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Die Roboter kommen!

Die vierte industrielle Revolution startet gerade richtig durch. Doch was bedeutet dies für die Arbeitsplätze? Betriebe sind gefordert, die neue Technologie so einzusetzen, dass die Qualität der Arbeitsplätze erhalten bleibt und die mittlere Qualifikationsebene nicht wegfällt. Arbeitnehmer und junge Absolventen müssen sich gleichzeitig auf veränderte Berufsanforderungen einstellen.

Das Bild von der Produktion der Zukunft schürt Ängste: Riesengroße Hallen mit großen Maschinen. Alles ist sauber und steril, man könnte auf dem Boden essen. Roboter erledigen die Arbeit. Menschen sind keine zu sehen. Sind das die Auswirkungen von Industrie 4.0? Werden Studien, die bis zu 50 Prozent Verlust der Arbeitsplätze voraussagen, einmal Wirklichkeit? Fest steht: Es werden bestimmte Tätigkeiten wegfallen und es wird eine Verschiebung bei den Arbeitsplätzen geben. „Das hat es in der Geschichte bei jeder Revolution gegeben – sonst würden wir alle noch in der Landwirtschaft arbeiten“, sagt Clemens Zierler, Geschäftsführer vom Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik (IAA) an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz. Sämtliche Studien mit Prozentangaben für verschiedene Länder seien aber „ein Blick in die Glaskugel und Kaffeesudlesen“. Das könne man aktuell noch gar nicht berechnen.

Eine viel „dramatischere Frage“ als der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen sei zum jetzigen Zeitpunkt die Erhaltung der Qualität der verbleibenden Arbeitsplätze. Denn die erste und zweite industrielle Revolution brachten zwar viele neue Arbeitsplätze, doch kam es zu miserablen Arbeitsbedingungen. Die Menschen wurden hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, Kinderarbeit war an der Tagesordnung. „Jede Technologie ist grundsätzlich einmal objektiv, es kommt aber dann auf den richtigen Einsatz an“, so Zierler und nennt als Beispiel einen Hammer, mit dem man Nägel in die Wand oder einer Person den Kopf einschlagen kann.

Spezialisierungs-Szenario

Es könne zu zwei möglichen Szenarien beim Einsatz der Technologien kommen: Beim Automatisierungs-Szenarium sammeln die Systeme die Informationen, bereiten diese auf und wandeln sie direkt in Anweisungen für die Mitarbeiter um. Die Mitarbeiter selbst können keine Entscheidungen mehr treffen. „Es stellt sich die Frage, wie sich dieses System auf die Motivation, Psyche und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter auswirkt“, gibt Zierler zu bedenken. Beim zweiten, wünschenswerten Spezialisierungs-Szenario stellen die Maschinen die Informationen nur zur Verfügung und die Mitarbeiter treffen die Entscheidungen. „Jeder Betrieb sollte für sich alleine entscheiden, wie er die Maschinen einsetzt und welche Aufgaben bei den Menschen bleiben sollen“, sagt Zierler. Ein Mensch könne im Gegensatz zu einer Maschine improvisieren und innovativ sein: „Der Roboter denkt nicht über die einprogrammierten Grenzen hinaus.“ Österreich habe mit der mittleren Qualifizierungsebene einen Wettbewerbsvorteil und dieser dürfe nicht gefährdet werden. In diesem Zusammenhang fordert Zierler auch, die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit den neuen Technologien in Einklang zu bringen. „Die Fronten zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind verhärtet. Wir brauchen eine Art zu wirtschaften, die den Rahmenbedingungen entspricht, aber die sozialen Notwendigkeiten nicht außer Acht lässt.“

Das IAA entwickelt im kommenden Jahr eine Methode zur Analyse von Betrieben in Bezug auf den technologischen Wandel. Dazu passen auch erste Ergebnisse des laufenden IAA-Projektes „Bestandsaufnahme Arbeitspolitik OÖ“: Demnach stehen oberösterreichische Betriebe kritisch dem Hype rund um den Begriff „Industrie 4.0“ gegenüber, nicht aber den technologischen Neuerungen, die damit verbunden sind. Ausgewählte Industrie 4.0-Technologien sind bereits in Anwendung.

Mangel an Mitarbeitern

Beim Luftfahrtzulieferer FACC mit Sitz in Ried im Innkreis beschäftigt sich seit rund zwei Jahren ein Bereich der Innovations- und Technologieeinheit speziell mit Industrie 4.0. „Wir haben in allen Bereichen die ersten Pilotprojekte, die sind durch die Bank positiv und wir lernen davon“, sagt Vorstandsmitglied Robert Machtlinger. Bei der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine sei „die Kunst“, wie diese miteinander kommunizieren können – Menschen nutzen teilweise auch eine nonverbale Sprache. „Die menschenlose Fertigung sehe ich nicht – ganz besonders nicht in der FACC“, so Machtlinger. Vielmehr sollen die Roboter die belastenden, schmutzigen Arbeiten übernehmen sowie unterstützen und die qualifizierten Mitarbeiter für die wertvolleren Arbeiten eingesetzt werden, spricht Machtlinger das Spezialisierungs-Szenarium an und nennt als Beispiel die Oberflächenbehandlung als eine sehr staubige und unangenehme Arbeit. Dabei könne man etwa für die fünf Stunden Vorbehandlungszeit Roboter einsetzen. Die Gefahr, dass damit viele niedrig qualifizierte Arbeitsplätze wegfallen könnten, sieht Machtlinger nicht, denn die Bevölkerung werde immer älter und wenn man Europa als Wirtschaftsstandort sichern möchte, müsse man effizienter werden. „Die Region im Innviertel wächst nicht so schnell wie die Industrie. Uns gehen die Mitarbeiter aus“, so Machtlinger. Weitere große Betriebe in der Region neben FACC sind etwa der Aluminiumhersteller Amag oder KTM.

