir vor dem Problem stehen, dass wir viel zu wenige gut qualifizierte Leute haben, vor allem in der IT-Branche.
An welche Lösungen denken Sie dabei?
Ausbildungswege sind ganz wesentlich, denn lebenslanges Lernen ist in einer so schnelllebigen Branche unumgänglich. Wenn ich daran denke, was sich in den Jahren meiner beruflichen Laufbahn verändert hat, dann ist gar nichts mehr so wie es früher war. Alles ändert sich. Und auf das muss man sich einstellen, dafür muss man ein Konzept anbieten, damit Mitarbeiter noch besser geschult werden können und diese Schulung auch leistbar ist. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Unternehmensberater. Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass mehr Unternehmensberater in die Unternehmen kommen, weil wir wissen, dass Unternehmen, die sich Wissen von externen Beratern holen, einen Riesenvorsprung haben und um einiges schneller wachsen können.
Wie findet man einen qualifizierten Berater?
Man kann zum Beispiel den Beraterfinder nutzen. Mit diesem Tool kann schnell der richtige Partner gefunden werden: www.berater-finder.at. Man kann sich aber auch direkt an die Wirtschaftskammer wenden, wo dann ein Berater für das Unternehmen gesucht wird. Hier bewerben sich die Berater und schlagen einem vor, was der ideale Weg wäre, um sein Unternehmen groß zu machen. Das würde ich auf jeden Fall in Anspruch nehmen, es funktioniert sehr gut!
Was braucht der Wirtschaftsstandort Österreich, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Ich glaube, mehr Mut zum Risiko. Wir sollten die Unternehmer mal arbeiten lassen und nicht alles zu Tode regeln. Und es geht auch darum, Leistung zu belohnen. Wenn ich etwas geschafft habe, dann möchte ich mich nicht verstecken müssen, ich möchte meine Freude darüber und meinen Stolz zeigen dürfen. Wenn in den USA jemand mit einem teuren Auto fährt, sagt man: „Boa, der hat es geschafft!“, in Österreich heißt es hingegen neidvoll: „Schau dir den an!“ Und dadurch wird Leistung als etwas Schlechtes hingestellt. Natürlich ist Leistung nicht alles, aber es ist etwas Wesentliches und hilft uns – auch international – konkurrenzfähig zu sein.
Sie haben vorhin das Thema Fachkräfte angesprochen. Wie sehen Sie die Entwicklung, dass es immer mehr Studenten und immer weniger Lehrlinge gibt?
Viele Unternehmen finden keine Lehrlinge – das Problem ist das Image der Lehre. Während international unsere Facharbeiter extrem anerkannt sind, hat die Lehre bei uns einen schlechten Ruf. Lange galt die Lehre als zweitrangig, was völlig falsch ist. Die Möglichkeit, nach der Lehre noch ein Studium zu machen, ist heute bestens gegeben und damit stehen einem viele Türen offen. Was reine Uni-Ausbildungen anbelangt: Es ist ein Irrglaube, dass man nach dem Studium fertig für den Beruf ist. Damit ein Unternehmen einen Absolventen einsetzen kann, muss es wieder kostenintensiv in Zeit und Ressourcen investieren. Das ist ein schwieriges Thema – an den Lösungskonzepten dafür zu arbeiten, das ist ein Schwerpunkt von uns.
Wie wird man eigentlich Interessensvertreter?
Indem man sagt, dass man sich engagieren möchte und dass man etwas verändern will. Man muss sich einbringen, mit anderen austauschen. Ein wichtiger Punkt bei der Interessensvertretung ist, dass man versteht, worum es geht – man muss also die Anliegen von jenen Leuten kennen, die man vertreten will. Das ist ein Hand-in-Hand-Prozess: Einerseits wird mein Netzwerk immer größer, andererseits lerne ich immer mehr Interessen kennen.
Ihr Netzwerk ist mittlerweile riesig – wie gelingt das?
Es ist einer nach dem anderen dazugekommen. Ich glaube, ein Netzwerk ist etwas, das man gut pflegen muss. Man muss aktiv sein – Veranstaltungen besuchen, bewusst auf andere zugehen. Also bevor ich mich am Abend zum Fernseher setze, gehe ich auf eine Veranstaltung – das mache ich schon lange so. Ich hab zwar einen Fernseher zuhause, aber ich weiß nicht, ob der überhaupt noch funktioniert.