Vernetztes Denken

Damit die Arbeitnehmer für die Veränderungen in der Arbeitswelt gerüstet sind empfiehlt Zierler: „Qualifizieren, qualifizieren und qualifizieren.“ Machtlinger stimmt zu: „Ich bin ein Fan der dualisierten Ausbildung. Eine fundierte, fachliche Ausbildung in einem Industrieland ist absolut notwendig.“ Peter Mirski, Leiter Departement und Studiengänge MCiT am Management Center Innsbruck, nennt vier Fähigkeiten und Kenntnisse, die auf Grund von Industrie 4.0 immer wichtiger werden. Die Arbeitnehmer müssten flexibler werden, um sich immer wieder auf neue Situationen einstellen zu können. Weiters müssten die Arbeitskräfte vielmehr den gesamten Produktions- und Leistungsprozess besser verstehen und sich darüber einen Überblick verschaffen können. Als drittes nennt Mirski die Fähigkeit, selbstgesteuert zu lernen und Probleme zu lösen: „Es gilt, individuelle Lerninhalte für sich so zu kombinieren, dass man einzelne Probleme selbstständig lösen kann.“ Das Stichwort dafür sei „Project- oder Problem-Based Learning“. Auf der Gestaltungs- und Innovationsebene gewinnen zu den klassischen Management Inhalten, insbesondere IT- und Kommunikationsverständnis, eine immer größere Bedeutung.

"Jeder Betrieb muss für sich alleine entscheiden, wie er die Roboter einsetzt und welche Aufgaben bei den Menschen bleiben sollen."

Clemens ZierlerGeschäftsführer, Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an der JKU

Auch Zierler betont, dass es immer wichtiger werde, vernetzt denken zu können: „Durch die Vernetzung der Produktion werden auch verschiedene Abteilungen stärker vernetzt und damit wird der Blick über den Tellerrand immer bedeutender.“ Dieser Blick gelinge während des Studiums durch Praktika, ergänzt Johannes Pracher, Geschäftsführer der Kepler Society der JKU. Außerdem werden Praktika „neben einer halbwegs normalen Studienzeit“ zur Vermittlung von „sozialer und emotionaler Kompetenz“ noch wichtiger. Reine Spezialisten würden sich schwerer tun: „Menschen brauchen ein Grundverständnis von Abläufen und Prozessen, um langfristig erfolgreich zu sein.“ Das zeige sich auch bereits am Arbeitsmarkt: Techniker mit betriebswirtschaftlichen oder juristischen Kenntnissen sind besonders gefragt, weiß Pracher. Ein guter Ausbildungsweg sei daher etwa ein HTL-Abschluss und ein juristisches Studium. Die Universitäten müssten sich in den nächsten Jahren noch einiges einfallen lassen. Die JKU habe etwa noch Aufholbedarf im Bereich Wirtschaftsinformatik und Mechatronik – im technischen Bereich sei in den letzten Jahren bereits viel gemacht worden. „Ein Konstrukteur kann sich die tollsten Maschinen überlegen, aber wenn es dafür kein Bauteil gibt, bringt das nichts“, erklärt Machtlinger die Notwendigkeit für vernetztes Denken und die Abstimmung zwischen den Abteilungen. Bei Hochschulabsolventen schaue man in der FACC, ob sie ein Interesse am Produkt haben und in das Unternehmen passen. Viele junge Menschen lerne man durch Praktika kennen. Die FACC setzt auch auf eine interne Akademie. Die Qualifikation der FACC-Mitarbeiter für die veränderten Produktionsbedingungen bezeichnet Machtlinger als „kontinuierlichen Entwicklungsprozess“. Ein laut Mirski möglicher Entwicklungsprozess zu mehr Wohlstand: „Wir müssen Industrie 4.0 als Chance sehen, um unseren Wohlstand zu erhöhen und dabei Umwelt und Ressourcen wie Strom und Energie zu schonen. Denn es kann individueller und dem Konsum angepasst produziert werden und dann muss weniger weggeworfen werden.“

"Neben einer halbwegs normalen Studienzeit wird die Absolvierung von Praktika zur Vermittlung von sozialer und emotionaler Kompetenz noch

Johannes PracherGeschäftsführer Kepler Society

wichtiger."

INDUSTRIELLE REVOLUTIONEN DER VERGANGENEN 260 JAHRE

01 / 1750

Einführung von dampfbetriebenen mechanischen Produktionsanlagen durch Erfindung der Dampfmaschine.

02 / 1870

Einführung der arbeitsteiligen Massenproduktion mithilfe elektrischer Energie und Erfindung des Fließbandes.

03 / 1970

Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automatisierung der Produktion

04 / aktuell

Einsatz von Systemen mit eingebetteter Software und intelligenten Objekten (CPS, CPPS). Der Begriff Industrie 4.0 wurde erstmals bei der Hannover Messe 2011 in der Öffentlichkeit präsentiert. Im Oktober 2012 hat der Arbeitskreis „Industrie 4.0“ der deutschen Bundesregierung eine Umsetzungsempfehlung gegeben.

Neue Arbeitswelt

Im Konnex von Industrie 4.0 wird fälschlicherweise oft auch der Begriff „neue Arbeitswelt“ genannt. Dabei handelt es sich zwar ebenfalls um einen Aspekt der Digitalisierung, die beiden Bereiche sind sonst aber grundsätzlich zu trennen und daher beschäftigen wir uns mit den neuen Arbeitswelten ausführlich im Artikel "Die Welt des neuen Arbeitens".

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