Ist dieser Netzwerk-Aufbau ein Motivationsgrund, sich an der Wirtschaftskammer zu engagieren?
Ja, absolut – das ist ein positiver Nebeneffekt! Ich bringe Zeit ein, Zeit, die in der Firma wegfällt. Aber diese Zeit bringt mir Kontakte und Partner für Projekte. Und das ist für eine kleine Firma, die versucht, mit den größeren mitzuhalten, ganz wesentlich. Man kann aber auch Kunden finden, Ratschläge einholen und natürlich Freunde gewinnen. Viele meiner Freunde sind Selbständige – das hat sich mit der Zeit ergeben, weil man ähnliche Interessen und Zeitpläne hat. Wenn man also kurzfristig absagen muss, weil man nun mal nicht jeden Abend um fünf Schluss macht und jedes Wo- chenende frei hat, dann ist die Antwort darauf ganz einfach: „Macht nichts, geht mir auch oft so.“
Sind diese Nebeneffekte das einzige Honorar? Oder wird das Engagement auch monetär abgegolten?
Die Tätigkeiten sind ehrenamtlich und das ist auch gut so. Wenn man das machen würde, um Geld zu verdienen, dann wäre man an der falschen Stelle. Das Engagement für andere Unternehmen kommt aus dem eigenen Bedürfnis heraus, etwas verändern zu wollen und nicht aus dem Bedürfnis, sich selbst zu refinanzieren. Finanzieren tun wir uns über unseren Job.
Kürzlich der Eintrag auf einer Social-Media-Plattform: „Wozu zahle ich bitte die Kammerumlage?“ Was würden Sie darauf antworten?
Wenn wir den Pflichtbeitrag abschaffen würden, dann werden insbesondere kleinere Unternehmen ihre Interessen nicht mehr durchsetzen können. Ein kleines Unternehmen zahlt 100 bis 200 Euro Kammerumlage im Jahr und bekommt dafür ein riesiges System mit unzähligen Leistungen. Das
könnte ich mit so einem kleinen Betrag nie finanzieren. Der Grund, warum es funktioniert, ist die Pflichtmitgliedschaft für alle. In Wahrheit finanzieren die großen Unternehmen, die eine viel höhere Kammerumlage zahlen, alles und die kleinen profitieren davon. Jene Länder, die keine Wirtschaftskammer haben, wo jeder einzahlt, haben viel mehr große und viel weniger kleine Unternehmen. Denn die kleinen können kaum überleben – wenn ein Unternehmer mit fünf Mitarbeitern sagt „Das geht gar nicht“, dann wird er nicht gehört. Er kann sich keinen guten Rechtsanwalt, keine teure Maschinerie leisten, die für seine Rahmenbedingungen kämpft. Genau diese Maschinerie ist die WKO. Wenn ich ein Problem habe, dann gehe ich zur WKO und sage: Macht was dagegen! Und das tun sie dann auch, für das sind sie da. Man könnte die WKO durchaus als unternehmerische Versicherung zu einem sehr günstigen Preis bezeichnen – denn man bekommt für eine geringe Kammerumlage sehr, sehr viele Leistungen.
Kennen manche Unternehmer vielleicht diese Leistungen gar nicht?
Ja, das Bewusstsein ist sehr oft nicht da! Wenn man als Unternehmer startet, hat man so viel zu tun, dass man gar nicht daran denkt, wo man sich überall Leistungen und Beratungen herholen könnte. Man fragt dann oft Dr. Google um Rat und wundert sich, warum man keine Lösung findet, statt einfach das Naheliegende zu tun und die Servicestellen der WKO zu nutzen. So ein Service gibt es in den wenigsten Ländern – wir haben ein System, das sich viele Länder zum Vorbild machen wollen, weil es bei uns ein Erfolgskonzept ist.
Wenn man sich die Lebensläufe der Politiker ansieht, dann findet man einige unter ihnen, die zuvor an der Wirtschaftskammer tätig waren. Landesrat, Finanzminister, EU-Abgeordneter – wäre da etwas dabei für Sie?
Nein. Ich bin leidenschaftlicher Unternehmer und möchte es auch bleiben. Mich als Interessensvertreter einzusetzen ist mir wichtig und macht mir Spaß, aber ich bin kein Berufspolitiker. Könnte ich auch nicht sein.
Sie feiern nächstes Jahr Ihren 40. Geburtstag. Rückblickend: Gibt es Dinge, die Sie im Laufe der Jahre im Nachhinein anders machen würden?
Ich würde mich auf alle Fälle schon früher vernetzen. Als wir angefangen haben, haben wir viele, viele Fehler selbst gemacht. Wir waren zwei Techniker, die keine Ahnung vom Unternehmertum hatten. Ich hatte in der Schule mal Buchhaltung, aber das ist keine wirtschaftliche Ausbildung. Und wenn man sich dann selbständig macht, läuft alles schief. Sicher macht man gute Umsätze, aber im Nachhinein denkt man sich: Warum hab ich das nicht gemacht, warum hab ich an das nicht gedacht? Deshalb rate ich jedem: Unterhalte dich schon am Anfang mit Leuten, welche die gleiche Situation schon mal erlebt
hatten – weil diese können am besten helfen. Ich würde auf den Rat der Leute hören und nicht versuchen, alles selbst zu lösen.
In Ihrem Lebenslauf findet man so interessante Zwischenstationen wie Bauspengler, Sanitäter beim Roten Kreuz, Asphaltierer, Kanalarbeiter, Skilehrer ...
Ja, genau, damit habe ich mein Studium finanziert. Aber nicht nur das, diese Tätigkeiten haben mir extremen Respekt eingeflößt. Man sieht dann erst, was dahinter steckt. Das holt einen wieder zurück auf den Boden. Als Sanitäter habe ich auch noch ge- arbeitet, als ich schon Unternehmer war – es ist beinhart. Und zeigt einem, wie glücklich man sein kann und wie gut es uns eigentlich geht. Ich bin froh über diese Erfahrungen, weil sie mein Leben komplett gemacht haben.
Warum haben Sie sich für ein Studium in Linz und nicht in Wien entschieden?
Als Tiroler nach Wien, das geht mal gar nicht (lacht). Linz habe ich kennen und lieben gelernt – ich habe viele Kontakte geknüpft. Und deshalb hat es mich dann auch in Oberösterreich gehalten.
Wussten Sie immer schon, dass Sie sich eines Tages selbständig machen würden?
Überhaupt nicht. Ich wollte unbedingt als Angestellter in der Informatik arbeiten und hatte ganz genaue Vorstellungen von meinen Karriereschritten. Und dann hat sich die Firma durch das Uni-Projekt ergeben. Ich habe die Selbständigkeit also erst im „Doing“ lieben gelernt, jetzt würde ich sie nie mehr missen wollen! Die Eigenverantwortung ist das Schönste, was man sich vorstellen kann.
gedanken.
Markus Roth
Meine dringlichste Forderung an die Bundespolitik
Lasst die Unternehmen arbeiten!
An die Landespolitik
Unterstützt die Unternehmer auch zukünftig!
Industrie 4.0
Unsere Zukunft. Und weil es meine Branche ist: eine der spannendsten und am stärksten veränderbar Bereiche überhaupt. Darüber könnte ich einen Tag reden (Er schmunzelt.).
Ich ziehe den Hut vor
Jedem, der seinen Job aus Leidenschaft macht.
Wütend machen mich
Aussagen wie „Euch Unternehmern geht es so gut und wir Arbeitnehmer sind so arm.“ Das ärgert mich, weil es nicht dieses Schwarz-Weiß gibt – es gibt schwarze Schafe sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern, aber es ist immer ein Miteinander, nur so kann es funktionieren.
Eine Einstellung, die ich im Laufe meines Lebens geändert habe
Ich will nicht mehr überall der Beste sein. Weil ich weiß, das es nicht möglich ist. Ich brauche kein S für Superman, ein U für Unternehmer reicht mir vollkommen.
Ein Mensch (neben den Eltern), der meine Kindheit geprägt hat
Mein Volksschuldirektor. Er war eine sehr weise und ausgeglichene Persönlichkeit. So wollte ich auch werden. Ich bin dann zwar kein Lehrer geworden, aber das Ausgleglichene gefällt mir immer noch.
Mein Ausgleich
Im Winter die Ski. Im Sommer das Boot. Das sind meine zwei Ruhepole.
Wofür ich gern Geld ausgebe
Viel zu gern für gutes Essen. (Er lacht und streicht sich über seinen – gar nicht vorhandenen – Bauch.)